Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Messias.
Und in Gedanken vertieft, vorüber. Doch Portia wandte
Sich nach ihnen herum, und sprach: Verweilt, wenn ihr dürftet,
Pilgerinnen. Jhr irrtet an diesem Grabe mit Tiefsinn.
Kanntet ihr, den es vor wenigen Tagen noch deckte? ... Wer bist du,
Die du uns fragst? Du scheinst mir der Jsraelitinnen keine.
Bist du vom Kapitol, dem schrecklichsten Hügel der sieben,
Eine der Herrscherinnen, so laß uns, und spotte nicht unser,
Römerinn! ... Dessen spotte der Hocherhabne des Himmels,
Welcher sich unterwindet zu spotten der redlichen Unschuld!
Kennt mich mehr! Zwar bin ich Pilatus Vermählte, doch würd ich,
Tief erniedrigt mich sehn, wenn ich euer zu spotten vermöchte.
Seyd ihr nicht, anzubeten, von fernem Meere gekommen?
Und ich sollte, mit kriechendem Spott, die Frömmigkeit lohnen?
Redet mit mir, damit ihr mich kennt. Dieß Grab des Todten,
Ueber eure Vermuthungen, ist mir es theuer, und heilig!
Kam der Ruf auch zu euch: Er sey erstanden vom Tode,
Den es deckte? ... Du denkst von Jesus, Jemina redte,
Als wir keine von euch, die Götter glauben, noch fanden!
Und verdienest von uns, daß wir, mit der offensten Einfalt
Zu dir reden, und ruhig erwarten, wie du es urtheilst.
Mehr noch kam, wie nur Ruf, zu uns. Und meine Gefährtinn
Hier hat Eine der Frommen gesehn, der war er erschienen.

Red', o Glückliche, welche die mehr noch glückliche Fromme,
Seine Begnadete, sah. Jst sie noch im Leben des Elends?
Hat er sie nicht hinüber ins bessere Leben genommen?
Magdalena Maria, so heißt der Begnadigten Name,
Lebet noch hier. Sie sucht' ihn im offenen Grabe vergebens,
Jrrt',

Der Meſſias.
Und in Gedanken vertieft, voruͤber. Doch Portia wandte
Sich nach ihnen herum, und ſprach: Verweilt, wenn ihr duͤrftet,
Pilgerinnen. Jhr irrtet an dieſem Grabe mit Tiefſinn.
Kanntet ihr, den es vor wenigen Tagen noch deckte? … Wer biſt du,
Die du uns fragſt? Du ſcheinſt mir der Jſraelitinnen keine.
Biſt du vom Kapitol, dem ſchrecklichſten Huͤgel der ſieben,
Eine der Herrſcherinnen, ſo laß uns, und ſpotte nicht unſer,
Roͤmerinn! … Deſſen ſpotte der Hocherhabne des Himmels,
Welcher ſich unterwindet zu ſpotten der redlichen Unſchuld!
Kennt mich mehr! Zwar bin ich Pilatus Vermaͤhlte, doch wuͤrd ich,
Tief erniedrigt mich ſehn, wenn ich euer zu ſpotten vermoͤchte.
Seyd ihr nicht, anzubeten, von fernem Meere gekommen?
Und ich ſollte, mit kriechendem Spott, die Froͤmmigkeit lohnen?
Redet mit mir, damit ihr mich kennt. Dieß Grab des Todten,
Ueber eure Vermuthungen, iſt mir es theuer, und heilig!
Kam der Ruf auch zu euch: Er ſey erſtanden vom Tode,
Den es deckte? … Du denkſt von Jeſus, Jemina redte,
Als wir keine von euch, die Goͤtter glauben, noch fanden!
Und verdieneſt von uns, daß wir, mit der offenſten Einfalt
Zu dir reden, und ruhig erwarten, wie du es urtheilſt.
Mehr noch kam, wie nur Ruf, zu uns. Und meine Gefaͤhrtinn
Hier hat Eine der Frommen geſehn, der war er erſchienen.

Red’, o Gluͤckliche, welche die mehr noch gluͤckliche Fromme,
Seine Begnadete, ſah. Jſt ſie noch im Leben des Elends?
Hat er ſie nicht hinuͤber ins beſſere Leben genommen?
Magdalena Maria, ſo heißt der Begnadigten Name,
Lebet noch hier. Sie ſucht’ ihn im offenen Grabe vergebens,
Jrrt’,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="72">
            <pb facs="#f0240" n="224"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Me&#x017F;&#x017F;ias.</hi> </fw><lb/>
            <l>Und in Gedanken vertieft, voru&#x0364;ber. Doch Portia wandte</l><lb/>
            <l>Sich nach ihnen herum, und &#x017F;prach: Verweilt, wenn ihr du&#x0364;rftet,</l><lb/>
            <l>Pilgerinnen. Jhr irrtet an die&#x017F;em Grabe mit Tief&#x017F;inn.</l><lb/>
            <l>Kanntet ihr, den es vor wenigen Tagen noch deckte? &#x2026; Wer bi&#x017F;t du,</l><lb/>
            <l>Die du uns frag&#x017F;t? Du &#x017F;chein&#x017F;t mir der J&#x017F;raelitinnen keine.</l><lb/>
            <l>Bi&#x017F;t du vom Kapitol, dem &#x017F;chrecklich&#x017F;ten Hu&#x0364;gel der &#x017F;ieben,</l><lb/>
            <l>Eine der Herr&#x017F;cherinnen, &#x017F;o laß uns, und &#x017F;potte nicht un&#x017F;er,</l><lb/>
            <l>Ro&#x0364;merinn! &#x2026; De&#x017F;&#x017F;en &#x017F;potte der Hocherhabne des Himmels,</l><lb/>
            <l>Welcher &#x017F;ich unterwindet zu &#x017F;potten der redlichen Un&#x017F;chuld!</l><lb/>
            <l>Kennt mich mehr! Zwar bin ich Pilatus Verma&#x0364;hlte, doch wu&#x0364;rd ich,</l><lb/>
            <l>Tief erniedrigt mich &#x017F;ehn, wenn ich euer zu &#x017F;potten vermo&#x0364;chte.</l><lb/>
            <l>Seyd ihr nicht, anzubeten, von fernem Meere gekommen?</l><lb/>
            <l>Und ich &#x017F;ollte, mit kriechendem Spott, die Fro&#x0364;mmigkeit lohnen?</l><lb/>
            <l>Redet mit mir, damit ihr mich kennt. Dieß Grab des Todten,</l><lb/>
            <l>Ueber eure Vermuthungen, i&#x017F;t mir es theuer, und heilig!</l><lb/>
            <l>Kam der Ruf auch zu euch: Er &#x017F;ey er&#x017F;tanden vom Tode,</l><lb/>
            <l>Den es deckte? &#x2026; Du denk&#x017F;t von Je&#x017F;us, Jemina redte,</l><lb/>
            <l>Als wir keine von euch, die Go&#x0364;tter glauben, noch fanden!</l><lb/>
            <l>Und verdiene&#x017F;t von uns, daß wir, mit der offen&#x017F;ten Einfalt</l><lb/>
            <l>Zu dir reden, und ruhig erwarten, wie du es urtheil&#x017F;t.</l><lb/>
            <l>Mehr noch kam, wie nur Ruf, zu uns. Und meine Gefa&#x0364;hrtinn</l><lb/>
            <l>Hier hat Eine der Frommen ge&#x017F;ehn, der war er er&#x017F;chienen.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="73">
            <l>Red&#x2019;, o Glu&#x0364;ckliche, welche die mehr noch glu&#x0364;ckliche Fromme,</l><lb/>
            <l>Seine Begnadete, &#x017F;ah. J&#x017F;t &#x017F;ie noch im Leben des Elends?</l><lb/>
            <l>Hat er &#x017F;ie nicht hinu&#x0364;ber ins be&#x017F;&#x017F;ere Leben genommen?</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="74">
            <l>Magdalena Maria, &#x017F;o heißt der Begnadigten Name,</l><lb/>
            <l>Lebet noch hier. Sie &#x017F;ucht&#x2019; ihn im offenen Grabe vergebens,</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Jrrt&#x2019;,</fw><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0240] Der Meſſias. Und in Gedanken vertieft, voruͤber. Doch Portia wandte Sich nach ihnen herum, und ſprach: Verweilt, wenn ihr duͤrftet, Pilgerinnen. Jhr irrtet an dieſem Grabe mit Tiefſinn. Kanntet ihr, den es vor wenigen Tagen noch deckte? … Wer biſt du, Die du uns fragſt? Du ſcheinſt mir der Jſraelitinnen keine. Biſt du vom Kapitol, dem ſchrecklichſten Huͤgel der ſieben, Eine der Herrſcherinnen, ſo laß uns, und ſpotte nicht unſer, Roͤmerinn! … Deſſen ſpotte der Hocherhabne des Himmels, Welcher ſich unterwindet zu ſpotten der redlichen Unſchuld! Kennt mich mehr! Zwar bin ich Pilatus Vermaͤhlte, doch wuͤrd ich, Tief erniedrigt mich ſehn, wenn ich euer zu ſpotten vermoͤchte. Seyd ihr nicht, anzubeten, von fernem Meere gekommen? Und ich ſollte, mit kriechendem Spott, die Froͤmmigkeit lohnen? Redet mit mir, damit ihr mich kennt. Dieß Grab des Todten, Ueber eure Vermuthungen, iſt mir es theuer, und heilig! Kam der Ruf auch zu euch: Er ſey erſtanden vom Tode, Den es deckte? … Du denkſt von Jeſus, Jemina redte, Als wir keine von euch, die Goͤtter glauben, noch fanden! Und verdieneſt von uns, daß wir, mit der offenſten Einfalt Zu dir reden, und ruhig erwarten, wie du es urtheilſt. Mehr noch kam, wie nur Ruf, zu uns. Und meine Gefaͤhrtinn Hier hat Eine der Frommen geſehn, der war er erſchienen. Red’, o Gluͤckliche, welche die mehr noch gluͤckliche Fromme, Seine Begnadete, ſah. Jſt ſie noch im Leben des Elends? Hat er ſie nicht hinuͤber ins beſſere Leben genommen? Magdalena Maria, ſo heißt der Begnadigten Name, Lebet noch hier. Sie ſucht’ ihn im offenen Grabe vergebens, Jrrt’,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/240
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/240>, abgerufen am 25.04.2024.