Lütkemann, Joachim: Harpffe Von zehen Seyten. Frankfurt/Leipzig, 1674.Die erste Betrachtung. Tugend verhasst/ geschichts um der Person wil- len/ der man die Tugend nicht gönnet. Da wird Reichthum in der Welt so unwerth nicht gehal- ten/ daß es an ihm selbsten solle gehasset wer- den/ wann man ihn aber siehet in den Kasten/ darinn man ihn nicht gerne siehet/ so erweckts Haß und Neid. Also gieng es dem guten Da- vid/ nachdem er den grossen Philister Goliath er- schlagen/ und die Weiber in Israel ein solches Eh- ren-Lied singen: Saul hat tausend erschlagen/ David aber zehen tausend. 1. Sam. 18, 19. Was war dem gantzen Israel erfreulicher/ was war mehr lobens werth/ als deß Davids Helden- Glaube? Doch weil der König Saul seine Tugend darinn verkleinert sahe/ wurd das was an ihm selbsten lobwürdig/ an David gehasset; Zu dem/ ist der Neider Art/ daß sie dasselbe/ was an ihm selbsten gut/ in ihrem Sinn ihnen mit fremden Farben abmahlen/ seynd darinnen gleich einem Mahler/ der eine berühmte Schönheit abmahlet/ also daß er außlässt/ welches der Ge- stalt eine sonderbahre Zierde bringet/ und hinan kleckt/ das die Gestalt verunzieret. Ob wohl ein solcher Mahler daran bößlich handelt/ den- noch/ wenn er solches Bild nicht allein bey sich behält/ sondern auch unter die Leute kommen läst/ damit die berühmte Schönheit ihrem Ruhm F jv
Die erſte Betrachtung. Tugend verhaſſt/ geſchichts um der Perſon wil- len/ der man die Tugend nicht gönnet. Da wird Reichthum in der Welt ſo unwerth nicht gehal- ten/ daß es an ihm ſelbſten ſolle gehaſſet wer- den/ wann man ihn aber ſiehet in den Kaſten/ darinn man ihn nicht gerne ſiehet/ ſo erweckts Haß und Neid. Alſo gieng es dem guten Da- vid/ nachdem er den groſſen Philiſter Goliath er- ſchlagẽ/ uñ die Weiber in Iſrael ein ſolches Eh- ren-Lied ſingen: Saul hat tauſend erſchlagẽ/ David aber zehen tauſend. 1. Sam. 18, 19. Was war dem gantzen Iſrael erfreulicher/ was war mehr lobens werth/ als deß Davids Helden- Glaube? Doch weil der König Saul ſeine Tugend darinn verkleinert ſahe/ wurd das was an ihm ſelbſten lobwürdig/ an David gehaſſet; Zu dem/ iſt der Neider Art/ daß ſie daſſelbe/ was an ihm ſelbſten gut/ in ihrem Sinn ihnen mit fremden Farben abmahlen/ ſeynd dariñen gleich einem Mahler/ der eine berühmte Schönheit abmahlet/ alſo daß er außläſſt/ welches der Ge- ſtalt eine ſonderbahre Zierde bringet/ und hinan kleckt/ das die Geſtalt verunzieret. Ob wohl ein ſolcher Mahler daran bößlich handelt/ den- noch/ wenn er ſolches Bild nicht allein bey ſich behält/ ſondern auch unter die Leute kommen läſt/ damit die berühmte Schönheit ihrem Ruhm F jv
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Die erſte Betrachtung.
Tugend verhaſſt/ geſchichts um der Perſon wil-
len/ der man die Tugend nicht gönnet. Da wird
Reichthum in der Welt ſo unwerth nicht gehal-
ten/ daß es an ihm ſelbſten ſolle gehaſſet wer-
den/ wann man ihn aber ſiehet in den Kaſten/
darinn man ihn nicht gerne ſiehet/ ſo erweckts
Haß und Neid. Alſo gieng es dem guten Da-
vid/ nachdem er den groſſen Philiſter Goliath er-
ſchlagẽ/ uñ die Weiber in Iſrael ein ſolches Eh-
ren-Lied ſingen: Saul hat tauſend erſchlagẽ/
David aber zehen tauſend. 1. Sam. 18, 19.
Was war dem gantzen Iſrael erfreulicher/ was
war mehr lobens werth/ als deß Davids Helden-
Glaube? Doch weil der König Saul ſeine
Tugend darinn verkleinert ſahe/ wurd das was
an ihm ſelbſten lobwürdig/ an David gehaſſet;
Zu dem/ iſt der Neider Art/ daß ſie daſſelbe/ was
an ihm ſelbſten gut/ in ihrem Sinn ihnen mit
fremden Farben abmahlen/ ſeynd dariñen gleich
einem Mahler/ der eine berühmte Schönheit
abmahlet/ alſo daß er außläſſt/ welches der Ge-
ſtalt eine ſonderbahre Zierde bringet/ und hinan
kleckt/ das die Geſtalt verunzieret. Ob wohl
ein ſolcher Mahler daran bößlich handelt/ den-
noch/ wenn er ſolches Bild nicht allein bey ſich
behält/ ſondern auch unter die Leute kommen
läſt/ damit die berühmte Schönheit ihrem
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