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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.

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Bei der Darstellung der jüdischen Religions-
ansichten und besonders der kirchlichen und häusli-
chen Gebräuche mußte ich mich auf dasjenige be-
schränken, was mir das Wichtigste und das am
allgemeinsten Geltende schien. Hätte ich alle talmu-
dischen und rabbinischen Mährchen und Auslegun-
gen, und alle Verschiedenheiten in Rücksicht jener
Gebräuche anführen wollen, welche mir meine Ma-
terialien darboten, so hätte ich ein Werk schreiben
müssen, zu dessen Beendigung meine Lebenszeit nicht
hingereicht haben würde.

Dennoch mußte ich wegen der vielen Wider-
sprüche und Abweichungen meiner schriftlichen Quel-
len häufig, Erkundigungen bei Juden einziehen,
und wenn es nur Zeit und Verhältniße irgend ge-
statteten, den jüdischen Göttesverehrungen beiwoh-
nen. Jn der Schweitz, wo außer den Aargaui-
schen Dörfern Lengnau und Endingen, bloß weiße
Juden geduldet werden, war ich freilich in zwei-
felhaften Fällen mehr meinen eigenen Urtheilen über-
lassen; indessen hoffe ich, daß man nicht leicht et-
was Wichtiges oder irgend etwas, das allgemein
üblich ist, in dieser Judenschule vermissen werde.

Kein Religionseifer, kein Haß und Unwille
gegen die Jsraeliten als Andersglaubende hat mir
die Feder geleitet. Jch weiß es sehr wohl, daß
Abrahams heiliger Saame weder durch Spott,
noch durch Gründe zur Vernunft gebracht werden
kann. Die Juden und manche Staats-und Kirchen-
männer unter uns Christen gleichen den alten Raub-
und Nitterburgen der Schweitz; alle Veränderun-
gen in der geistigen, sittlichen und körperlichen Welt
gehen wirkungslos an ihnen vorüber, bis sie end-
lich durch ein furchtbares Erdbeben von unten auf
erschüttert und verschlungen werden.

Kirchliche Formen sind gleichgültig; sind nichts,



Bei der Darſtellung der juͤdiſchen Religions-
anſichten und beſonders der kirchlichen und haͤusli-
chen Gebraͤuche mußte ich mich auf dasjenige be-
ſchraͤnken, was mir das Wichtigſte und das am
allgemeinſten Geltende ſchien. Haͤtte ich alle talmu-
diſchen und rabbiniſchen Maͤhrchen und Auslegun-
gen, und alle Verſchiedenheiten in Ruͤckſicht jener
Gebraͤuche anfuͤhren wollen, welche mir meine Ma-
terialien darboten, ſo haͤtte ich ein Werk ſchreiben
muͤſſen, zu deſſen Beendigung meine Lebenszeit nicht
hingereicht haben wuͤrde.

Dennoch mußte ich wegen der vielen Wider-
ſpruͤche und Abweichungen meiner ſchriftlichen Quel-
len haͤufig, Erkundigungen bei Juden einziehen,
und wenn es nur Zeit und Verhaͤltniße irgend ge-
ſtatteten, den juͤdiſchen Goͤttesverehrungen beiwoh-
nen. Jn der Schweitz, wo außer den Aargaui-
ſchen Doͤrfern Lengnau und Endingen, bloß weiße
Juden geduldet werden, war ich freilich in zwei-
felhaften Faͤllen mehr meinen eigenen Urtheilen uͤber-
laſſen; indeſſen hoffe ich, daß man nicht leicht et-
was Wichtiges oder irgend etwas, das allgemein
uͤblich iſt, in dieſer Judenſchule vermiſſen werde.

Kein Religionseifer, kein Haß und Unwille
gegen die Jſraeliten als Andersglaubende hat mir
die Feder geleitet. Jch weiß es ſehr wohl, daß
Abrahams heiliger Saame weder durch Spott,
noch durch Gruͤnde zur Vernunft gebracht werden
kann. Die Juden und manche Staats-und Kirchen-
maͤnner unter uns Chriſten gleichen den alten Raub-
und Nitterburgen der Schweitz; alle Veraͤnderun-
gen in der geiſtigen, ſittlichen und koͤrperlichen Welt
gehen wirkungslos an ihnen voruͤber, bis ſie end-
lich durch ein furchtbares Erdbeben von unten auf
erſchuͤttert und verſchlungen werden.

Kirchliche Formen ſind gleichguͤltig; ſind nichts,

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[443/0443] Bei der Darſtellung der juͤdiſchen Religions- anſichten und beſonders der kirchlichen und haͤusli- chen Gebraͤuche mußte ich mich auf dasjenige be- ſchraͤnken, was mir das Wichtigſte und das am allgemeinſten Geltende ſchien. Haͤtte ich alle talmu- diſchen und rabbiniſchen Maͤhrchen und Auslegun- gen, und alle Verſchiedenheiten in Ruͤckſicht jener Gebraͤuche anfuͤhren wollen, welche mir meine Ma- terialien darboten, ſo haͤtte ich ein Werk ſchreiben muͤſſen, zu deſſen Beendigung meine Lebenszeit nicht hingereicht haben wuͤrde. Dennoch mußte ich wegen der vielen Wider- ſpruͤche und Abweichungen meiner ſchriftlichen Quel- len haͤufig, Erkundigungen bei Juden einziehen, und wenn es nur Zeit und Verhaͤltniße irgend ge- ſtatteten, den juͤdiſchen Goͤttesverehrungen beiwoh- nen. Jn der Schweitz, wo außer den Aargaui- ſchen Doͤrfern Lengnau und Endingen, bloß weiße Juden geduldet werden, war ich freilich in zwei- felhaften Faͤllen mehr meinen eigenen Urtheilen uͤber- laſſen; indeſſen hoffe ich, daß man nicht leicht et- was Wichtiges oder irgend etwas, das allgemein uͤblich iſt, in dieſer Judenſchule vermiſſen werde. Kein Religionseifer, kein Haß und Unwille gegen die Jſraeliten als Andersglaubende hat mir die Feder geleitet. Jch weiß es ſehr wohl, daß Abrahams heiliger Saame weder durch Spott, noch durch Gruͤnde zur Vernunft gebracht werden kann. Die Juden und manche Staats-und Kirchen- maͤnner unter uns Chriſten gleichen den alten Raub- und Nitterburgen der Schweitz; alle Veraͤnderun- gen in der geiſtigen, ſittlichen und koͤrperlichen Welt gehen wirkungslos an ihnen voruͤber, bis ſie end- lich durch ein furchtbares Erdbeben von unten auf erſchuͤttert und verſchlungen werden. Kirchliche Formen ſind gleichguͤltig; ſind nichts,

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Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/443>, abgerufen am 23.11.2024.