brachten sie in den Geschmack, zu Ehren ihrer neuen Souverainetäts-Rechte auf alle Congres- se, und an andere Höfe auch Gesandte zu schi- cken. Die Fürsten-Söhne wurden allmälig in französischen Kriegsdienst gezogen; die fürstli- che Canzler und Räthe, die nun auch Mini- sters zu heissen anfiengen, mit französischem Geld gewonnen und bestochen. Die fürstliche Kinder, denen man sonst einen guten Deutschen Edelmann zur Aufsicht und einen Magister zum Präceptor gegeben, bekamen allmälig lauter französische Gouverneurs, die ihnen das: Vous etes un Grand Prince, von Morgen biss Abend so oft vorsagten, dass es der Knabe früh genug glaubte. Mit den Töchtern wards ein Gleiches; mit französischen Sitten, Moden, Lectüre und Sprache wurden auch die Grund- sätze mit eingetröpfelt. Die Gelehrte wurden das Echo von dem Ton des Hofs; hatten nichts dabey zu verlieren, wohl aber zu gewinnen; waren zum Theil durch französische Pensionen gewonnen und fanden überhaupt sich selbst grösser, je grösser sie ihren Fürsten machten. Was wir zu viel thun, thun wir dem Herrn! ward der Leib- und Wahl-Spruch eines jeden Staats-Gelehrten; und so kniete immer der, des-
brachten sie in den Geschmack, zu Ehren ihrer neuen Souverainetäts-Rechte auf alle Congres- se, und an andere Höfe auch Gesandte zu schi- cken. Die Fürsten-Söhne wurden allmälig in französischen Kriegsdienst gezogen; die fürstli- che Canzler und Räthe, die nun auch Mini- sters zu heissen anfiengen, mit französischem Geld gewonnen und bestochen. Die fürstliche Kinder, denen man sonst einen guten Deutschen Edelmann zur Aufsicht und einen Magister zum Präceptor gegeben, bekamen allmälig lauter französische Gouverneurs, die ihnen das: Vous êtes un Grand Prince, von Morgen biſs Abend so oft vorsagten, daſs es der Knabe früh genug glaubte. Mit den Töchtern wards ein Gleiches; mit französischen Sitten, Moden, Lectüre und Sprache wurden auch die Grund- sätze mit eingetröpfelt. Die Gelehrte wurden das Echo von dem Ton des Hofs; hatten nichts dabey zu verlieren, wohl aber zu gewinnen; waren zum Theil durch französische Pensionen gewonnen und fanden überhaupt sich selbst gröſser, je gröſser sie ihren Fürsten machten. Was wir zu viel thun, thun wir dem Herrn! ward der Leib- und Wahl-Spruch eines jeden Staats-Gelehrten; und so kniete immer der, des-
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brachten sie in den Geschmack, zu Ehren ihrer
neuen Souverainetäts-Rechte auf alle Congres-
se, und an andere Höfe auch Gesandte zu schi-
cken. Die Fürsten-Söhne wurden allmälig in
französischen Kriegsdienst gezogen; die fürstli-
che Canzler und Räthe, die nun auch Mini-
sters zu heissen anfiengen, mit französischem
Geld gewonnen und bestochen. Die fürstliche
Kinder, denen man sonst einen guten Deutschen
Edelmann zur Aufsicht und einen Magister zum
Präceptor gegeben, bekamen allmälig lauter
französische Gouverneurs, die ihnen das:
Vous êtes un Grand Prince, von Morgen
biſs Abend so oft vorsagten, daſs es der Knabe
früh genug glaubte. Mit den Töchtern wards
ein Gleiches; mit französischen Sitten, Moden,
Lectüre und Sprache wurden auch die Grund-
sätze mit eingetröpfelt. Die Gelehrte wurden
das Echo von dem Ton des Hofs; hatten nichts
dabey zu verlieren, wohl aber zu gewinnen;
waren zum Theil durch französische Pensionen
gewonnen und fanden überhaupt sich selbst
gröſser, je gröſser sie ihren Fürsten machten.
Was wir zu viel thun, thun wir dem Herrn!
ward der Leib- und Wahl-Spruch eines jeden
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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/109>, abgerufen am 23.11.2024.
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