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Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.

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Witwe heirathete den Sohn des berühmten Berliner Philosophen Fichte. Der Sohn war ebenfalls Philosoph und Professor in Tübingen. Mit meinem Vater war er nahe befreundet und korrespondierte mit ihm. Beinahe wäre ich deshalb auf die Universität Tübingen gerathen, aber es zog mich nicht dahin. Von anderen Verwandten meiner Mutter ist mir nichts Näheres bekannt geworden, es mögen aber in oder bei Metz noch solche entfernteren Grades stecken.

Meine liebe Mutter gebar dem Vater 4 Kinder, 3 Knaben und 1 Mädchen.

Der erste, im Jahre 1819 oder 1820 geborene Knabe starb sehr jung. Ich hörte von ihm , weil ein Bild im Elternhause vorhanden war, ein Kinderkopf mit Engelsflügeln, von dem mir gesagt wurde, es stelle meinen ältesten Bruder dar.

Der zweite Knabe, Karl, war 1821 geboren. Er wurde Mechaniker und bekleidete eine Stelle in der Dingler'schen Maschinenfabrik in Zweibrücken und ging als er in der grossen Geschäftsstockung des Jahres 1850 diese Stelle verlor, nach Amerika. Dort ging es ihm eine Zeit lang herzlich schlecht. Später kam er an der Süd-Karolina- Eisenbahn unter, wohnte verheirathet in Charleston und starb dort Ende der fünfziger Jahre, ohne Kinder zu hinterlassen. Seine Witwe liess nichts mehr von sich hören. Die Ursache konnten wir nicht erfahren.

Das dritte Kind meiner Eltern war meine Schwester Lina, geboren 1823. Sie war es, von der ein jüngerer Bruder sagte: "Von all unseren Buben habe ich das Lina am liebsten." Und das war sie werth. Sie war ein schönes Mädchen, gescheit, lebhaft, selbstlos und von grosser Willenskraft. Leider lernte ich sie zu wenig genau kennen. Denn mit mir zusammen war sie wenig im Elternhause, vielmehr zuerst im Pensionat, dann als Lehrerin resp. Gouvernante auswärts in Frankenthal und Metz. In letzterer Stadt lernte sie ein bretonischer Edelmann und Gutsbesitzer kennen, der bretonische Heimathliebe und Zähigkeit mit

Witwe heirathete den Sohn des berühmten Berliner Philosophen Fichte. Der Sohn war ebenfalls Philosoph und Professor in Tübingen. Mit meinem Vater war er nahe befreundet und korrespondierte mit ihm. Beinahe wäre ich deshalb auf die Universität Tübingen gerathen, aber es zog mich nicht dahin. Von anderen Verwandten meiner Mutter ist mir nichts Näheres bekannt geworden, es mögen aber in oder bei Metz noch solche entfernteren Grades stecken.

Meine liebe Mutter gebar dem Vater 4 Kinder, 3 Knaben und 1 Mädchen.

Der erste, im Jahre 1819 oder 1820 geborene Knabe starb sehr jung. Ich hörte von ihm , weil ein Bild im Elternhause vorhanden war, ein Kinderkopf mit Engelsflügeln, von dem mir gesagt wurde, es stelle meinen ältesten Bruder dar.

Der zweite Knabe, Karl, war 1821 geboren. Er wurde Mechaniker und bekleidete eine Stelle in der Dingler’schen Maschinenfabrik in Zweibrücken und ging als er in der grossen Geschäftsstockung des Jahres 1850 diese Stelle verlor, nach Amerika. Dort ging es ihm eine Zeit lang herzlich schlecht. Später kam er an der Süd-Karolina- Eisenbahn unter, wohnte verheirathet in Charleston und starb dort Ende der fünfziger Jahre, ohne Kinder zu hinterlassen. Seine Witwe liess nichts mehr von sich hören. Die Ursache konnten wir nicht erfahren.

Das dritte Kind meiner Eltern war meine Schwester Lina, geboren 1823. Sie war es, von der ein jüngerer Bruder sagte: ”Von all unseren Buben habe ich das Lina am liebsten.“ Und das war sie werth. Sie war ein schönes Mädchen, gescheit, lebhaft, selbstlos und von grosser Willenskraft. Leider lernte ich sie zu wenig genau kennen. Denn mit mir zusammen war sie wenig im Elternhause, vielmehr zuerst im Pensionat, dann als Lehrerin resp. Gouvernante auswärts in Frankenthal und Metz. In letzterer Stadt lernte sie ein bretonischer Edelmann und Gutsbesitzer kennen, der bretonische Heimathliebe und Zähigkeit mit

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Witwe heirathete den Sohn des berühmten Berliner Philosophen Fichte. Der Sohn war ebenfalls Philosoph und Professor in Tübingen. Mit meinem Vater war er nahe befreundet und korrespondierte mit ihm. Beinahe wäre ich deshalb auf die Universität Tübingen gerathen, aber es zog mich nicht dahin. Von anderen Verwandten meiner Mutter ist mir nichts Näheres bekannt geworden, es mögen aber in oder bei Metz noch solche entfernteren Grades stecken.</p>
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[4/0004] Witwe heirathete den Sohn des berühmten Berliner Philosophen Fichte. Der Sohn war ebenfalls Philosoph und Professor in Tübingen. Mit meinem Vater war er nahe befreundet und korrespondierte mit ihm. Beinahe wäre ich deshalb auf die Universität Tübingen gerathen, aber es zog mich nicht dahin. Von anderen Verwandten meiner Mutter ist mir nichts Näheres bekannt geworden, es mögen aber in oder bei Metz noch solche entfernteren Grades stecken. Meine liebe Mutter gebar dem Vater 4 Kinder, 3 Knaben und 1 Mädchen. Der erste, im Jahre 1819 oder 1820 geborene Knabe starb sehr jung. Ich hörte von ihm , weil ein Bild im Elternhause vorhanden war, ein Kinderkopf mit Engelsflügeln, von dem mir gesagt wurde, es stelle meinen ältesten Bruder dar. Der zweite Knabe, Karl, war 1821 geboren. Er wurde Mechaniker und bekleidete eine Stelle in der Dingler’schen Maschinenfabrik in Zweibrücken und ging als er in der grossen Geschäftsstockung des Jahres 1850 diese Stelle verlor, nach Amerika. Dort ging es ihm eine Zeit lang herzlich schlecht. Später kam er an der Süd-Karolina- Eisenbahn unter, wohnte verheirathet in Charleston und starb dort Ende der fünfziger Jahre, ohne Kinder zu hinterlassen. Seine Witwe liess nichts mehr von sich hören. Die Ursache konnten wir nicht erfahren. Das dritte Kind meiner Eltern war meine Schwester Lina, geboren 1823. Sie war es, von der ein jüngerer Bruder sagte: ”Von all unseren Buben habe ich das Lina am liebsten.“ Und das war sie werth. Sie war ein schönes Mädchen, gescheit, lebhaft, selbstlos und von grosser Willenskraft. Leider lernte ich sie zu wenig genau kennen. Denn mit mir zusammen war sie wenig im Elternhause, vielmehr zuerst im Pensionat, dann als Lehrerin resp. Gouvernante auswärts in Frankenthal und Metz. In letzterer Stadt lernte sie ein bretonischer Edelmann und Gutsbesitzer kennen, der bretonische Heimathliebe und Zähigkeit mit

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Zitationshilfe: Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krieger_lebenserinnerungen_1907/4>, abgerufen am 25.04.2024.