Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Verwerfung gegeben war, wenn sie auch weder Männer
noch Maaßregeln ihrer eigenen Wahl aufstellen konnte,
und durch wiederholtes Verwerfen ermüdet, oder dabey
bedroht, sich dem Willen der Regierung endlich fügen
mußte. Die Freyheit begann zu athmen als eigene Wahl,
zwar nur eines der beyden Consuln, und immer eines Pa-
triciers, aber eines freundlich gesinnten, den der Senat
nie vorgeschlagen hätte, dem Volk freygegeben war. So
gewann des Volks Wohlwollen Wichtigkeit für den Patri-
cier der hohe Ehren wünschte. Für den andern Consul
blieb es bey der alten Ordnung bis zum Decemvirat: für
das Jahr 283 ward Appius Claudius durch Senatsbe-
schluß zum Consul vorgeschlagen 34): eine Nachricht
welche von Dionysius abgerissen, aber unzweydeutig, und
durch jene völlig erklärt, gegeben wird. Hieraus erklärt
sich in seinem Ursprung das Recht des vorsitzenden Con-
suls Stimmen für einen Candidaten nicht anzunehmen.
Das neue Recht, das erste welches die harte Oligarchie
des Senats in ihrer Consequenz zerriß, ward vermuthlich

34) Dionysius IX. c. 42. Appion Klaudion -- proebou'-
leusan
te kai epsephisanto aponta upaton. Den ursprüng-
lich gesetzlichen Gang aller Wahlen die der Centurienge-
meinde eingeräumt waren, bezeichnet eine andre Stelle, X.
c.
4. [ - 1 Zeichen fehlt]ute boules dogma umas apodeiknusin epi
ten arkhen, oute ai phratrai ten psephon uper umon epiphe-
rousin. Sie ist erweisend für die allgemeine Regel, ob-
gleich nur halb richtig für den Gegenstand wovon dort die
Rede ist: denn darauf kann man freylich schwören daß die
Volkstribunen, als sie noch von der Nationalgemeinde er-
wählt wurden, doch nie vom Senat vorgeschlagen waren.

Verwerfung gegeben war, wenn ſie auch weder Maͤnner
noch Maaßregeln ihrer eigenen Wahl aufſtellen konnte,
und durch wiederholtes Verwerfen ermuͤdet, oder dabey
bedroht, ſich dem Willen der Regierung endlich fuͤgen
mußte. Die Freyheit begann zu athmen als eigene Wahl,
zwar nur eines der beyden Conſuln, und immer eines Pa-
triciers, aber eines freundlich geſinnten, den der Senat
nie vorgeſchlagen haͤtte, dem Volk freygegeben war. So
gewann des Volks Wohlwollen Wichtigkeit fuͤr den Patri-
cier der hohe Ehren wuͤnſchte. Fuͤr den andern Conſul
blieb es bey der alten Ordnung bis zum Decemvirat: fuͤr
das Jahr 283 ward Appius Claudius durch Senatsbe-
ſchluß zum Conſul vorgeſchlagen 34): eine Nachricht
welche von Dionyſius abgeriſſen, aber unzweydeutig, und
durch jene voͤllig erklaͤrt, gegeben wird. Hieraus erklaͤrt
ſich in ſeinem Urſprung das Recht des vorſitzenden Con-
ſuls Stimmen fuͤr einen Candidaten nicht anzunehmen.
Das neue Recht, das erſte welches die harte Oligarchie
des Senats in ihrer Conſequenz zerriß, ward vermuthlich

34) Dionyſius IX. c. 42. Ἄππιον Κλαύδιον — προεβȣʹ-
λευσἀν
τε καὶ ἐψηφίσαντο ἀπόντα ὕπατον. Den urſpruͤng-
lich geſetzlichen Gang aller Wahlen die der Centurienge-
meinde eingeraͤumt waren, bezeichnet eine andre Stelle, X.
c.
4. [ – 1 Zeichen fehlt]ὔτε βȣλῆς δόγμα ὑμᾶς ἀποδείκνυσιν ἐπὶ
τὴν ἀρχὴν, οὔτε αἱ φράτραι τὴν ψῆφον ὑπὲρ ὑμῶν ἐπιφέ-
ρουσιν. Sie iſt erweiſend fuͤr die allgemeine Regel, ob-
gleich nur halb richtig fuͤr den Gegenſtand wovon dort die
Rede iſt: denn darauf kann man freylich ſchwoͤren daß die
Volkstribunen, als ſie noch von der Nationalgemeinde er-
waͤhlt wurden, doch nie vom Senat vorgeſchlagen waren.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0045" n="29"/>
Verwerfung gegeben war, wenn &#x017F;ie auch weder Ma&#x0364;nner<lb/>
noch Maaßregeln ihrer eigenen Wahl auf&#x017F;tellen konnte,<lb/>
und durch wiederholtes Verwerfen ermu&#x0364;det, oder dabey<lb/>
bedroht, &#x017F;ich dem Willen der Regierung endlich fu&#x0364;gen<lb/>
mußte. Die Freyheit begann zu athmen als eigene Wahl,<lb/>
zwar nur eines der beyden Con&#x017F;uln, und immer eines Pa-<lb/>
triciers, aber eines freundlich ge&#x017F;innten, den der Senat<lb/>
nie vorge&#x017F;chlagen ha&#x0364;tte, dem Volk freygegeben war. So<lb/>
gewann des Volks Wohlwollen Wichtigkeit fu&#x0364;r den Patri-<lb/>
cier der hohe Ehren wu&#x0364;n&#x017F;chte. Fu&#x0364;r den andern Con&#x017F;ul<lb/>
blieb es bey der alten Ordnung bis zum Decemvirat: fu&#x0364;r<lb/>
das Jahr 283 ward Appius Claudius durch Senatsbe-<lb/>
&#x017F;chluß zum Con&#x017F;ul vorge&#x017F;chlagen <note place="foot" n="34)">Diony&#x017F;ius <hi rendition="#aq">IX. c.</hi> 42. &#x1F0C;&#x03C0;&#x03C0;&#x03B9;&#x03BF;&#x03BD; &#x039A;&#x03BB;&#x03B1;&#x03CD;&#x03B4;&#x03B9;&#x03BF;&#x03BD; &#x2014; <hi rendition="#g">&#x03C0;&#x03C1;&#x03BF;&#x03B5;&#x03B2;&#x0223;&#x0374;-<lb/>
&#x03BB;&#x03B5;&#x03C5;&#x03C3;&#x1F00;&#x03BD;</hi> &#x03C4;&#x03B5; &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x1F10;&#x03C8;&#x03B7;&#x03C6;&#x03AF;&#x03C3;&#x03B1;&#x03BD;&#x03C4;&#x03BF; &#x1F00;&#x03C0;&#x03CC;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B1; &#x1F55;&#x03C0;&#x03B1;&#x03C4;&#x03BF;&#x03BD;. Den ur&#x017F;pru&#x0364;ng-<lb/>
lich ge&#x017F;etzlichen Gang aller Wahlen die der Centurienge-<lb/>
meinde eingera&#x0364;umt waren, bezeichnet eine andre Stelle, <hi rendition="#aq">X.<lb/>
c.</hi> 4. <gap unit="chars" quantity="1"/>&#x1F54;&#x03C4;&#x03B5; <hi rendition="#g">&#x03B2;&#x0223;&#x03BB;&#x1FC6;&#x03C2; &#x03B4;&#x03CC;&#x03B3;&#x03BC;&#x03B1;</hi> &#x1F51;&#x03BC;&#x1FB6;&#x03C2; <hi rendition="#g">&#x1F00;&#x03C0;&#x03BF;&#x03B4;&#x03B5;&#x03AF;&#x03BA;&#x03BD;&#x03C5;&#x03C3;&#x03B9;&#x03BD;</hi> &#x1F10;&#x03C0;&#x1F76;<lb/>
&#x03C4;&#x1F74;&#x03BD; &#x1F00;&#x03C1;&#x03C7;&#x1F74;&#x03BD;, &#x03BF;&#x1F54;&#x03C4;&#x03B5; &#x03B1;&#x1F31; &#x03C6;&#x03C1;&#x03AC;&#x03C4;&#x03C1;&#x03B1;&#x03B9; &#x03C4;&#x1F74;&#x03BD; &#x03C8;&#x1FC6;&#x03C6;&#x03BF;&#x03BD; &#x1F51;&#x03C0;&#x1F72;&#x03C1; &#x1F51;&#x03BC;&#x1FF6;&#x03BD; &#x1F10;&#x03C0;&#x03B9;&#x03C6;&#x03AD;-<lb/>
&#x03C1;&#x03BF;&#x03C5;&#x03C3;&#x03B9;&#x03BD;. Sie i&#x017F;t erwei&#x017F;end fu&#x0364;r die allgemeine Regel, ob-<lb/>
gleich nur halb richtig fu&#x0364;r den Gegen&#x017F;tand wovon dort die<lb/>
Rede i&#x017F;t: denn darauf kann man freylich &#x017F;chwo&#x0364;ren daß die<lb/>
Volkstribunen, als &#x017F;ie noch von der Nationalgemeinde er-<lb/>
wa&#x0364;hlt wurden, doch nie vom Senat vorge&#x017F;chlagen waren.</note>: eine Nachricht<lb/>
welche von Diony&#x017F;ius abgeri&#x017F;&#x017F;en, aber unzweydeutig, und<lb/>
durch jene vo&#x0364;llig erkla&#x0364;rt, gegeben wird. Hieraus erkla&#x0364;rt<lb/>
&#x017F;ich in &#x017F;einem Ur&#x017F;prung das Recht des vor&#x017F;itzenden Con-<lb/>
&#x017F;uls Stimmen fu&#x0364;r einen Candidaten nicht anzunehmen.<lb/>
Das neue Recht, das er&#x017F;te welches die harte Oligarchie<lb/>
des Senats in ihrer Con&#x017F;equenz zerriß, ward vermuthlich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0045] Verwerfung gegeben war, wenn ſie auch weder Maͤnner noch Maaßregeln ihrer eigenen Wahl aufſtellen konnte, und durch wiederholtes Verwerfen ermuͤdet, oder dabey bedroht, ſich dem Willen der Regierung endlich fuͤgen mußte. Die Freyheit begann zu athmen als eigene Wahl, zwar nur eines der beyden Conſuln, und immer eines Pa- triciers, aber eines freundlich geſinnten, den der Senat nie vorgeſchlagen haͤtte, dem Volk freygegeben war. So gewann des Volks Wohlwollen Wichtigkeit fuͤr den Patri- cier der hohe Ehren wuͤnſchte. Fuͤr den andern Conſul blieb es bey der alten Ordnung bis zum Decemvirat: fuͤr das Jahr 283 ward Appius Claudius durch Senatsbe- ſchluß zum Conſul vorgeſchlagen 34): eine Nachricht welche von Dionyſius abgeriſſen, aber unzweydeutig, und durch jene voͤllig erklaͤrt, gegeben wird. Hieraus erklaͤrt ſich in ſeinem Urſprung das Recht des vorſitzenden Con- ſuls Stimmen fuͤr einen Candidaten nicht anzunehmen. Das neue Recht, das erſte welches die harte Oligarchie des Senats in ihrer Conſequenz zerriß, ward vermuthlich 34) Dionyſius IX. c. 42. Ἄππιον Κλαύδιον — προεβȣʹ- λευσἀν τε καὶ ἐψηφίσαντο ἀπόντα ὕπατον. Den urſpruͤng- lich geſetzlichen Gang aller Wahlen die der Centurienge- meinde eingeraͤumt waren, bezeichnet eine andre Stelle, X. c. 4. _ὔτε βȣλῆς δόγμα ὑμᾶς ἀποδείκνυσιν ἐπὶ τὴν ἀρχὴν, οὔτε αἱ φράτραι τὴν ψῆφον ὑπὲρ ὑμῶν ἐπιφέ- ρουσιν. Sie iſt erweiſend fuͤr die allgemeine Regel, ob- gleich nur halb richtig fuͤr den Gegenſtand wovon dort die Rede iſt: denn darauf kann man freylich ſchwoͤren daß die Volkstribunen, als ſie noch von der Nationalgemeinde er- waͤhlt wurden, doch nie vom Senat vorgeſchlagen waren.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/45
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/45>, abgerufen am 29.03.2024.