Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Senatoren als solche so nicht nennen 5). Ein großer
Rath der Patricier war in einer sonst so streng aristokrati-
schen Verfassung so unentbehrlich, daß, wenn die Zeug-
nisse uns nicht entgegenkämen, wir eine Einrichtung die-
ser Art aufsuchen müßten: es läßt sich nicht denken daß
die Mehrheit des Adels auf eine so schwache Ausübung
ihrer souverainen Rechte beschränkt gewesen wäre als den
Rittern in den Centuriatcomitien eingeräumt war. Ist es
nun früher durch sich erläuternde Stellen erwiesen daß
die Gemeinde der Curien die Gemeinde der Patricier
war 6): daß diese sich unter keiner andern Form versam-
melten, wie sie sich doch auch nothwendig unter einer her-
kömmlich bestimmten versammeln mußten, so erhalten die
Curiencomitien, deren Bestätigung, wenn auch nur als
ein Schattenbild, den Wahlen der Centurien nothwen-
dig blieb und die unmöglich als Schattenbild angefan-
gen haben können, eine bestimmte und unzweifelhafte
Bedeutung. Für Gesetze ward diese Bestätigung durch
das publilische Gesetz (416) zur leeren Form: für Wah-
len, wahrscheinlich ein halbes Jahrhundert später, durch
das Mänische.

Wie noch lange nachher das Volk dadurch von
dem schon längst ganz anders constituirten Senat ab-
hängig gehalten ward, daß die Richter in allen bedeu-
tenden Civilprozessen aus den Senatoren genommen

5) Cicero pro Plancio c. 3. Quod Patres apud majores
nostros tenere non potuerunt ut reprehensores essent co-
mitiorum.
6) Th. I. S. 234.

Senatoren als ſolche ſo nicht nennen 5). Ein großer
Rath der Patricier war in einer ſonſt ſo ſtreng ariſtokrati-
ſchen Verfaſſung ſo unentbehrlich, daß, wenn die Zeug-
niſſe uns nicht entgegenkaͤmen, wir eine Einrichtung die-
ſer Art aufſuchen muͤßten: es laͤßt ſich nicht denken daß
die Mehrheit des Adels auf eine ſo ſchwache Ausuͤbung
ihrer ſouverainen Rechte beſchraͤnkt geweſen waͤre als den
Rittern in den Centuriatcomitien eingeraͤumt war. Iſt es
nun fruͤher durch ſich erlaͤuternde Stellen erwieſen daß
die Gemeinde der Curien die Gemeinde der Patricier
war 6): daß dieſe ſich unter keiner andern Form verſam-
melten, wie ſie ſich doch auch nothwendig unter einer her-
koͤmmlich beſtimmten verſammeln mußten, ſo erhalten die
Curiencomitien, deren Beſtaͤtigung, wenn auch nur als
ein Schattenbild, den Wahlen der Centurien nothwen-
dig blieb und die unmoͤglich als Schattenbild angefan-
gen haben koͤnnen, eine beſtimmte und unzweifelhafte
Bedeutung. Fuͤr Geſetze ward dieſe Beſtaͤtigung durch
das publiliſche Geſetz (416) zur leeren Form: fuͤr Wah-
len, wahrſcheinlich ein halbes Jahrhundert ſpaͤter, durch
das Maͤniſche.

Wie noch lange nachher das Volk dadurch von
dem ſchon laͤngſt ganz anders conſtituirten Senat ab-
haͤngig gehalten ward, daß die Richter in allen bedeu-
tenden Civilprozeſſen aus den Senatoren genommen

5) Cicero pro Plancio c. 3. Quod Patres apud majores
nostros tenere non potuerunt ut reprehensores essent co-
mitiorum.
6) Th. I. S. 234.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0026" n="10"/>
Senatoren als &#x017F;olche &#x017F;o nicht nennen <note place="foot" n="5)">Cicero <hi rendition="#aq">pro Plancio c. 3. Quod Patres apud majores<lb/>
nostros tenere non potuerunt ut reprehensores essent co-<lb/>
mitiorum.</hi></note>. Ein großer<lb/>
Rath der Patricier war in einer &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;o &#x017F;treng ari&#x017F;tokrati-<lb/>
&#x017F;chen Verfa&#x017F;&#x017F;ung &#x017F;o unentbehrlich, daß, wenn die Zeug-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e uns nicht entgegenka&#x0364;men, wir eine Einrichtung die-<lb/>
&#x017F;er Art auf&#x017F;uchen mu&#x0364;ßten: es la&#x0364;ßt &#x017F;ich nicht denken daß<lb/>
die Mehrheit des Adels auf eine &#x017F;o &#x017F;chwache Ausu&#x0364;bung<lb/>
ihrer &#x017F;ouverainen Rechte be&#x017F;chra&#x0364;nkt gewe&#x017F;en wa&#x0364;re als den<lb/>
Rittern in den Centuriatcomitien eingera&#x0364;umt war. I&#x017F;t es<lb/>
nun fru&#x0364;her durch &#x017F;ich erla&#x0364;uternde Stellen erwie&#x017F;en daß<lb/>
die Gemeinde der Curien die Gemeinde der Patricier<lb/>
war <note place="foot" n="6)">Th. <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 234.</note>: daß die&#x017F;e &#x017F;ich unter keiner andern Form ver&#x017F;am-<lb/>
melten, wie &#x017F;ie &#x017F;ich doch auch nothwendig unter einer her-<lb/>
ko&#x0364;mmlich be&#x017F;timmten ver&#x017F;ammeln mußten, &#x017F;o erhalten die<lb/>
Curiencomitien, deren Be&#x017F;ta&#x0364;tigung, wenn auch nur als<lb/>
ein Schattenbild, den Wahlen der Centurien nothwen-<lb/>
dig blieb und die unmo&#x0364;glich als Schattenbild angefan-<lb/>
gen haben ko&#x0364;nnen, eine be&#x017F;timmte und unzweifelhafte<lb/>
Bedeutung. Fu&#x0364;r Ge&#x017F;etze ward die&#x017F;e Be&#x017F;ta&#x0364;tigung durch<lb/>
das publili&#x017F;che Ge&#x017F;etz (416) zur leeren Form: fu&#x0364;r Wah-<lb/>
len, wahr&#x017F;cheinlich ein halbes Jahrhundert &#x017F;pa&#x0364;ter, durch<lb/>
das Ma&#x0364;ni&#x017F;che.</p><lb/>
        <p>Wie noch lange nachher das Volk dadurch von<lb/>
dem &#x017F;chon la&#x0364;ng&#x017F;t ganz anders con&#x017F;tituirten Senat ab-<lb/>
ha&#x0364;ngig gehalten ward, daß die Richter in allen bedeu-<lb/>
tenden Civilproze&#x017F;&#x017F;en aus den Senatoren genommen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0026] Senatoren als ſolche ſo nicht nennen 5). Ein großer Rath der Patricier war in einer ſonſt ſo ſtreng ariſtokrati- ſchen Verfaſſung ſo unentbehrlich, daß, wenn die Zeug- niſſe uns nicht entgegenkaͤmen, wir eine Einrichtung die- ſer Art aufſuchen muͤßten: es laͤßt ſich nicht denken daß die Mehrheit des Adels auf eine ſo ſchwache Ausuͤbung ihrer ſouverainen Rechte beſchraͤnkt geweſen waͤre als den Rittern in den Centuriatcomitien eingeraͤumt war. Iſt es nun fruͤher durch ſich erlaͤuternde Stellen erwieſen daß die Gemeinde der Curien die Gemeinde der Patricier war 6): daß dieſe ſich unter keiner andern Form verſam- melten, wie ſie ſich doch auch nothwendig unter einer her- koͤmmlich beſtimmten verſammeln mußten, ſo erhalten die Curiencomitien, deren Beſtaͤtigung, wenn auch nur als ein Schattenbild, den Wahlen der Centurien nothwen- dig blieb und die unmoͤglich als Schattenbild angefan- gen haben koͤnnen, eine beſtimmte und unzweifelhafte Bedeutung. Fuͤr Geſetze ward dieſe Beſtaͤtigung durch das publiliſche Geſetz (416) zur leeren Form: fuͤr Wah- len, wahrſcheinlich ein halbes Jahrhundert ſpaͤter, durch das Maͤniſche. Wie noch lange nachher das Volk dadurch von dem ſchon laͤngſt ganz anders conſtituirten Senat ab- haͤngig gehalten ward, daß die Richter in allen bedeu- tenden Civilprozeſſen aus den Senatoren genommen 5) Cicero pro Plancio c. 3. Quod Patres apud majores nostros tenere non potuerunt ut reprehensores essent co- mitiorum. 6) Th. I. S. 234.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/26
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/26>, abgerufen am 20.04.2024.