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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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redete ihr voll Bewunderung nach dem Munde,
so stark er konnte; und sie vermochte ein tüch¬
tiges Lob zu ertragen, ja sie liebte den Pfeffer
desselben um so mehr, je stärker er war, und
wenn man ihre Weisheit pries, hielt sie sich
möglichst still, bis man das Herz geleert, wor¬
auf sie mit erhöhter Salbung den Faden auf¬
nahm und das Gemälde da und dort ergänzte,
das man von ihr entworfen. Nicht lange war
Dietrich bei Züs aus und eingegangen, so hatte
sie ihm auch schon den Gültbrief gezeigt, und
er war voll guter Dinge und that gegen seine
Gefährten so heimlich, wie Einer, der das Per¬
petuum mobile erfunden hat. Jobst und Frido¬
lin kamen ihm jedoch bald auf die Spur und
erstaunten über seinen tiefen Geist und über seine
Gewandtheit. Jobst besonders schlug sich förm¬
lich vor den Kopf; denn schon seit Jahren ging
er ja auch in das Haus und noch nie war ihm
eingefallen, etwas anderes da zu suchen, als seine
Wäsche; er haßte vielmehr die Leute beinahe,
weil sie die einzigen waren, bei welchen er ei¬
nige baare Pfennige herausklauben mußte all¬
wöchentlich. An eine eheliche Verbindung pflegte

redete ihr voll Bewunderung nach dem Munde,
ſo ſtark er konnte; und ſie vermochte ein tüch¬
tiges Lob zu ertragen, ja ſie liebte den Pfeffer
deſſelben um ſo mehr, je ſtärker er war, und
wenn man ihre Weisheit pries, hielt ſie ſich
möglichſt ſtill, bis man das Herz geleert, wor¬
auf ſie mit erhöhter Salbung den Faden auf¬
nahm und das Gemälde da und dort ergänzte,
das man von ihr entworfen. Nicht lange war
Dietrich bei Züs aus und eingegangen, ſo hatte
ſie ihm auch ſchon den Gültbrief gezeigt, und
er war voll guter Dinge und that gegen ſeine
Gefährten ſo heimlich, wie Einer, der das Per¬
petuum mobile erfunden hat. Jobſt und Frido¬
lin kamen ihm jedoch bald auf die Spur und
erſtaunten über ſeinen tiefen Geiſt und über ſeine
Gewandtheit. Jobſt beſonders ſchlug ſich förm¬
lich vor den Kopf; denn ſchon ſeit Jahren ging
er ja auch in das Haus und noch nie war ihm
eingefallen, etwas anderes da zu ſuchen, als ſeine
Wäſche; er haßte vielmehr die Leute beinahe,
weil ſie die einzigen waren, bei welchen er ei¬
nige baare Pfennige herausklauben mußte all¬
wöchentlich. An eine eheliche Verbindung pflegte

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[396/0408] redete ihr voll Bewunderung nach dem Munde, ſo ſtark er konnte; und ſie vermochte ein tüch¬ tiges Lob zu ertragen, ja ſie liebte den Pfeffer deſſelben um ſo mehr, je ſtärker er war, und wenn man ihre Weisheit pries, hielt ſie ſich möglichſt ſtill, bis man das Herz geleert, wor¬ auf ſie mit erhöhter Salbung den Faden auf¬ nahm und das Gemälde da und dort ergänzte, das man von ihr entworfen. Nicht lange war Dietrich bei Züs aus und eingegangen, ſo hatte ſie ihm auch ſchon den Gültbrief gezeigt, und er war voll guter Dinge und that gegen ſeine Gefährten ſo heimlich, wie Einer, der das Per¬ petuum mobile erfunden hat. Jobſt und Frido¬ lin kamen ihm jedoch bald auf die Spur und erſtaunten über ſeinen tiefen Geiſt und über ſeine Gewandtheit. Jobſt beſonders ſchlug ſich förm¬ lich vor den Kopf; denn ſchon ſeit Jahren ging er ja auch in das Haus und noch nie war ihm eingefallen, etwas anderes da zu ſuchen, als ſeine Wäſche; er haßte vielmehr die Leute beinahe, weil ſie die einzigen waren, bei welchen er ei¬ nige baare Pfennige herausklauben mußte all¬ wöchentlich. An eine eheliche Verbindung pflegte

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/408>, abgerufen am 29.11.2024.