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Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.

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er ins Pfarramt über als 2. Pfarrer an der Alexanderkirche in Zweibrücken. Im Nebenamte bekleidete er eine Distriktsschulinspektion, die prot. Religionslehrstelle am Gymnasium, die Gefängnispredigerstelle, das Sekretariat der Kirchenschaffnei u.a. Eine ihm angebotene Stelle im Konsistorium schlug er aus, da er nicht frei reden könne. Den Kirchenratstitel und das Ehrenkreuz des Ludwigsordens nahm er nach 50 jähriger Dienstzeit an.

Als Theologe war mein lieber Vater Supranaturalist, voller Verehrung für Gottes Wort heiliger Schrift und für die Person des Heilandes, der ihm Versöhner nicht bloss Vorbild war. Als Prediger war er gern gehört, bereitete sich auch sehr sorgfältig vor; alle von ihm gehaltenen Predigten fanden sich in sehr sauberer Reinschrift vor. Als Seelsorger beliebt, bei Kasualhandlungen bevorzugt, nahm er sich besonders der Armenpflege an. Mit grossem Fleisse arbeitete er Tag für Tag den ganzen Vormittag, Nachmittags von 3-6 Uhr und nach dem Nachtessen noch 1 - 1 1/2 Stunden.

Litterarisch war er auf Anregung eines unternehmenden Buchhändlers besonders als Übersetzer aus dem Französischen thätig. Sein "Gedichte eines Zweibrückers" kaufte er vom Buchhändler zurück, nachdem er ihre Minderwertigkeit erkannt hatte. Im höheren Alter bearbeitete er mit viel Liebe und Fleiss die Psalmen im Versmasse deutscher Kirchenlieder und trug es schwer, dass diese Arbeit keinen Anklang fand

Für uns Kinder hatte er wenig Zeit. Wir sahen ihn meist nur Mittags und Abends bei und nach Tisch. Unsere Erziehung leitete er aber trotzdem sehr sorgfältig und bei mässigem Einkommen mit verhältnismässig schweren Opfern. Vermögen erheirathete er nicht und konnte er nicht erringen selbst wenn er Sinn dafür gehabt hätte. Bei regelmässiger, einfacher und überaus mässiger Lebensweise - nur Rauchtabak verbrauchte er viel - blieb er meist gesund und erreichte ein Alter von über 82 Jahren. Ein Gehirnschlag führte sein Ende herbei.

er ins Pfarramt über als 2. Pfarrer an der Alexanderkirche in Zweibrücken. Im Nebenamte bekleidete er eine Distriktsschulinspektion, die prot. Religionslehrstelle am Gymnasium, die Gefängnispredigerstelle, das Sekretariat der Kirchenschaffnei u.a. Eine ihm angebotene Stelle im Konsistorium schlug er aus, da er nicht frei reden könne. Den Kirchenratstitel und das Ehrenkreuz des Ludwigsordens nahm er nach 50 jähriger Dienstzeit an.

Als Theologe war mein lieber Vater Supranaturalist, voller Verehrung für Gottes Wort heiliger Schrift und für die Person des Heilandes, der ihm Versöhner nicht bloss Vorbild war. Als Prediger war er gern gehört, bereitete sich auch sehr sorgfältig vor; alle von ihm gehaltenen Predigten fanden sich in sehr sauberer Reinschrift vor. Als Seelsorger beliebt, bei Kasualhandlungen bevorzugt, nahm er sich besonders der Armenpflege an. Mit grossem Fleisse arbeitete er Tag für Tag den ganzen Vormittag, Nachmittags von 3-6 Uhr und nach dem Nachtessen noch 1 - 1 1/2 Stunden.

Litterarisch war er auf Anregung eines unternehmenden Buchhändlers besonders als Übersetzer aus dem Französischen thätig. Sein ”Gedichte eines Zweibrückers“ kaufte er vom Buchhändler zurück, nachdem er ihre Minderwertigkeit erkannt hatte. Im höheren Alter bearbeitete er mit viel Liebe und Fleiss die Psalmen im Versmasse deutscher Kirchenlieder und trug es schwer, dass diese Arbeit keinen Anklang fand

Für uns Kinder hatte er wenig Zeit. Wir sahen ihn meist nur Mittags und Abends bei und nach Tisch. Unsere Erziehung leitete er aber trotzdem sehr sorgfältig und bei mässigem Einkommen mit verhältnismässig schweren Opfern. Vermögen erheirathete er nicht und konnte er nicht erringen selbst wenn er Sinn dafür gehabt hätte. Bei regelmässiger, einfacher und überaus mässiger Lebensweise - nur Rauchtabak verbrauchte er viel - blieb er meist gesund und erreichte ein Alter von über 82 Jahren. Ein Gehirnschlag führte sein Ende herbei.

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        <p>Als Theologe war mein lieber Vater Supranaturalist, voller Verehrung für Gottes Wort heiliger Schrift und für die Person des Heilandes, der ihm Versöhner nicht bloss Vorbild war. Als Prediger war er gern gehört, bereitete sich auch sehr sorgfältig vor; alle von ihm gehaltenen Predigten fanden sich in sehr sauberer Reinschrift vor. Als Seelsorger beliebt, bei Kasualhandlungen bevorzugt, nahm er sich besonders der Armenpflege an. Mit grossem Fleisse arbeitete er Tag für Tag den ganzen Vormittag, Nachmittags von 3-6 Uhr und nach dem Nachtessen noch 1 - 1 1/2 Stunden.</p>
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[2/0002] er ins Pfarramt über als 2. Pfarrer an der Alexanderkirche in Zweibrücken. Im Nebenamte bekleidete er eine Distriktsschulinspektion, die prot. Religionslehrstelle am Gymnasium, die Gefängnispredigerstelle, das Sekretariat der Kirchenschaffnei u.a. Eine ihm angebotene Stelle im Konsistorium schlug er aus, da er nicht frei reden könne. Den Kirchenratstitel und das Ehrenkreuz des Ludwigsordens nahm er nach 50 jähriger Dienstzeit an. Als Theologe war mein lieber Vater Supranaturalist, voller Verehrung für Gottes Wort heiliger Schrift und für die Person des Heilandes, der ihm Versöhner nicht bloss Vorbild war. Als Prediger war er gern gehört, bereitete sich auch sehr sorgfältig vor; alle von ihm gehaltenen Predigten fanden sich in sehr sauberer Reinschrift vor. Als Seelsorger beliebt, bei Kasualhandlungen bevorzugt, nahm er sich besonders der Armenpflege an. Mit grossem Fleisse arbeitete er Tag für Tag den ganzen Vormittag, Nachmittags von 3-6 Uhr und nach dem Nachtessen noch 1 - 1 1/2 Stunden. Litterarisch war er auf Anregung eines unternehmenden Buchhändlers besonders als Übersetzer aus dem Französischen thätig. Sein ”Gedichte eines Zweibrückers“ kaufte er vom Buchhändler zurück, nachdem er ihre Minderwertigkeit erkannt hatte. Im höheren Alter bearbeitete er mit viel Liebe und Fleiss die Psalmen im Versmasse deutscher Kirchenlieder und trug es schwer, dass diese Arbeit keinen Anklang fand Für uns Kinder hatte er wenig Zeit. Wir sahen ihn meist nur Mittags und Abends bei und nach Tisch. Unsere Erziehung leitete er aber trotzdem sehr sorgfältig und bei mässigem Einkommen mit verhältnismässig schweren Opfern. Vermögen erheirathete er nicht und konnte er nicht erringen selbst wenn er Sinn dafür gehabt hätte. Bei regelmässiger, einfacher und überaus mässiger Lebensweise - nur Rauchtabak verbrauchte er viel - blieb er meist gesund und erreichte ein Alter von über 82 Jahren. Ein Gehirnschlag führte sein Ende herbei.

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Zitationshilfe: Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krieger_lebenserinnerungen_1907/2>, abgerufen am 19.04.2024.