Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Forts an der Cremera, dessen Anlage unter dem Schutz
der vereinigten consularischen Heere ausgeführt ward
vor denen sich die Vejenter, nachdem ihnen der Sieg
entrissen worden, gegen ihre Stadt zurückgezogen hat-
ten, und dessen Behauptung das Fabische Geschlecht un-
ternahm.

Ich zweifle nicht daß die Camenen des Alterthums
den Untergang der Fabier besungen haben, und aus den
Abweichungen der Lieder, wie der Gedächtnißreden, mö-
gen die sehr verschiedenen Erzählungen entstanden seyn
von denen die Rede seyn wird. Aber was in der Sage
von den dreyhundert und sechs Fabiern durch deren Tod
das ganze Geschlecht bis auf einen Knaben vertilgt ge-
worden sey, schon von dem Kritiker Dionysius fabelhaft
gefunden ist, verdient keineswegs verworfen zu werden.
Die Zahl so vieler streitbarer Männer, unglaublich von
der ausgebreitetsten Familie, ist für ein römisches Ge-
schlecht, aus vielen Familien verbunden, nicht unglaub-
lich: und die Ausrottung des Geschlechts durch den Fall
der waffenfähigen Männer, so daß nur ein Kind über-
lebte welches sich zufällig zu Rom befand, scheint eine fest
begründete Sage.

Das Fabische Geschlecht zog aus mit allen seinen
Clienten, deren Zahl gegen viertausend, oder zu fünf-
tausend 79) angegeben wird: und in der damaligen Zer-
rüttung Roms ist der Wunsch sehr begreiflich eine ab-
gesonderte Niederlassung zu behaupten. Gründeten sie
diese, so folgten ihnen auch ihre Familien, und alles

79) Dionysius IX. c. 15. Festus s. v. Scelerata porta.

Forts an der Cremera, deſſen Anlage unter dem Schutz
der vereinigten conſulariſchen Heere ausgefuͤhrt ward
vor denen ſich die Vejenter, nachdem ihnen der Sieg
entriſſen worden, gegen ihre Stadt zuruͤckgezogen hat-
ten, und deſſen Behauptung das Fabiſche Geſchlecht un-
ternahm.

Ich zweifle nicht daß die Camenen des Alterthums
den Untergang der Fabier beſungen haben, und aus den
Abweichungen der Lieder, wie der Gedaͤchtnißreden, moͤ-
gen die ſehr verſchiedenen Erzaͤhlungen entſtanden ſeyn
von denen die Rede ſeyn wird. Aber was in der Sage
von den dreyhundert und ſechs Fabiern durch deren Tod
das ganze Geſchlecht bis auf einen Knaben vertilgt ge-
worden ſey, ſchon von dem Kritiker Dionyſius fabelhaft
gefunden iſt, verdient keineswegs verworfen zu werden.
Die Zahl ſo vieler ſtreitbarer Maͤnner, unglaublich von
der ausgebreitetſten Familie, iſt fuͤr ein roͤmiſches Ge-
ſchlecht, aus vielen Familien verbunden, nicht unglaub-
lich: und die Ausrottung des Geſchlechts durch den Fall
der waffenfaͤhigen Maͤnner, ſo daß nur ein Kind uͤber-
lebte welches ſich zufaͤllig zu Rom befand, ſcheint eine feſt
begruͤndete Sage.

Das Fabiſche Geſchlecht zog aus mit allen ſeinen
Clienten, deren Zahl gegen viertauſend, oder zu fuͤnf-
tauſend 79) angegeben wird: und in der damaligen Zer-
ruͤttung Roms iſt der Wunſch ſehr begreiflich eine ab-
geſonderte Niederlaſſung zu behaupten. Gruͤndeten ſie
dieſe, ſo folgten ihnen auch ihre Familien, und alles

79) Dionyſius IX. c. 15. Feſtus s. v. Scelerata porta.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0093" n="77"/>
Forts an der Cremera, de&#x017F;&#x017F;en Anlage unter dem Schutz<lb/>
der vereinigten con&#x017F;ulari&#x017F;chen Heere ausgefu&#x0364;hrt ward<lb/>
vor denen &#x017F;ich die Vejenter, nachdem ihnen der Sieg<lb/>
entri&#x017F;&#x017F;en worden, gegen ihre Stadt zuru&#x0364;ckgezogen hat-<lb/>
ten, und de&#x017F;&#x017F;en Behauptung das Fabi&#x017F;che Ge&#x017F;chlecht un-<lb/>
ternahm.</p><lb/>
        <p>Ich zweifle nicht daß die Camenen des Alterthums<lb/>
den Untergang der Fabier be&#x017F;ungen haben, und aus den<lb/>
Abweichungen der Lieder, wie der Geda&#x0364;chtnißreden, mo&#x0364;-<lb/>
gen die &#x017F;ehr ver&#x017F;chiedenen Erza&#x0364;hlungen ent&#x017F;tanden &#x017F;eyn<lb/>
von denen die Rede &#x017F;eyn wird. Aber was in der Sage<lb/>
von den dreyhundert und &#x017F;echs Fabiern durch deren Tod<lb/>
das ganze Ge&#x017F;chlecht bis auf einen Knaben vertilgt ge-<lb/>
worden &#x017F;ey, &#x017F;chon von dem Kritiker Diony&#x017F;ius fabelhaft<lb/>
gefunden i&#x017F;t, verdient keineswegs verworfen zu werden.<lb/>
Die Zahl &#x017F;o vieler &#x017F;treitbarer Ma&#x0364;nner, unglaublich von<lb/>
der ausgebreitet&#x017F;ten Familie, i&#x017F;t fu&#x0364;r ein ro&#x0364;mi&#x017F;ches Ge-<lb/>
&#x017F;chlecht, aus vielen Familien verbunden, nicht unglaub-<lb/>
lich: und die Ausrottung des Ge&#x017F;chlechts durch den Fall<lb/>
der waffenfa&#x0364;higen Ma&#x0364;nner, &#x017F;o daß nur ein Kind u&#x0364;ber-<lb/>
lebte welches &#x017F;ich zufa&#x0364;llig zu Rom befand, &#x017F;cheint eine fe&#x017F;t<lb/>
begru&#x0364;ndete Sage.</p><lb/>
        <p>Das Fabi&#x017F;che Ge&#x017F;chlecht zog aus mit allen &#x017F;einen<lb/>
Clienten, deren Zahl gegen viertau&#x017F;end, oder zu fu&#x0364;nf-<lb/>
tau&#x017F;end <note place="foot" n="79)">Diony&#x017F;ius <hi rendition="#aq">IX. c.</hi> 15. Fe&#x017F;tus <hi rendition="#aq">s. v. Scelerata porta.</hi></note> angegeben wird: und in der damaligen Zer-<lb/>
ru&#x0364;ttung Roms i&#x017F;t der Wun&#x017F;ch &#x017F;ehr begreiflich eine ab-<lb/>
ge&#x017F;onderte Niederla&#x017F;&#x017F;ung zu behaupten. Gru&#x0364;ndeten &#x017F;ie<lb/>
die&#x017F;e, &#x017F;o folgten ihnen auch ihre Familien, und alles<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0093] Forts an der Cremera, deſſen Anlage unter dem Schutz der vereinigten conſulariſchen Heere ausgefuͤhrt ward vor denen ſich die Vejenter, nachdem ihnen der Sieg entriſſen worden, gegen ihre Stadt zuruͤckgezogen hat- ten, und deſſen Behauptung das Fabiſche Geſchlecht un- ternahm. Ich zweifle nicht daß die Camenen des Alterthums den Untergang der Fabier beſungen haben, und aus den Abweichungen der Lieder, wie der Gedaͤchtnißreden, moͤ- gen die ſehr verſchiedenen Erzaͤhlungen entſtanden ſeyn von denen die Rede ſeyn wird. Aber was in der Sage von den dreyhundert und ſechs Fabiern durch deren Tod das ganze Geſchlecht bis auf einen Knaben vertilgt ge- worden ſey, ſchon von dem Kritiker Dionyſius fabelhaft gefunden iſt, verdient keineswegs verworfen zu werden. Die Zahl ſo vieler ſtreitbarer Maͤnner, unglaublich von der ausgebreitetſten Familie, iſt fuͤr ein roͤmiſches Ge- ſchlecht, aus vielen Familien verbunden, nicht unglaub- lich: und die Ausrottung des Geſchlechts durch den Fall der waffenfaͤhigen Maͤnner, ſo daß nur ein Kind uͤber- lebte welches ſich zufaͤllig zu Rom befand, ſcheint eine feſt begruͤndete Sage. Das Fabiſche Geſchlecht zog aus mit allen ſeinen Clienten, deren Zahl gegen viertauſend, oder zu fuͤnf- tauſend 79) angegeben wird: und in der damaligen Zer- ruͤttung Roms iſt der Wunſch ſehr begreiflich eine ab- geſonderte Niederlaſſung zu behaupten. Gruͤndeten ſie dieſe, ſo folgten ihnen auch ihre Familien, und alles 79) Dionyſius IX. c. 15. Feſtus s. v. Scelerata porta.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/93
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/93>, abgerufen am 23.11.2024.