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Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.

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Mein Vater war seiner Kinder Ehre und Vorbild. Gott sei gedankt für allen Segen, der von ihm auch über mich kam.

Meine Mutter Marie Claudine Silly aus Vaux bei Metz war einer Französischen Architektenfamilie entsprisst und früh verwaist zu entfernten Verwandten nach Zweibrücken gekommen, wo sie mein Vater kennen lernte und die um 4 Jahre ältere bald nach seiner Anstellung als Studienlehrer ehelichte. Sie war Katholikin, blieb es auch als Pfarrfrau und starb als solche. Der konfessionelle Gegensatz schlummerte zu Anfang des 19. Jahrhunderts so sehr, dass eine Israelitin zu den näheren Freundinnen meines Elternhauses gehörte. Ich lernte meine liebe Mutter kaum kennen. Offenbar erkrankte sie bald nach meiner Geburt schwer und lange, denn ich erinnere mich schwach, dass ich nach der Morgentoilette an ihr Bett gebracht wurde und mich nicht darauf freute, weil ich dann französisch sprechen musste, was ich ungern that.

Dass meine Mutter eine schöne Frau war, zeigt ein von ihr erhaltenes Bildnis; dass sie eine geistvolle Frau gewesen, haben mir solche, die sie kannten, oft gerühmt.

Sie starb an Magenkrebs im Jahre 1836. Ihr Grab habe ich erst im Jahre 1905 entdecken und der Vergessenheit entreissen können.

Von den näheren Verwandten mütterlicherseits wurden mir nur 2 bekannt oder genannt: eine Schwester und ein Bruder. Die Schwester war mit einem französischen Kapitän in Pension verheirathet, der unter Napoleon 1 gedient, an der Beresina einen Fuss verloren und von dem der Menschenverbraucher 21 Brüder (!) in den Tod geführt hatte. Der übrig gebliebene Onkel Dambrun wohnte in Metz und hatte nur einen Sohn, der Offizier wurde und als General im französischen Geniekorps nach 1870 starb, ohne männliche Nachkommen zu hinterlassen. Der Bruder meiner Mutter, Architekt und Baubeamter Silly, war in Zweibrücken verheirathet und starb vor meiner Geburt kinderlos. Seine

Mein Vater war seiner Kinder Ehre und Vorbild. Gott sei gedankt für allen Segen, der von ihm auch über mich kam.

Meine Mutter Marie Claudine Silly aus Vaux bei Metz war einer Französischen Architektenfamilie entsprisst und früh verwaist zu entfernten Verwandten nach Zweibrücken gekommen, wo sie mein Vater kennen lernte und die um 4 Jahre ältere bald nach seiner Anstellung als Studienlehrer ehelichte. Sie war Katholikin, blieb es auch als Pfarrfrau und starb als solche. Der konfessionelle Gegensatz schlummerte zu Anfang des 19. Jahrhunderts so sehr, dass eine Israelitin zu den näheren Freundinnen meines Elternhauses gehörte. Ich lernte meine liebe Mutter kaum kennen. Offenbar erkrankte sie bald nach meiner Geburt schwer und lange, denn ich erinnere mich schwach, dass ich nach der Morgentoilette an ihr Bett gebracht wurde und mich nicht darauf freute, weil ich dann französisch sprechen musste, was ich ungern that.

Dass meine Mutter eine schöne Frau war, zeigt ein von ihr erhaltenes Bildnis; dass sie eine geistvolle Frau gewesen, haben mir solche, die sie kannten, oft gerühmt.

Sie starb an Magenkrebs im Jahre 1836. Ihr Grab habe ich erst im Jahre 1905 entdecken und der Vergessenheit entreissen können.

Von den näheren Verwandten mütterlicherseits wurden mir nur 2 bekannt oder genannt: eine Schwester und ein Bruder. Die Schwester war mit einem französischen Kapitän in Pension verheirathet, der unter Napoleon 1 gedient, an der Beresina einen Fuss verloren und von dem der Menschenverbraucher 21 Brüder (!) in den Tod geführt hatte. Der übrig gebliebene Onkel Dambrun wohnte in Metz und hatte nur einen Sohn, der Offizier wurde und als General im französischen Geniekorps nach 1870 starb, ohne männliche Nachkommen zu hinterlassen. Der Bruder meiner Mutter, Architekt und Baubeamter Silly, war in Zweibrücken verheirathet und starb vor meiner Geburt kinderlos. Seine

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[3/0003] Mein Vater war seiner Kinder Ehre und Vorbild. Gott sei gedankt für allen Segen, der von ihm auch über mich kam. Meine Mutter Marie Claudine Silly aus Vaux bei Metz war einer Französischen Architektenfamilie entsprisst und früh verwaist zu entfernten Verwandten nach Zweibrücken gekommen, wo sie mein Vater kennen lernte und die um 4 Jahre ältere bald nach seiner Anstellung als Studienlehrer ehelichte. Sie war Katholikin, blieb es auch als Pfarrfrau und starb als solche. Der konfessionelle Gegensatz schlummerte zu Anfang des 19. Jahrhunderts so sehr, dass eine Israelitin zu den näheren Freundinnen meines Elternhauses gehörte. Ich lernte meine liebe Mutter kaum kennen. Offenbar erkrankte sie bald nach meiner Geburt schwer und lange, denn ich erinnere mich schwach, dass ich nach der Morgentoilette an ihr Bett gebracht wurde und mich nicht darauf freute, weil ich dann französisch sprechen musste, was ich ungern that. Dass meine Mutter eine schöne Frau war, zeigt ein von ihr erhaltenes Bildnis; dass sie eine geistvolle Frau gewesen, haben mir solche, die sie kannten, oft gerühmt. Sie starb an Magenkrebs im Jahre 1836. Ihr Grab habe ich erst im Jahre 1905 entdecken und der Vergessenheit entreissen können. Von den näheren Verwandten mütterlicherseits wurden mir nur 2 bekannt oder genannt: eine Schwester und ein Bruder. Die Schwester war mit einem französischen Kapitän in Pension verheirathet, der unter Napoleon 1 gedient, an der Beresina einen Fuss verloren und von dem der Menschenverbraucher 21 Brüder (!) in den Tod geführt hatte. Der übrig gebliebene Onkel Dambrun wohnte in Metz und hatte nur einen Sohn, der Offizier wurde und als General im französischen Geniekorps nach 1870 starb, ohne männliche Nachkommen zu hinterlassen. Der Bruder meiner Mutter, Architekt und Baubeamter Silly, war in Zweibrücken verheirathet und starb vor meiner Geburt kinderlos. Seine

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Zitationshilfe: Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krieger_lebenserinnerungen_1907/3>, abgerufen am 25.04.2024.