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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Einleitung. II. Das Strafgesetz.
richtige bezeichnet werden muß, die Abegg's (in seinen
Strafrechtstheorien 1835 und an anderen Orten). Auch er
geht von der instinktmäßigen Rache aus, wie wir; aber ihm
ist das später sich entwickelnde Zweckmoment in der Strafe
nur Vorstufe für die Anerkennung der Idee der Gerech-
tigkeit. Abegg
's Theorie wird widerlegt durch den ganzen
Gang der Entwicklungsgeschichte der Menschheit, so weit wir
ihn überblicken können: überall liegt der Fortschritt darin,
daß der Naturtrieb wie die Naturkraft dem Zwecke dienstbar
gemacht wird. Klarheit des Zieles und zweckentsprechende
Auswahl der Mittel sind der Maßstab jeglichen Fortschrittes.

II. Das Strafgesetz.
§. 7.
1. Das Strafgesetz als Quelle des Strafrechts.

I. Die einzige Quelle des heutigen deutschen Straf-
rechtes ist das Strafgesetz. Alle Rechtssätze, deren Inbe-
griff das Strafrecht im obj. Sinne bildet, gehören dem
gesetzten Rechte an. Gesetz ist der durch das ver-
fassungsmäßige Zusammenwirken der gesetzge-
benden Faktoren erklärte, in der verfassungsge-
mäßen Form verkündete Wille der Gesammtheit
.1
Ob ein Gesetz in diesem Sinne vorliegt, hat der Richter selb-
ständig zu prüfen.2

Strafrecht ist der Inbegriff der Rechtssätze über Voraus-
setzung und Inhalt der staatlichen Strafgewalt. Wenn das
Strafgesetz einzige Quelle des Strafrechtes ist, so heißt das:

1 [Spaltenumbruch] Vgl. RVerf. Artt. 2, 5, 17.
2 [Spaltenumbruch] Lit. bei Windscheid Pan-[Spaltenumbruch] dekt. §. 14. A. A. Zorn Staatsr.
S. 116.

Einleitung. II. Das Strafgeſetz.
richtige bezeichnet werden muß, die Abegg’s (in ſeinen
Strafrechtstheorien 1835 und an anderen Orten). Auch er
geht von der inſtinktmäßigen Rache aus, wie wir; aber ihm
iſt das ſpäter ſich entwickelnde Zweckmoment in der Strafe
nur Vorſtufe für die Anerkennung der Idee der Gerech-
tigkeit. Abegg
’s Theorie wird widerlegt durch den ganzen
Gang der Entwicklungsgeſchichte der Menſchheit, ſo weit wir
ihn überblicken können: überall liegt der Fortſchritt darin,
daß der Naturtrieb wie die Naturkraft dem Zwecke dienſtbar
gemacht wird. Klarheit des Zieles und zweckentſprechende
Auswahl der Mittel ſind der Maßſtab jeglichen Fortſchrittes.

II. Das Strafgeſetz.
§. 7.
1. Das Strafgeſetz als Quelle des Strafrechts.

I. Die einzige Quelle des heutigen deutſchen Straf-
rechtes iſt das Strafgeſetz. Alle Rechtsſätze, deren Inbe-
griff das Strafrecht im obj. Sinne bildet, gehören dem
geſetzten Rechte an. Geſetz iſt der durch das ver-
faſſungsmäßige Zuſammenwirken der geſetzge-
benden Faktoren erklärte, in der verfaſſungsge-
mäßen Form verkündete Wille der Geſammtheit
.1
Ob ein Geſetz in dieſem Sinne vorliegt, hat der Richter ſelb-
ſtändig zu prüfen.2

Strafrecht iſt der Inbegriff der Rechtsſätze über Voraus-
ſetzung und Inhalt der ſtaatlichen Strafgewalt. Wenn das
Strafgeſetz einzige Quelle des Strafrechtes iſt, ſo heißt das:

1 [Spaltenumbruch] Vgl. RVerf. Artt. 2, 5, 17.
2 [Spaltenumbruch] Lit. bei Windſcheid Pan-[Spaltenumbruch] dekt. §. 14. A. A. Zorn Staatsr.
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[24/0050] Einleitung. II. Das Strafgeſetz. richtige bezeichnet werden muß, die Abegg’s (in ſeinen Strafrechtstheorien 1835 und an anderen Orten). Auch er geht von der inſtinktmäßigen Rache aus, wie wir; aber ihm iſt das ſpäter ſich entwickelnde Zweckmoment in der Strafe nur Vorſtufe für die Anerkennung der Idee der Gerech- tigkeit. Abegg’s Theorie wird widerlegt durch den ganzen Gang der Entwicklungsgeſchichte der Menſchheit, ſo weit wir ihn überblicken können: überall liegt der Fortſchritt darin, daß der Naturtrieb wie die Naturkraft dem Zwecke dienſtbar gemacht wird. Klarheit des Zieles und zweckentſprechende Auswahl der Mittel ſind der Maßſtab jeglichen Fortſchrittes. II. Das Strafgeſetz. §. 7. 1. Das Strafgeſetz als Quelle des Strafrechts. I. Die einzige Quelle des heutigen deutſchen Straf- rechtes iſt das Strafgeſetz. Alle Rechtsſätze, deren Inbe- griff das Strafrecht im obj. Sinne bildet, gehören dem geſetzten Rechte an. Geſetz iſt der durch das ver- faſſungsmäßige Zuſammenwirken der geſetzge- benden Faktoren erklärte, in der verfaſſungsge- mäßen Form verkündete Wille der Geſammtheit. 1 Ob ein Geſetz in dieſem Sinne vorliegt, hat der Richter ſelb- ſtändig zu prüfen. 2 Strafrecht iſt der Inbegriff der Rechtsſätze über Voraus- ſetzung und Inhalt der ſtaatlichen Strafgewalt. Wenn das Strafgeſetz einzige Quelle des Strafrechtes iſt, ſo heißt das: 1 Vgl. RVerf. Artt. 2, 5, 17. 2 Lit. bei Windſcheid Pan- dekt. §. 14. A. A. Zorn Staatsr. S. 116.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/50>, abgerufen am 23.11.2024.