Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0054" n="54"/><lb/> die so unendlich relativ ist, gewaͤhrt uns nicht nur eine erstaunlich große Summe von sinnlichen Vergnuͤgen, welches wegfallen wuͤrde, wenn wir alles unter <hi rendition="#b">einerlei</hi> Groͤße und <hi rendition="#b">Figur</hi> sehen; sondern unser Verstand gebraucht auch die <hi rendition="#b">Bezeichnungen</hi> und <hi rendition="#b">Ausdruͤcke</hi> davon, um die geheimsten Kraͤfte der Natur der menschlichen Seele dadurch <hi rendition="#b">anschaulich</hi> und <hi rendition="#b">deutlich</hi> zu machen. Es ist wahr, daß wir uns die Groͤße sichtbarer Gegenstaͤnde so vorstellen <hi rendition="#b">muͤssen,</hi> wie es einmal die Natur haben will, und daß wir in der Aufnahme sinnlicher Eindruͤcke, wie wir sie empfinden <hi rendition="#b">wollen,</hi> nichts weniger als frei sind, aber wir sind auf der andern Seite fuͤr diese mechanische Nothwendigkeit durch unsere Jmagination wieder schadlos gehalten worden, die nach Gefallen der Verhaͤltnisse sichtbare Dinge umaͤndern, und sich Gestalten schaffen kann, die die verschwenderische Natur selbst noch nicht hervorgebracht hat. Wir koͤnnen uns einen Koͤrper auf eine <hi rendition="#b">zweifache Art</hi> unter einer gewissen Unendlichkeit denken, da es eine unendliche Vermehrung desselben, durch hinzugegebene neue Theile, und wiederum eine unendliche Theilung desselben fuͤr unsere Einbildungskraft giebt, wodurch tausenderlei neue Verhaͤltnisse gedacht werden koͤnnen; daher wird es uns so aͤusserst schwer, Dinge zu denken, die nicht mehr weiter <hi rendition="#b">getheilt,</hi> auch nicht <hi rendition="#b">vergroͤßert</hi> werden koͤnnen, und vielleicht sind die Begriffe eines <hi rendition="#b">Atoms,</hi> und einer <hi rendition="#b">unendlich ausgedehn-<lb/></hi></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [54/0054]
die so unendlich relativ ist, gewaͤhrt uns nicht nur eine erstaunlich große Summe von sinnlichen Vergnuͤgen, welches wegfallen wuͤrde, wenn wir alles unter einerlei Groͤße und Figur sehen; sondern unser Verstand gebraucht auch die Bezeichnungen und Ausdruͤcke davon, um die geheimsten Kraͤfte der Natur der menschlichen Seele dadurch anschaulich und deutlich zu machen. Es ist wahr, daß wir uns die Groͤße sichtbarer Gegenstaͤnde so vorstellen muͤssen, wie es einmal die Natur haben will, und daß wir in der Aufnahme sinnlicher Eindruͤcke, wie wir sie empfinden wollen, nichts weniger als frei sind, aber wir sind auf der andern Seite fuͤr diese mechanische Nothwendigkeit durch unsere Jmagination wieder schadlos gehalten worden, die nach Gefallen der Verhaͤltnisse sichtbare Dinge umaͤndern, und sich Gestalten schaffen kann, die die verschwenderische Natur selbst noch nicht hervorgebracht hat. Wir koͤnnen uns einen Koͤrper auf eine zweifache Art unter einer gewissen Unendlichkeit denken, da es eine unendliche Vermehrung desselben, durch hinzugegebene neue Theile, und wiederum eine unendliche Theilung desselben fuͤr unsere Einbildungskraft giebt, wodurch tausenderlei neue Verhaͤltnisse gedacht werden koͤnnen; daher wird es uns so aͤusserst schwer, Dinge zu denken, die nicht mehr weiter getheilt, auch nicht vergroͤßert werden koͤnnen, und vielleicht sind die Begriffe eines Atoms, und einer unendlich ausgedehn-
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