schen. Frankreich stellt uns die neueste und schrecklichste Beweise dar. Welches Volk hat mehr auf sich treten, sich gedultiger misshan- deln und tiefer erniedrigen lassen? Und wie schnell war der Uebergang von der fühllosest geschienenen Langmuth zu rasender Wuth, ja zu wahren Unmenschlichkeiten? Und welche greuelvolle Auftritte stehen, indem ich dieses schreibe, noch bevor?
Uns Deutsche sichert das National-Phleg- ma vor dergleichen überschnellten Extremen; wenn der Despotismus auch noch so scharf einschneidet, so ist doch patientia jugi in un- serm Character. In den meisten weltlichen Staaten ist ohnehin für das Gleichgewicht des Gehorsams schon dadurch gesorgt, dass Adel, Geistlichkeit und Volk, nur eine gemeinschaftli- che Scheere, und keins dem andern viel vor- zuwerfen hat. Der Krummstab aber, unter dem sich so gut wohnen liesse, wird je länger je weniger ein Hirtenstab, drückt hie und da här- ter, als der eiserne Scepter eines unumschränk- ten Monarchen; und just da, da, wo der An- blick so vieler vom Mark der Länder und dem Schweiss der armen Unterthanen sich nährenden Verschwender, Schwelger und Müssiggänger
schen. Frankreich stellt uns die neueste und schrecklichste Beweise dar. Welches Volk hat mehr auf sich treten, sich gedultiger miſshan- deln und tiefer erniedrigen lassen? Und wie schnell war der Uebergang von der fühllosest geschienenen Langmuth zu rasender Wuth, ja zu wahren Unmenschlichkeiten? Und welche greuelvolle Auftritte stehen, indem ich dieses schreibe, noch bevor?
Uns Deutsche sichert das National-Phleg- ma vor dergleichen überschnellten Extremen; wenn der Despotismus auch noch so scharf einschneidet, so ist doch patientia jugi in un- serm Character. In den meisten weltlichen Staaten ist ohnehin für das Gleichgewicht des Gehorsams schon dadurch gesorgt, daſs Adel, Geistlichkeit und Volk, nur eine gemeinschaftli- che Scheere, und keins dem andern viel vor- zuwerfen hat. Der Krummstab aber, unter dem sich so gut wohnen lieſse, wird je länger je weniger ein Hirtenstab, drückt hie und da här- ter, als der eiserne Scepter eines unumschränk- ten Monarchen; und just da, da, wo der An- blick so vieler vom Mark der Länder und dem Schweiſs der armen Unterthanen sich nährenden Verschwender, Schwelger und Müſsiggänger
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schen. Frankreich stellt uns die neueste und
schrecklichste Beweise dar. Welches Volk hat
mehr auf sich treten, sich gedultiger miſshan-
deln und tiefer erniedrigen lassen? Und wie
schnell war der Uebergang von der fühllosest
geschienenen Langmuth zu rasender Wuth, ja
zu wahren Unmenschlichkeiten? Und welche
greuelvolle Auftritte stehen, indem ich dieses
schreibe, noch bevor?
Uns Deutsche sichert das National-Phleg-
ma vor dergleichen überschnellten Extremen;
wenn der Despotismus auch noch so scharf
einschneidet, so ist doch patientia jugi in un-
serm Character. In den meisten weltlichen
Staaten ist ohnehin für das Gleichgewicht des
Gehorsams schon dadurch gesorgt, daſs Adel,
Geistlichkeit und Volk, nur eine gemeinschaftli-
che Scheere, und keins dem andern viel vor-
zuwerfen hat. Der Krummstab aber, unter dem
sich so gut wohnen lieſse, wird je länger je
weniger ein Hirtenstab, drückt hie und da här-
ter, als der eiserne Scepter eines unumschränk-
ten Monarchen; und just da, da, wo der An-
blick so vieler vom Mark der Länder und dem
Schweiſs der armen Unterthanen sich nährenden
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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/81>, abgerufen am 23.11.2024.
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