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Ichenhaeuser, Eliza: Das Universitätsstudium der Frauen. In: Die Kritik (4, 1895). S. 1750–1753.

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Das Universitätsstudium der Frauen
in einzelnen Fällen die Zulassung zur Gymnasialreifeprüfung gewährt sei;
daß in der philosophischen Fakultät der Universitäten, vorzugsweise in
Göttingen und Berlin, Frauen zum Anhören einzelner, von den Gesuch-
stellerinnen bezeichneten Vorlesungen zugelassen worden seien, ohne daß sich
Mißstände irgend welcher Art daraus ergeben hätten, daß aber bezüglich
der medizinischen Fakultät die Zulassung zu einzelnen Vorlesungen nicht zu
empfehlen sei. Dagegen komme hier die Zulassung zum ordnungsmäßigen
Studium in Frage, da die Bestimmungen der Gewerbeordnung nach Auf-
fassung der maßgebenden Reichsbehörden der Zulassung von Frauen zur
ärztlichen Approbation nicht entgegenständen.Etwas Abschließendes
lasse sich weder in dieser noch in anderen Beziehungen sagen,
da die Schwierigkeit der Frage besondre Vorsicht erfordere.

Trotzdem dem Leser dieses Berichtes unwillkürlich des Königs Thoas
Worte einfallen: "Du sprichst vergebens viel um zu versagen, der Andre
hört von allem nur das nein", so fürchtet der Referent doch, vielleicht zu
große Konzessionen gemacht zu haben, denn "vorsichtig wie die Frage" seiner
Ansicht nach "behandelt werden muß", vorsichtig bis in die Fingerspitzen
fügt er zum Schluß hinzu:

"Haben Frauen einmal den Zutritt zu einer Maturitätsprüfung und
zu medizinischen Studien und Prüfungen, dann wird die Konsequenz weiter
treiben, und man wird ihnen kaum noch den Besuch solcher Universitäts-
vorlesungen, welche dem natürlichen Beruf und der eigenartigen Veranlagung
des weiblichen Geschlechts entsprechen, verwehren können."

Wäre das wirklich ein so großes Unglück, wenn man den Frauen
den Zutritt zu solchen Universitätsvorlesungen, "welche ihrem natürlichen
Beruf und ihrer eigenartigen Veranlagung entsprechen", freigeben würde?
Was versteht der Regierungsvertreter überhaupt unter der Phrase "die
Schwierigkeit der Frage erfordere besondere Vorsicht"? Wenn ein Gegen-
stand mit Vorsicht behandelt werden soll, dann muß er vor allen Dingen
in Behandlung genommen werden. Wenn man die Frage der Zulassung
der Frauen zum Universitätsstudium mit Vorsicht behandeln will, dann
gebrauche man diese in so ausgiebigem Maße wie nur möglich, man
versuche es erst mit gewissen Fakultäten, oder gar nur mit be-
stimmten Universitäten, meinetwegen nur mit einer einzigen, aber man
mache doch endlich einen Versuch; das hieße die Frage mit Vorsicht be-
handeln, das hieße überhaupt erst sie behandeln, aber so, wie es der
Regierungsvertreter meint, ist der Ausdruck "mit Vorsicht" ganz irrthümlich
angewendet, hier ist das Wort "ablehnend" am Platze.

Wenn man hört, wie unsere maßgebenden Persönlichkeiten sich zur
Frage der Zulassung der Frauen zum Universitätsstudium äußern, so fühlt
man sich versucht anzunehmen, daß es sich darum handelt, in Deutschland
ein Novum einzuführen, daß Deutschland in dieser Frage bahnbrechend
wirken soll. Und doch ist das strikte Gegentheil der Fall, außer Oestereich-
Ungarn ist Deutschland der einzige europäische Staat, ja, überhaupt das
einzige zivilisirte Land in dem die Frauen vom Universitätsstudium aus-
geschloffen sind.

Das Universitätsstudium der Frauen
in einzelnen Fällen die Zulassung zur Gymnasialreifeprüfung gewährt sei;
daß in der philosophischen Fakultät der Universitäten, vorzugsweise in
Göttingen und Berlin, Frauen zum Anhören einzelner, von den Gesuch-
stellerinnen bezeichneten Vorlesungen zugelassen worden seien, ohne daß sich
Mißstände irgend welcher Art daraus ergeben hätten, daß aber bezüglich
der medizinischen Fakultät die Zulassung zu einzelnen Vorlesungen nicht zu
empfehlen sei. Dagegen komme hier die Zulassung zum ordnungsmäßigen
Studium in Frage, da die Bestimmungen der Gewerbeordnung nach Auf-
fassung der maßgebenden Reichsbehörden der Zulassung von Frauen zur
ärztlichen Approbation nicht entgegenständen.Etwas Abschließendes
lasse sich weder in dieser noch in anderen Beziehungen sagen,
da die Schwierigkeit der Frage besondre Vorsicht erfordere.

Trotzdem dem Leser dieses Berichtes unwillkürlich des Königs Thoas
Worte einfallen: „Du sprichst vergebens viel um zu versagen, der Andre
hört von allem nur das nein“, so fürchtet der Referent doch, vielleicht zu
große Konzessionen gemacht zu haben, denn „vorsichtig wie die Frage“ seiner
Ansicht nach „behandelt werden muß“, vorsichtig bis in die Fingerspitzen
fügt er zum Schluß hinzu:

„Haben Frauen einmal den Zutritt zu einer Maturitätsprüfung und
zu medizinischen Studien und Prüfungen, dann wird die Konsequenz weiter
treiben, und man wird ihnen kaum noch den Besuch solcher Universitäts-
vorlesungen, welche dem natürlichen Beruf und der eigenartigen Veranlagung
des weiblichen Geschlechts entsprechen, verwehren können.“

Wäre das wirklich ein so großes Unglück, wenn man den Frauen
den Zutritt zu solchen Universitätsvorlesungen, „welche ihrem natürlichen
Beruf und ihrer eigenartigen Veranlagung entsprechen“, freigeben würde?
Was versteht der Regierungsvertreter überhaupt unter der Phrase „die
Schwierigkeit der Frage erfordere besondere Vorsicht“? Wenn ein Gegen-
stand mit Vorsicht behandelt werden soll, dann muß er vor allen Dingen
in Behandlung genommen werden. Wenn man die Frage der Zulassung
der Frauen zum Universitätsstudium mit Vorsicht behandeln will, dann
gebrauche man diese in so ausgiebigem Maße wie nur möglich, man
versuche es erst mit gewissen Fakultäten, oder gar nur mit be-
stimmten Universitäten, meinetwegen nur mit einer einzigen, aber man
mache doch endlich einen Versuch; das hieße die Frage mit Vorsicht be-
handeln, das hieße überhaupt erst sie behandeln, aber so, wie es der
Regierungsvertreter meint, ist der Ausdruck „mit Vorsicht“ ganz irrthümlich
angewendet, hier ist das Wort „ablehnend“ am Platze.

Wenn man hört, wie unsere maßgebenden Persönlichkeiten sich zur
Frage der Zulassung der Frauen zum Universitätsstudium äußern, so fühlt
man sich versucht anzunehmen, daß es sich darum handelt, in Deutschland
ein Novum einzuführen, daß Deutschland in dieser Frage bahnbrechend
wirken soll. Und doch ist das strikte Gegentheil der Fall, außer Oestereich-
Ungarn ist Deutschland der einzige europäische Staat, ja, überhaupt das
einzige zivilisirte Land in dem die Frauen vom Universitätsstudium aus-
geschloffen sind.

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[1751/0002] Das Universitätsstudium der Frauen in einzelnen Fällen die Zulassung zur Gymnasialreifeprüfung gewährt sei; daß in der philosophischen Fakultät der Universitäten, vorzugsweise in Göttingen und Berlin, Frauen zum Anhören einzelner, von den Gesuch- stellerinnen bezeichneten Vorlesungen zugelassen worden seien, ohne daß sich Mißstände irgend welcher Art daraus ergeben hätten, daß aber bezüglich der medizinischen Fakultät die Zulassung zu einzelnen Vorlesungen nicht zu empfehlen sei. Dagegen komme hier die Zulassung zum ordnungsmäßigen Studium in Frage, da die Bestimmungen der Gewerbeordnung nach Auf- fassung der maßgebenden Reichsbehörden der Zulassung von Frauen zur ärztlichen Approbation nicht entgegenständen.Etwas Abschließendes lasse sich weder in dieser noch in anderen Beziehungen sagen, da die Schwierigkeit der Frage besondre Vorsicht erfordere. Trotzdem dem Leser dieses Berichtes unwillkürlich des Königs Thoas Worte einfallen: „Du sprichst vergebens viel um zu versagen, der Andre hört von allem nur das nein“, so fürchtet der Referent doch, vielleicht zu große Konzessionen gemacht zu haben, denn „vorsichtig wie die Frage“ seiner Ansicht nach „behandelt werden muß“, vorsichtig bis in die Fingerspitzen fügt er zum Schluß hinzu: „Haben Frauen einmal den Zutritt zu einer Maturitätsprüfung und zu medizinischen Studien und Prüfungen, dann wird die Konsequenz weiter treiben, und man wird ihnen kaum noch den Besuch solcher Universitäts- vorlesungen, welche dem natürlichen Beruf und der eigenartigen Veranlagung des weiblichen Geschlechts entsprechen, verwehren können.“ Wäre das wirklich ein so großes Unglück, wenn man den Frauen den Zutritt zu solchen Universitätsvorlesungen, „welche ihrem natürlichen Beruf und ihrer eigenartigen Veranlagung entsprechen“, freigeben würde? Was versteht der Regierungsvertreter überhaupt unter der Phrase „die Schwierigkeit der Frage erfordere besondere Vorsicht“? Wenn ein Gegen- stand mit Vorsicht behandelt werden soll, dann muß er vor allen Dingen in Behandlung genommen werden. Wenn man die Frage der Zulassung der Frauen zum Universitätsstudium mit Vorsicht behandeln will, dann gebrauche man diese in so ausgiebigem Maße wie nur möglich, man versuche es erst mit gewissen Fakultäten, oder gar nur mit be- stimmten Universitäten, meinetwegen nur mit einer einzigen, aber man mache doch endlich einen Versuch; das hieße die Frage mit Vorsicht be- handeln, das hieße überhaupt erst sie behandeln, aber so, wie es der Regierungsvertreter meint, ist der Ausdruck „mit Vorsicht“ ganz irrthümlich angewendet, hier ist das Wort „ablehnend“ am Platze. Wenn man hört, wie unsere maßgebenden Persönlichkeiten sich zur Frage der Zulassung der Frauen zum Universitätsstudium äußern, so fühlt man sich versucht anzunehmen, daß es sich darum handelt, in Deutschland ein Novum einzuführen, daß Deutschland in dieser Frage bahnbrechend wirken soll. Und doch ist das strikte Gegentheil der Fall, außer Oestereich- Ungarn ist Deutschland der einzige europäische Staat, ja, überhaupt das einzige zivilisirte Land in dem die Frauen vom Universitätsstudium aus- geschloffen sind.

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Zitationshilfe: Ichenhaeuser, Eliza: Das Universitätsstudium der Frauen. In: Die Kritik (4, 1895). S. 1750–1753, S. 1751. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_universitaetsstudium_1895/2>, abgerufen am 29.03.2024.