denszeiten von den jetzigen ungeheuren ste- henden Heeren nichts wusste, mithin vor den hohen und niedern Adel weniger Gelegenheit war, in Kriegsdiensten angestellt zu werden, sondern weil der Kriegs-Stand und Civil- Stand so scharf von einander abgeschnitten waren, dass dieser leztere den Soldaten-Stand tief unter sich und nur als ein nothwendiges Uebel betrachtete, weit entfernt, ihn über sich erhaben, geschweige als den eigentlichen Stand der Ehre zu achten. Die Fürsten, wenn sie auch in jüngern Jahren dienten, hatten ehedem selbst den Glauben, dass es unvereinbarlich und eine Art von Missstand seye, noch länger dem Kriegs-Stand sich zu wiedmen, sobald sie zur Regierung von Land und Leuten gelang- ten; sie beschieden sich von selbst, dass sich ein Collegium nicht wie ein Regiment Soldaten commandiren, und das geschwind denken und rathen nicht wie das geschwind laden und schies- sen befehlen lasse. Ohngeachtet sie sich alle im Harnisch, Helm und Commando-Stab mah- len liessen, und diese Grimasse von ihren ade- lichen Hof- und Staats-Dienern, als Unter- scheidungs-Zeichen ihrer Geburt und Standes, nachgeahmt wurde, so schämten sich desswegen
denszeiten von den jetzigen ungeheuren ste- henden Heeren nichts wuſste, mithin vor den hohen und niedern Adel weniger Gelegenheit war, in Kriegsdiensten angestellt zu werden, sondern weil der Kriegs-Stand und Civil- Stand so scharf von einander abgeschnitten waren, daſs dieser leztere den Soldaten-Stand tief unter sich und nur als ein nothwendiges Uebel betrachtete, weit entfernt, ihn über sich erhaben, geschweige als den eigentlichen Stand der Ehre zu achten. Die Fürsten, wenn sie auch in jüngern Jahren dienten, hatten ehedem selbst den Glauben, daſs es unvereinbarlich und eine Art von Miſsstand seye, noch länger dem Kriegs-Stand sich zu wiedmen, sobald sie zur Regierung von Land und Leuten gelang- ten; sie beschieden sich von selbst, daſs sich ein Collegium nicht wie ein Regiment Soldaten commandiren, und das geschwind denken und rathen nicht wie das geschwind laden und schies- sen befehlen lasse. Ohngeachtet sie sich alle im Harnisch, Helm und Commando-Stab mah- len lieſsen, und diese Grimasse von ihren ade- lichen Hof- und Staats-Dienern, als Unter- scheidungs-Zeichen ihrer Geburt und Standes, nachgeahmt wurde, so schämten sich deſswegen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0112"n="106"/>
denszeiten von den jetzigen ungeheuren ste-<lb/>
henden Heeren nichts wuſste, mithin vor den<lb/>
hohen und niedern Adel weniger Gelegenheit<lb/>
war, in Kriegsdiensten angestellt zu werden,<lb/>
sondern weil der <hirendition="#i"><hirendition="#g">Kriegs-Stand</hi></hi> und <hirendition="#i"><hirendition="#g">Civil-<lb/>
Stand</hi></hi> so scharf von einander abgeschnitten<lb/>
waren, daſs dieser leztere den Soldaten-Stand<lb/>
tief unter sich und nur als ein nothwendiges<lb/>
Uebel betrachtete, weit entfernt, ihn über sich<lb/>
erhaben, geschweige als den eigentlichen <hirendition="#i"><hirendition="#g">Stand<lb/>
der Ehre</hi></hi> zu achten. Die Fürsten, wenn sie<lb/>
auch in jüngern Jahren dienten, hatten ehedem<lb/>
selbst den Glauben, daſs es unvereinbarlich<lb/>
und eine Art von Miſsstand seye, noch länger<lb/>
dem Kriegs-Stand sich zu wiedmen, sobald<lb/>
sie zur Regierung von Land und Leuten gelang-<lb/>
ten; sie beschieden sich von selbst, daſs sich<lb/>
ein Collegium nicht wie ein Regiment Soldaten<lb/>
commandiren, und das geschwind denken und<lb/>
rathen nicht wie das geschwind laden und schies-<lb/>
sen befehlen lasse. Ohngeachtet sie sich alle<lb/>
im Harnisch, Helm und Commando-Stab mah-<lb/>
len lieſsen, und diese Grimasse von ihren ade-<lb/>
lichen Hof- und Staats-Dienern, als Unter-<lb/>
scheidungs-Zeichen ihrer Geburt und Standes,<lb/>
nachgeahmt wurde, so schämten sich deſswegen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[106/0112]
denszeiten von den jetzigen ungeheuren ste-
henden Heeren nichts wuſste, mithin vor den
hohen und niedern Adel weniger Gelegenheit
war, in Kriegsdiensten angestellt zu werden,
sondern weil der Kriegs-Stand und Civil-
Stand so scharf von einander abgeschnitten
waren, daſs dieser leztere den Soldaten-Stand
tief unter sich und nur als ein nothwendiges
Uebel betrachtete, weit entfernt, ihn über sich
erhaben, geschweige als den eigentlichen Stand
der Ehre zu achten. Die Fürsten, wenn sie
auch in jüngern Jahren dienten, hatten ehedem
selbst den Glauben, daſs es unvereinbarlich
und eine Art von Miſsstand seye, noch länger
dem Kriegs-Stand sich zu wiedmen, sobald
sie zur Regierung von Land und Leuten gelang-
ten; sie beschieden sich von selbst, daſs sich
ein Collegium nicht wie ein Regiment Soldaten
commandiren, und das geschwind denken und
rathen nicht wie das geschwind laden und schies-
sen befehlen lasse. Ohngeachtet sie sich alle
im Harnisch, Helm und Commando-Stab mah-
len lieſsen, und diese Grimasse von ihren ade-
lichen Hof- und Staats-Dienern, als Unter-
scheidungs-Zeichen ihrer Geburt und Standes,
nachgeahmt wurde, so schämten sich deſswegen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/112>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.