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Klinger, Friedrich Maximilian von: Die Zwillinge. Hannover, 1796.

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Haben sie? Still! still! Laß mich zu mir kom-
men, und treib mich zur Raserey! Grimaldi! o
ich will alles zerreissen! Vater! Vater! Mut-
ter! ich will euch ausstreichen! will euch ausstrei-
chen, euch bis aufs letzte Fäserchen aus dem Her-
zen reissen! Grimaldi!
Grimaldi. (kömmt.)
Guelfo. (faßt ihn an der Brust) Sieh mich
an, Grimaldi! Sieh mich an, und häng an mei-
ner Stirne! Zweifelst Du, ob ich der Erstgebohr-
ne bin? Zweifelst Du?
Grimaldi. Guelfo, ich hab' alles gehört;
mich warf ein dumpfes Gefühl herum, daß ich
nicht schlafen konnte. Donner und Wetter! steh
da, Guelfo!
(führt ihn an den Spiegel) Dieser
Blick! dieses Wesen! diese sich ausbreitende Men-
schenbeugende Gluth im schwarzen, grossen, rol-
lenden Auge! -- Guelfo! Du bist für ein Kö-
nigreich gebohren. Eine weissagende Gottheit,
mein Genius sagt mirs. Guelfo! Du bist Fer-
dinandos Bruder nicht. Ha! Wie kamst Du un-
ter das Geschlecht dieser Schwachen? Du bist
vertauscht! O Du bist so nicht gebohren! Sieh
Dich an, königlicher Guelfo! Hast Du nicht den
verzehrenden Königsblick? Schlag mir vor die
Stirne, wenn ich lüge! Mit diesen Empfindun-
gen,
Haben ſie? Still! ſtill! Laß mich zu mir kom-
men, und treib mich zur Raſerey! Grimaldi! o
ich will alles zerreiſſen! Vater! Vater! Mut-
ter! ich will euch ausſtreichen! will euch ausſtrei-
chen, euch bis aufs letzte Faͤſerchen aus dem Her-
zen reiſſen! Grimaldi!
Grimaldi. (koͤmmt.)
Guelfo. (faßt ihn an der Bruſt) Sieh mich
an, Grimaldi! Sieh mich an, und haͤng an mei-
ner Stirne! Zweifelſt Du, ob ich der Erſtgebohr-
ne bin? Zweifelſt Du?
Grimaldi. Guelfo, ich hab’ alles gehoͤrt;
mich warf ein dumpfes Gefuͤhl herum, daß ich
nicht ſchlafen konnte. Donner und Wetter! ſteh
da, Guelfo!
(fuͤhrt ihn an den Spiegel) Dieſer
Blick! dieſes Weſen! dieſe ſich ausbreitende Men-
ſchenbeugende Gluth im ſchwarzen, groſſen, rol-
lenden Auge! — Guelfo! Du biſt fuͤr ein Koͤ-
nigreich gebohren. Eine weiſſagende Gottheit,
mein Genius ſagt mirs. Guelfo! Du biſt Fer-
dinandos Bruder nicht. Ha! Wie kamſt Du un-
ter das Geſchlecht dieſer Schwachen? Du biſt
vertauſcht! O Du biſt ſo nicht gebohren! Sieh
Dich an, koͤniglicher Guelfo! Haſt Du nicht den
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[16/0022] Haben ſie? Still! ſtill! Laß mich zu mir kom- men, und treib mich zur Raſerey! Grimaldi! o ich will alles zerreiſſen! Vater! Vater! Mut- ter! ich will euch ausſtreichen! will euch ausſtrei- chen, euch bis aufs letzte Faͤſerchen aus dem Her- zen reiſſen! Grimaldi! Grimaldi. (koͤmmt.) Guelfo. (faßt ihn an der Bruſt) Sieh mich an, Grimaldi! Sieh mich an, und haͤng an mei- ner Stirne! Zweifelſt Du, ob ich der Erſtgebohr- ne bin? Zweifelſt Du? Grimaldi. Guelfo, ich hab’ alles gehoͤrt; mich warf ein dumpfes Gefuͤhl herum, daß ich nicht ſchlafen konnte. Donner und Wetter! ſteh da, Guelfo! (fuͤhrt ihn an den Spiegel) Dieſer Blick! dieſes Weſen! dieſe ſich ausbreitende Men- ſchenbeugende Gluth im ſchwarzen, groſſen, rol- lenden Auge! — Guelfo! Du biſt fuͤr ein Koͤ- nigreich gebohren. Eine weiſſagende Gottheit, mein Genius ſagt mirs. Guelfo! Du biſt Fer- dinandos Bruder nicht. Ha! Wie kamſt Du un- ter das Geſchlecht dieſer Schwachen? Du biſt vertauſcht! O Du biſt ſo nicht gebohren! Sieh Dich an, koͤniglicher Guelfo! Haſt Du nicht den verzehrenden Koͤnigsblick? Schlag mir vor die Stirne, wenn ich luͤge! Mit dieſen Empfindun- gen,

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Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian von: Die Zwillinge. Hannover, 1796, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_zwillinge_1796/22>, abgerufen am 25.04.2024.