Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Vorbegriffe. §. 2. Grenzen des Patentschutzes.
Daguerre und Niepce im Jahre 1839 die Lichtbilder in der
Camera obscura zu fixiren und dadurch den Grund zu der
wichtigen Erfindung der Photographie zu legen.

Volta entdeckte um 1790 die Berührungselectricität, aus
welcher dann durch die Versuche von Oerstedt u. A. der Elec-
tromagnetismus abgeleitet wurde. Schon im vorigen Jahrhun-
derte hatte Richmann in Petersburg durch Versuche gezeigt, dass
die Reibungs-Electricität, durch lange Drahtleitungen fortge-
pflanzt, Funken von einem Ufer der Newa nach dem andern
übertragen und so zu fast augenblicklichen Signalen benutzt
werden könne. Erst im Jahre 1846 ging aus der Combination
dieser beiden Versuchsreihen durch Gauss und Steinheil der
electromagnetische Telegraph hervor, durch welchen jene wis-
senschaftlichen Versuche zu einer gewerblichen Erfindung vom
ersten Range erhoben wurden.

Im Jahre 1827 stellte Wöhler das Aluminium in der Form
eines grauen Pulvers aus der reinen Thonerde dar. Ein fran-
zösischer Mineraloge fand später in dem Bauxit einen reinen
Thoneisenstein ohne Beimischung von Silicaten. Unter Benutzung
dieses Materiales und des schon früher von Davy entdeckten
Natriums gelang es Deville, das Aluminium im Grossen und
zu einem Preise darzustellen, der gestattete dieses Metall in
der Industrie zu verwenden.

In allen diesen Fällen wurde nicht den Entdeckern der
wissenschaftlichen Prämissen, sondern den Erfindern, welche
ihre practische Anwendung lehrten, der Lohn der Erfindung
und der Patentschutz zu Theil1). Dennoch waren diese Er-
findungen erst durch die Entdeckungen jener grossen Physiker
und Chemiker möglich geworden. Ihre Entdeckungen selbst
waren aber für sich allein einer vermögensrechtlichen Nu-
tzung nicht fähig und daher nicht Objecte eines geistigen Eigen-
thumes.

Ebenso verhält es sich mit den grossen wissenschaftlichen
Aufgaben, mit deren Lösung ein Galilei, ein Kepler und ein
Newton sich beschäftigten. Es unterliegt keinem Zweifel, dass

1) Bekanntlich verzichtete Daguerre auf die Lösung eines Paten-
tes gegen eine Nationalbelohnung, welche ihm und den Erben Niepces
auf den Antrag der Akademie der Wissenschaften von der französischen
Regierung gewährt wurde.

I. Vorbegriffe. §. 2. Grenzen des Patentschutzes.
Daguerre und Niepce im Jahre 1839 die Lichtbilder in der
Camera obscura zu fixiren und dadurch den Grund zu der
wichtigen Erfindung der Photographie zu legen.

Volta entdeckte um 1790 die Berührungselectricität, aus
welcher dann durch die Versuche von Oerstedt u. A. der Elec-
tromagnetismus abgeleitet wurde. Schon im vorigen Jahrhun-
derte hatte Richmann in Petersburg durch Versuche gezeigt, dass
die Reibungs-Electricität, durch lange Drahtleitungen fortge-
pflanzt, Funken von einem Ufer der Newa nach dem andern
übertragen und so zu fast augenblicklichen Signalen benutzt
werden könne. Erst im Jahre 1846 ging aus der Combination
dieser beiden Versuchsreihen durch Gauss und Steinheil der
electromagnetische Telegraph hervor, durch welchen jene wis-
senschaftlichen Versuche zu einer gewerblichen Erfindung vom
ersten Range erhoben wurden.

Im Jahre 1827 stellte Wöhler das Aluminium in der Form
eines grauen Pulvers aus der reinen Thonerde dar. Ein fran-
zösischer Mineraloge fand später in dem Bauxit einen reinen
Thoneisenstein ohne Beimischung von Silicaten. Unter Benutzung
dieses Materiales und des schon früher von Davy entdeckten
Natriums gelang es Deville, das Aluminium im Grossen und
zu einem Preise darzustellen, der gestattete dieses Metall in
der Industrie zu verwenden.

In allen diesen Fällen wurde nicht den Entdeckern der
wissenschaftlichen Prämissen, sondern den Erfindern, welche
ihre practische Anwendung lehrten, der Lohn der Erfindung
und der Patentschutz zu Theil1). Dennoch waren diese Er-
findungen erst durch die Entdeckungen jener grossen Physiker
und Chemiker möglich geworden. Ihre Entdeckungen selbst
waren aber für sich allein einer vermögensrechtlichen Nu-
tzung nicht fähig und daher nicht Objecte eines geistigen Eigen-
thumes.

Ebenso verhält es sich mit den grossen wissenschaftlichen
Aufgaben, mit deren Lösung ein Galilei, ein Kepler und ein
Newton sich beschäftigten. Es unterliegt keinem Zweifel, dass

1) Bekanntlich verzichtete Daguerre auf die Lösung eines Paten-
tes gegen eine Nationalbelohnung, welche ihm und den Erben Niepces
auf den Antrag der Akademie der Wissenschaften von der französischen
Regierung gewährt wurde.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0039" n="12"/><fw place="top" type="header">I. Vorbegriffe. §. 2. Grenzen des Patentschutzes.</fw><lb/>
Daguerre und Niepce im Jahre 1839 die Lichtbilder in der<lb/>
Camera obscura zu fixiren und dadurch den Grund zu der<lb/>
wichtigen Erfindung der Photographie zu legen.</p><lb/>
            <p>Volta entdeckte um 1790 die Berührungselectricität, aus<lb/>
welcher dann durch die Versuche von Oerstedt u. A. der Elec-<lb/>
tromagnetismus abgeleitet wurde. Schon im vorigen Jahrhun-<lb/>
derte hatte Richmann in Petersburg durch Versuche gezeigt, dass<lb/>
die Reibungs-Electricität, durch lange Drahtleitungen fortge-<lb/>
pflanzt, Funken von einem Ufer der Newa nach dem andern<lb/>
übertragen und so zu fast augenblicklichen Signalen benutzt<lb/>
werden könne. Erst im Jahre 1846 ging aus der Combination<lb/>
dieser beiden Versuchsreihen durch Gauss und Steinheil der<lb/>
electromagnetische Telegraph hervor, durch welchen jene wis-<lb/>
senschaftlichen Versuche zu einer gewerblichen Erfindung vom<lb/>
ersten Range erhoben wurden.</p><lb/>
            <p>Im Jahre 1827 stellte Wöhler das Aluminium in der Form<lb/>
eines grauen Pulvers aus der reinen Thonerde dar. Ein fran-<lb/>
zösischer Mineraloge fand später in dem Bauxit einen reinen<lb/>
Thoneisenstein ohne Beimischung von Silicaten. Unter Benutzung<lb/>
dieses Materiales und des schon früher von Davy entdeckten<lb/>
Natriums gelang es Deville, das Aluminium im Grossen und<lb/>
zu einem Preise darzustellen, der gestattete dieses Metall in<lb/>
der Industrie zu verwenden.</p><lb/>
            <p>In allen diesen Fällen wurde nicht den Entdeckern der<lb/>
wissenschaftlichen Prämissen, sondern den Erfindern, welche<lb/>
ihre practische Anwendung lehrten, der Lohn der Erfindung<lb/>
und der Patentschutz zu Theil<note place="foot" n="1)">Bekanntlich verzichtete Daguerre auf die Lösung eines Paten-<lb/>
tes gegen eine Nationalbelohnung, welche ihm und den Erben Niepces<lb/>
auf den Antrag der Akademie der Wissenschaften von der französischen<lb/>
Regierung gewährt wurde.</note>. Dennoch waren diese Er-<lb/>
findungen erst durch die Entdeckungen jener grossen Physiker<lb/>
und Chemiker möglich geworden. Ihre Entdeckungen selbst<lb/>
waren aber für sich allein einer vermögensrechtlichen Nu-<lb/>
tzung nicht fähig und daher nicht Objecte eines geistigen Eigen-<lb/>
thumes.</p><lb/>
            <p>Ebenso verhält es sich mit den grossen wissenschaftlichen<lb/>
Aufgaben, mit deren Lösung ein Galilei, ein Kepler und ein<lb/>
Newton sich beschäftigten. Es unterliegt keinem Zweifel, dass<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0039] I. Vorbegriffe. §. 2. Grenzen des Patentschutzes. Daguerre und Niepce im Jahre 1839 die Lichtbilder in der Camera obscura zu fixiren und dadurch den Grund zu der wichtigen Erfindung der Photographie zu legen. Volta entdeckte um 1790 die Berührungselectricität, aus welcher dann durch die Versuche von Oerstedt u. A. der Elec- tromagnetismus abgeleitet wurde. Schon im vorigen Jahrhun- derte hatte Richmann in Petersburg durch Versuche gezeigt, dass die Reibungs-Electricität, durch lange Drahtleitungen fortge- pflanzt, Funken von einem Ufer der Newa nach dem andern übertragen und so zu fast augenblicklichen Signalen benutzt werden könne. Erst im Jahre 1846 ging aus der Combination dieser beiden Versuchsreihen durch Gauss und Steinheil der electromagnetische Telegraph hervor, durch welchen jene wis- senschaftlichen Versuche zu einer gewerblichen Erfindung vom ersten Range erhoben wurden. Im Jahre 1827 stellte Wöhler das Aluminium in der Form eines grauen Pulvers aus der reinen Thonerde dar. Ein fran- zösischer Mineraloge fand später in dem Bauxit einen reinen Thoneisenstein ohne Beimischung von Silicaten. Unter Benutzung dieses Materiales und des schon früher von Davy entdeckten Natriums gelang es Deville, das Aluminium im Grossen und zu einem Preise darzustellen, der gestattete dieses Metall in der Industrie zu verwenden. In allen diesen Fällen wurde nicht den Entdeckern der wissenschaftlichen Prämissen, sondern den Erfindern, welche ihre practische Anwendung lehrten, der Lohn der Erfindung und der Patentschutz zu Theil 1). Dennoch waren diese Er- findungen erst durch die Entdeckungen jener grossen Physiker und Chemiker möglich geworden. Ihre Entdeckungen selbst waren aber für sich allein einer vermögensrechtlichen Nu- tzung nicht fähig und daher nicht Objecte eines geistigen Eigen- thumes. Ebenso verhält es sich mit den grossen wissenschaftlichen Aufgaben, mit deren Lösung ein Galilei, ein Kepler und ein Newton sich beschäftigten. Es unterliegt keinem Zweifel, dass 1) Bekanntlich verzichtete Daguerre auf die Lösung eines Paten- tes gegen eine Nationalbelohnung, welche ihm und den Erben Niepces auf den Antrag der Akademie der Wissenschaften von der französischen Regierung gewährt wurde.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/39
Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/39>, abgerufen am 07.10.2024.