und indem er sie darstellt, giebt er ihr zum zweitenmale das Leben".
Richtig aber ist, dass Niemand besser die seltene Kunst verstanden hat, "die Skizze zu bewahren". D. h. die erste, maassgebende, belebende, in der Skizze fixirte Anschauung, am Schluss der langwierigen, zerstückelnden Ausführung ohne Ver- lust wieder zum Vorschein zu bringen. Was also dem Laien das leichteste dünkt, ist in der That das schwerste, wie Lemoine (nach Diderot) sagte, qu'il fallait trente annees de metier pour savoir conserver son esquisse.
Ebensowenig zutreffend ist Velazquez ein Virtuose ge- nannt worden 1). Wenn nämlich Virtuosität Fertigkeit und Eleganz der Ausübung hiesse, mit einem Beigeschmack von Prahlen mit technischen, künstlerisch geringwerthigen Schwierigkeiten, und deren Ausbeutung in Wiederholungen. Mit mehr Recht könnte man diejenigen Maler Virtuosen nennen, welchen der Gegen- stand nur Veranlassung zu sein scheint, ihre fertigen Dar- stellungsmittel in mehr oder weniger neuen Variationen zu pro- duciren. In diesem Sinn ist der Virtuose ein Widerpart des wahren Künstlers. Velazquez war eine vornehme Natur. Selbst seine technische Verfahrungsweise hat er nach den Gegenstän- den verändert. Manche seiner am beifälligsten aufgenommenen Vorwürfe hat er nur einmal behandelt. So wenig hat er vom Aplomb des Virtuosen, dass es kaum ein Gemälde von ihm giebt, in dem nicht pentimenti vorkommen; glatte Eleganz war ihm so gleichgültig, dass er jene kaum zudeckt. Alles was Effekt heisst, dem die habitues und Feinschmecker zuwiehern, hat er so völlig verachtet, dass er zuweilen mehr abzustossen, als entgegen- kommen zu wollen scheint.
Gewiss ist diese Manier nicht ohne Einfluss des südlän- dischen, besonders des spanischen, langwieriger Arbeit abge- neigten Temperaments entstanden, diesmal unterstützt von der Leichtigkeit einer durch strenge Erziehung geschulten Hand: "Oftmals zeichnet der Meister der Kunst mit wenigen Strichen" u. s. w. 2). Seine Werthschätzung von Totaleindruck und Haltung führte ihn auf gelegentliche Anwendung jener langstieligen Bor- stenpinsel (Palomino), welche gestatten aus der Entfernung zu malen, in der das Bild gesehn werden soll. Auch seine be-
1) Kölnische Zeitung v. 8. Februar 1874.
2) For handling, no one surpasses him. Wilkie an Th. Phillips 14. Febr. 1828.
Der dritte Stil.
und indem er sie darstellt, giebt er ihr zum zweitenmale das Leben“.
Richtig aber ist, dass Niemand besser die seltene Kunst verstanden hat, „die Skizze zu bewahren“. D. h. die erste, maassgebende, belebende, in der Skizze fixirte Anschauung, am Schluss der langwierigen, zerstückelnden Ausführung ohne Ver- lust wieder zum Vorschein zu bringen. Was also dem Laien das leichteste dünkt, ist in der That das schwerste, wie Lemoine (nach Diderot) sagte, qu’il fallait trente années de métier pour savoir conserver son esquisse.
Ebensowenig zutreffend ist Velazquez ein Virtuose ge- nannt worden 1). Wenn nämlich Virtuosität Fertigkeit und Eleganz der Ausübung hiesse, mit einem Beigeschmack von Prahlen mit technischen, künstlerisch geringwerthigen Schwierigkeiten, und deren Ausbeutung in Wiederholungen. Mit mehr Recht könnte man diejenigen Maler Virtuosen nennen, welchen der Gegen- stand nur Veranlassung zu sein scheint, ihre fertigen Dar- stellungsmittel in mehr oder weniger neuen Variationen zu pro- duciren. In diesem Sinn ist der Virtuose ein Widerpart des wahren Künstlers. Velazquez war eine vornehme Natur. Selbst seine technische Verfahrungsweise hat er nach den Gegenstän- den verändert. Manche seiner am beifälligsten aufgenommenen Vorwürfe hat er nur einmal behandelt. So wenig hat er vom Aplomb des Virtuosen, dass es kaum ein Gemälde von ihm giebt, in dem nicht pentimenti vorkommen; glatte Eleganz war ihm so gleichgültig, dass er jene kaum zudeckt. Alles was Effekt heisst, dem die habitués und Feinschmecker zuwiehern, hat er so völlig verachtet, dass er zuweilen mehr abzustossen, als entgegen- kommen zu wollen scheint.
Gewiss ist diese Manier nicht ohne Einfluss des südlän- dischen, besonders des spanischen, langwieriger Arbeit abge- neigten Temperaments entstanden, diesmal unterstützt von der Leichtigkeit einer durch strenge Erziehung geschulten Hand: „Oftmals zeichnet der Meister der Kunst mit wenigen Strichen“ u. s. w. 2). Seine Werthschätzung von Totaleindruck und Haltung führte ihn auf gelegentliche Anwendung jener langstieligen Bor- stenpinsel (Palomino), welche gestatten aus der Entfernung zu malen, in der das Bild gesehn werden soll. Auch seine be-
1) Kölnische Zeitung v. 8. Februar 1874.
2) For handling, no one surpasses him. Wilkie an Th. Phillips 14. Febr. 1828.
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Der dritte Stil.
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Leben“.
Richtig aber ist, dass Niemand besser die seltene Kunst
verstanden hat, „die Skizze zu bewahren“. D. h. die erste,
maassgebende, belebende, in der Skizze fixirte Anschauung, am
Schluss der langwierigen, zerstückelnden Ausführung ohne Ver-
lust wieder zum Vorschein zu bringen. Was also dem Laien
das leichteste dünkt, ist in der That das schwerste, wie Lemoine
(nach Diderot) sagte, qu’il fallait trente années de métier pour
savoir conserver son esquisse.
Ebensowenig zutreffend ist Velazquez ein Virtuose ge-
nannt worden 1). Wenn nämlich Virtuosität Fertigkeit und Eleganz
der Ausübung hiesse, mit einem Beigeschmack von Prahlen mit
technischen, künstlerisch geringwerthigen Schwierigkeiten, und
deren Ausbeutung in Wiederholungen. Mit mehr Recht könnte
man diejenigen Maler Virtuosen nennen, welchen der Gegen-
stand nur Veranlassung zu sein scheint, ihre fertigen Dar-
stellungsmittel in mehr oder weniger neuen Variationen zu pro-
duciren. In diesem Sinn ist der Virtuose ein Widerpart des
wahren Künstlers. Velazquez war eine vornehme Natur. Selbst
seine technische Verfahrungsweise hat er nach den Gegenstän-
den verändert. Manche seiner am beifälligsten aufgenommenen
Vorwürfe hat er nur einmal behandelt. So wenig hat er vom
Aplomb des Virtuosen, dass es kaum ein Gemälde von ihm giebt,
in dem nicht pentimenti vorkommen; glatte Eleganz war ihm so
gleichgültig, dass er jene kaum zudeckt. Alles was Effekt heisst,
dem die habitués und Feinschmecker zuwiehern, hat er so völlig
verachtet, dass er zuweilen mehr abzustossen, als entgegen-
kommen zu wollen scheint.
Gewiss ist diese Manier nicht ohne Einfluss des südlän-
dischen, besonders des spanischen, langwieriger Arbeit abge-
neigten Temperaments entstanden, diesmal unterstützt von der
Leichtigkeit einer durch strenge Erziehung geschulten Hand:
„Oftmals zeichnet der Meister der Kunst mit wenigen Strichen“
u. s. w. 2). Seine Werthschätzung von Totaleindruck und Haltung
führte ihn auf gelegentliche Anwendung jener langstieligen Bor-
stenpinsel (Palomino), welche gestatten aus der Entfernung zu
malen, in der das Bild gesehn werden soll. Auch seine be-
1) Kölnische Zeitung v. 8. Februar 1874.
2) For handling, no one surpasses him. Wilkie an Th. Phillips 14. Febr. 1828.
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/295>, abgerufen am 23.11.2024.
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