Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

und Volk nach vor der Furcht dieses Nahmens, nicht der
vier und zwanzig Lictoren.

Mit dieser Erfahrung zögerte der Senat nicht die
jährlich erneuerten Ansprüche des Volks wiederhohlt mit
der nämlichen Taktik zu bekämpfen. Wenn die Tribunen
hartnäckigere Entschlossenheit zeigten, so konnte auch ohne
die Dictatur der Buchstabe des Gesetzes diese vereiteln.
Der tribunicische Schutz erstreckte sich nur auf die Stadt
und eine Bannmillie 25), daher konnten die Consuln,
wenn sie sich außerhalb dieses Bezirks begaben um die
Aushebung vorzunehmen (271), mit willkührlicher
Strenge verfahren. Entzog auch der ausbleibende im
Umfang des tribunicischen Schutzgebiets seinen Leib ihren
Mißhandlungen, so haftete doch seine Habe; alles ward
weggenommen oder verbrannt, und wer ergriffen ward
büßte körperlich 26). So erzwangen die Consuln wohl
den augenblicklichen Gehorsam der Furcht: aber ein willi-
ger und freudiger Dienst ließ sich nicht erzwingen: die Ar-
mee wollte nicht siegen (273), und wich vor dem schon ge-
schlagenen Feinde zurück 27). Es hatte in diesem Jahre
noch mehr erbittert daß Schlauheit den tribunicischen
Schutz vereitelt hatte, als früher, wenn offenbare Gewalt
angewandt war: und das Volk glaubte sich selbst, wenn

25) Livius III. c. 20. Neque enim provocationem esse
longius ab urbe mille passuum; et tribunos, si eo adve-
niant, in alia turba Quiritium subjectos fore consulari
imperio
.
26) Dionysius VIII. c. 87.
27) Livius II. c. 43.

und Volk nach vor der Furcht dieſes Nahmens, nicht der
vier und zwanzig Lictoren.

Mit dieſer Erfahrung zoͤgerte der Senat nicht die
jaͤhrlich erneuerten Anſpruͤche des Volks wiederhohlt mit
der naͤmlichen Taktik zu bekaͤmpfen. Wenn die Tribunen
hartnaͤckigere Entſchloſſenheit zeigten, ſo konnte auch ohne
die Dictatur der Buchſtabe des Geſetzes dieſe vereiteln.
Der tribuniciſche Schutz erſtreckte ſich nur auf die Stadt
und eine Bannmillie 25), daher konnten die Conſuln,
wenn ſie ſich außerhalb dieſes Bezirks begaben um die
Aushebung vorzunehmen (271), mit willkuͤhrlicher
Strenge verfahren. Entzog auch der ausbleibende im
Umfang des tribuniciſchen Schutzgebiets ſeinen Leib ihren
Mißhandlungen, ſo haftete doch ſeine Habe; alles ward
weggenommen oder verbrannt, und wer ergriffen ward
buͤßte koͤrperlich 26). So erzwangen die Conſuln wohl
den augenblicklichen Gehorſam der Furcht: aber ein willi-
ger und freudiger Dienſt ließ ſich nicht erzwingen: die Ar-
mee wollte nicht ſiegen (273), und wich vor dem ſchon ge-
ſchlagenen Feinde zuruͤck 27). Es hatte in dieſem Jahre
noch mehr erbittert daß Schlauheit den tribuniciſchen
Schutz vereitelt hatte, als fruͤher, wenn offenbare Gewalt
angewandt war: und das Volk glaubte ſich ſelbſt, wenn

25) Livius III. c. 20. Neque enim provocationem esse
longius ab urbe mille passuum; et tribunos, si eo adve-
niant, in alia turba Quiritium subjectos fore consulari
imperio
.
26) Dionyſius VIII. c. 87.
27) Livius II. c. 43.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0040" n="24"/>
und Volk nach vor der Furcht die&#x017F;es Nahmens, nicht der<lb/>
vier und zwanzig Lictoren.</p><lb/>
        <p>Mit die&#x017F;er Erfahrung zo&#x0364;gerte der Senat nicht die<lb/>
ja&#x0364;hrlich erneuerten An&#x017F;pru&#x0364;che des Volks wiederhohlt mit<lb/>
der na&#x0364;mlichen Taktik zu beka&#x0364;mpfen. Wenn die Tribunen<lb/>
hartna&#x0364;ckigere Ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enheit zeigten, &#x017F;o konnte auch ohne<lb/>
die Dictatur der Buch&#x017F;tabe des Ge&#x017F;etzes die&#x017F;e vereiteln.<lb/>
Der tribunici&#x017F;che Schutz er&#x017F;treckte &#x017F;ich nur auf die Stadt<lb/>
und eine Bannmillie <note place="foot" n="25)">Livius <hi rendition="#aq">III. c. 20. Neque enim provocationem esse<lb/>
longius ab urbe mille passuum; et tribunos, si eo adve-<lb/>
niant, in alia turba Quiritium subjectos fore consulari<lb/>
imperio</hi>.</note>, daher konnten die Con&#x017F;uln,<lb/>
wenn &#x017F;ie &#x017F;ich außerhalb die&#x017F;es Bezirks begaben um die<lb/>
Aushebung vorzunehmen (271), mit willku&#x0364;hrlicher<lb/>
Strenge verfahren. Entzog auch der ausbleibende im<lb/>
Umfang des tribunici&#x017F;chen Schutzgebiets &#x017F;einen Leib ihren<lb/>
Mißhandlungen, &#x017F;o haftete doch &#x017F;eine Habe; alles ward<lb/>
weggenommen oder verbrannt, und wer ergriffen ward<lb/>
bu&#x0364;ßte ko&#x0364;rperlich <note place="foot" n="26)">Diony&#x017F;ius <hi rendition="#aq">VIII. c.</hi> 87.</note>. So erzwangen die Con&#x017F;uln wohl<lb/>
den augenblicklichen Gehor&#x017F;am der Furcht: aber ein willi-<lb/>
ger und freudiger Dien&#x017F;t ließ &#x017F;ich nicht erzwingen: die Ar-<lb/>
mee wollte nicht &#x017F;iegen (273), und wich vor dem &#x017F;chon ge-<lb/>
&#x017F;chlagenen Feinde zuru&#x0364;ck <note place="foot" n="27)">Livius <hi rendition="#aq">II. c.</hi> 43.</note>. Es hatte in die&#x017F;em Jahre<lb/>
noch mehr erbittert daß Schlauheit den tribunici&#x017F;chen<lb/>
Schutz vereitelt hatte, als fru&#x0364;her, wenn offenbare Gewalt<lb/>
angewandt war: und das Volk glaubte &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, wenn<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0040] und Volk nach vor der Furcht dieſes Nahmens, nicht der vier und zwanzig Lictoren. Mit dieſer Erfahrung zoͤgerte der Senat nicht die jaͤhrlich erneuerten Anſpruͤche des Volks wiederhohlt mit der naͤmlichen Taktik zu bekaͤmpfen. Wenn die Tribunen hartnaͤckigere Entſchloſſenheit zeigten, ſo konnte auch ohne die Dictatur der Buchſtabe des Geſetzes dieſe vereiteln. Der tribuniciſche Schutz erſtreckte ſich nur auf die Stadt und eine Bannmillie 25), daher konnten die Conſuln, wenn ſie ſich außerhalb dieſes Bezirks begaben um die Aushebung vorzunehmen (271), mit willkuͤhrlicher Strenge verfahren. Entzog auch der ausbleibende im Umfang des tribuniciſchen Schutzgebiets ſeinen Leib ihren Mißhandlungen, ſo haftete doch ſeine Habe; alles ward weggenommen oder verbrannt, und wer ergriffen ward buͤßte koͤrperlich 26). So erzwangen die Conſuln wohl den augenblicklichen Gehorſam der Furcht: aber ein willi- ger und freudiger Dienſt ließ ſich nicht erzwingen: die Ar- mee wollte nicht ſiegen (273), und wich vor dem ſchon ge- ſchlagenen Feinde zuruͤck 27). Es hatte in dieſem Jahre noch mehr erbittert daß Schlauheit den tribuniciſchen Schutz vereitelt hatte, als fruͤher, wenn offenbare Gewalt angewandt war: und das Volk glaubte ſich ſelbſt, wenn 25) Livius III. c. 20. Neque enim provocationem esse longius ab urbe mille passuum; et tribunos, si eo adve- niant, in alia turba Quiritium subjectos fore consulari imperio. 26) Dionyſius VIII. c. 87. 27) Livius II. c. 43.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/40
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/40>, abgerufen am 29.03.2024.