Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

Denen überredet man anders die Eingeweide; deren
Arzt und Lehrer bin ich nicht.

Der Ekel weicht diesen höheren Menschen: wohlan!
das ist mein Sieg. In meinem Reiche werden sie sicher,
alle dumme Scham läuft davon, sie schütten sich aus.

Sie schütten ihr Herz aus, gute Stunden kehren
ihnen zurück, sie feiern und käuen wieder, -- sie werden
dankbar.

Das nehme ich als das beste Zeichen: sie werden
dankbar. Nicht lange noch, und sie denken sich Feste
aus und stellen Denksteine ihren alten Freuden auf.

Es sind Genesende!" Also sprach Zarathustra
fröhlich zu seinem Herzen und schaute hinaus; seine
Thiere aber drängten sich an ihn und ehrten sein Glück
und sein Stillschweigen.


2.

Plötzlich aber erschrak das Ohr Zarathustra's: die
Höhle nämlich, welche bisher voller Lärmens und Ge¬
lächters war, wurde mit Einem Male todtenstill; -- seine
Nase aber roch einen wohlriechenden Qualm und Weih¬
rauch, wie von brennenden Pinien-Zapfen.

"Was geschieht? Was treiben sie? fragte er sich
und schlich zum Eingange heran, dass er seinen Gästen,
unvermerkt, zusehn könne. Aber, Wunder über Wunder!
was musste er da mit seinen eignen Augen sehn!

"Sie sind Alle wieder fromm geworden, sie beten,
sie sind toll!" -- sprach er und verwunderte sich über
die Maassen. Und, fürwahr!, alle diese höheren Menschen,

Denen überredet man anders die Eingeweide; deren
Arzt und Lehrer bin ich nicht.

Der Ekel weicht diesen höheren Menschen: wohlan!
das ist mein Sieg. In meinem Reiche werden sie sicher,
alle dumme Scham läuft davon, sie schütten sich aus.

Sie schütten ihr Herz aus, gute Stunden kehren
ihnen zurück, sie feiern und käuen wieder, — sie werden
dankbar.

Das nehme ich als das beste Zeichen: sie werden
dankbar. Nicht lange noch, und sie denken sich Feste
aus und stellen Denksteine ihren alten Freuden auf.

Es sind Genesende!“ Also sprach Zarathustra
fröhlich zu seinem Herzen und schaute hinaus; seine
Thiere aber drängten sich an ihn und ehrten sein Glück
und sein Stillschweigen.


2.

Plötzlich aber erschrak das Ohr Zarathustra's: die
Höhle nämlich, welche bisher voller Lärmens und Ge¬
lächters war, wurde mit Einem Male todtenstill; — seine
Nase aber roch einen wohlriechenden Qualm und Weih¬
rauch, wie von brennenden Pinien-Zapfen.

„Was geschieht? Was treiben sie? fragte er sich
und schlich zum Eingange heran, dass er seinen Gästen,
unvermerkt, zusehn könne. Aber, Wunder über Wunder!
was musste er da mit seinen eignen Augen sehn!

„Sie sind Alle wieder fromm geworden, sie beten,
sie sind toll!“ — sprach er und verwunderte sich über
die Maassen. Und, fürwahr!, alle diese höheren Menschen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0117" n="110"/>
Denen überredet man anders die Eingeweide; deren<lb/>
Arzt und Lehrer bin ich nicht.</p><lb/>
          <p>Der <hi rendition="#g">Ekel</hi> weicht diesen höheren Menschen: wohlan!<lb/>
das ist mein Sieg. In meinem Reiche werden sie sicher,<lb/>
alle dumme Scham läuft davon, sie schütten sich aus.</p><lb/>
          <p>Sie schütten ihr Herz aus, gute Stunden kehren<lb/>
ihnen zurück, sie feiern und käuen wieder, &#x2014; sie werden<lb/><hi rendition="#g">dankbar</hi>.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Das</hi> nehme ich als das beste Zeichen: sie werden<lb/>
dankbar. Nicht lange noch, und sie denken sich Feste<lb/>
aus und stellen Denksteine ihren alten Freuden auf.</p><lb/>
          <p>Es sind <hi rendition="#g">Genesende</hi>!&#x201C; Also sprach Zarathustra<lb/>
fröhlich zu seinem Herzen und schaute hinaus; seine<lb/>
Thiere aber drängten sich an ihn und ehrten sein Glück<lb/>
und sein Stillschweigen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head>2.<lb/></head>
          <p>Plötzlich aber erschrak das Ohr Zarathustra's: die<lb/>
Höhle nämlich, welche bisher voller Lärmens und Ge¬<lb/>
lächters war, wurde mit Einem Male todtenstill; &#x2014; seine<lb/>
Nase aber roch einen wohlriechenden Qualm und Weih¬<lb/>
rauch, wie von brennenden Pinien-Zapfen.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Was geschieht? Was treiben sie? fragte er sich<lb/>
und schlich zum Eingange heran, dass er seinen Gästen,<lb/>
unvermerkt, zusehn könne. Aber, Wunder über Wunder!<lb/>
was musste er da mit seinen eignen Augen sehn!</p><lb/>
          <p>&#x201E;Sie sind Alle wieder <hi rendition="#g">fromm</hi> geworden, sie <hi rendition="#g">beten</hi>,<lb/>
sie sind toll!&#x201C; &#x2014; sprach er und verwunderte sich über<lb/>
die Maassen. Und, fürwahr!, alle diese höheren Menschen,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[110/0117] Denen überredet man anders die Eingeweide; deren Arzt und Lehrer bin ich nicht. Der Ekel weicht diesen höheren Menschen: wohlan! das ist mein Sieg. In meinem Reiche werden sie sicher, alle dumme Scham läuft davon, sie schütten sich aus. Sie schütten ihr Herz aus, gute Stunden kehren ihnen zurück, sie feiern und käuen wieder, — sie werden dankbar. Das nehme ich als das beste Zeichen: sie werden dankbar. Nicht lange noch, und sie denken sich Feste aus und stellen Denksteine ihren alten Freuden auf. Es sind Genesende!“ Also sprach Zarathustra fröhlich zu seinem Herzen und schaute hinaus; seine Thiere aber drängten sich an ihn und ehrten sein Glück und sein Stillschweigen. 2. Plötzlich aber erschrak das Ohr Zarathustra's: die Höhle nämlich, welche bisher voller Lärmens und Ge¬ lächters war, wurde mit Einem Male todtenstill; — seine Nase aber roch einen wohlriechenden Qualm und Weih¬ rauch, wie von brennenden Pinien-Zapfen. „Was geschieht? Was treiben sie? fragte er sich und schlich zum Eingange heran, dass er seinen Gästen, unvermerkt, zusehn könne. Aber, Wunder über Wunder! was musste er da mit seinen eignen Augen sehn! „Sie sind Alle wieder fromm geworden, sie beten, sie sind toll!“ — sprach er und verwunderte sich über die Maassen. Und, fürwahr!, alle diese höheren Menschen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra04_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra04_1891/117
Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 4. Leipzig, 1891, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra04_1891/117>, abgerufen am 30.11.2024.