Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.Verbindlichkeit, dann ist er ein vollkommen Gerech- ter (Tzaddick). Blos die Männer sind schuldig, die Gebote, welche ein Thun auflegen, zu halten; die Weiber sind nur zur Beobachtung eines gerin- gen Theils derselben und der Verbote verbunden. Diese Nachsicht gegen das weibliche Geschlecht ist keineswegs Folge jüdischer Galanterie, sondern der Verhältnisse selbst. Zur Erfüllung mancher Gebote sind die Weiber entweder natürlich oder gesetzlich unfähig, z. B. zur Beschneidung, zu priesterlichen und kirchlichen Aemtern u. s. w. Die Erfüllung vieler andern Gebote erfodert bestimmte Zeiten, wel- che die Frauen wegen ihrer häuslichen und -- ehe- lichen Geschäfte nicht abwarten können. Nach ge- nauer Berechnung sollen sie überhaupt nur zur Hal- tung von vier und sechzig Verboten und sechs und dreißig Geboten verpflichtet seyn. Jmmer noch zu viel werden meine schönen Leserinnen sagen. Sie müssen aber bedenken, daß man auf jeden Tag zu nicht mehr, als zur Beobachtung eines einzigen Gebots und eines einzigen Verbots verpflichtet ist; daß man also Alles, was in den übrigen Geboten befohlen ist, unterlassen, und so auch Alles, was in den andern Verboten untersagt ist, thun darf, und doch eine fromme Jüdin bleiben kann; z. B. an dem Tage, wo ich kein Schweinefleisch esse; darf ich ehebrechen, after- reden, falsch schwören, stehlen, betrügen etc.; und am Sabbath, wo ich den Feiertag heilige, brauche ich Verbindlichkeit, dann iſt er ein vollkommen Gerech- ter (Tzaddick). Blos die Maͤnner ſind ſchuldig, die Gebote, welche ein Thun auflegen, zu halten; die Weiber ſind nur zur Beobachtung eines gerin- gen Theils derſelben und der Verbote verbunden. Dieſe Nachſicht gegen das weibliche Geſchlecht iſt keineswegs Folge juͤdiſcher Galanterie, ſondern der Verhaͤltniſſe ſelbſt. Zur Erfuͤllung mancher Gebote ſind die Weiber entweder natuͤrlich oder geſetzlich unfaͤhig, z. B. zur Beſchneidung, zu prieſterlichen und kirchlichen Aemtern u. ſ. w. Die Erfuͤllung vieler andern Gebote erfodert beſtimmte Zeiten, wel- che die Frauen wegen ihrer haͤuslichen und — ehe- lichen Geſchaͤfte nicht abwarten koͤnnen. Nach ge- nauer Berechnung ſollen ſie uͤberhaupt nur zur Hal- tung von vier und ſechzig Verboten und ſechs und dreißig Geboten verpflichtet ſeyn. Jmmer noch zu viel werden meine ſchoͤnen Leſerinnen ſagen. Sie muͤſſen aber bedenken, daß man auf jeden Tag zu nicht mehr, als zur Beobachtung eines einzigen Gebots und eines einzigen Verbots verpflichtet iſt; daß man alſo Alles, was in den uͤbrigen Geboten befohlen iſt, unterlaſſen, und ſo auch Alles, was in den andern Verboten unterſagt iſt, thun darf, und doch eine fromme Juͤdin bleiben kann; z. B. an dem Tage, wo ich kein Schweinefleiſch eſſe; darf ich ehebrechen, after- reden, falſch ſchwoͤren, ſtehlen, betruͤgen ꝛc.; und am Sabbath, wo ich den Feiertag heilige, brauche ich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0011" n="11"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> Verbindlichkeit, dann iſt er ein vollkommen Gerech-<lb/> ter (Tzaddick). Blos die Maͤnner ſind ſchuldig, die<lb/> Gebote, welche ein Thun auflegen, zu halten;<lb/> die Weiber ſind nur zur Beobachtung eines gerin-<lb/> gen Theils derſelben und der Verbote verbunden.<lb/> Dieſe Nachſicht gegen das weibliche Geſchlecht iſt<lb/> keineswegs Folge juͤdiſcher Galanterie, ſondern der<lb/> Verhaͤltniſſe ſelbſt. Zur Erfuͤllung mancher Gebote<lb/> ſind die Weiber entweder natuͤrlich oder geſetzlich<lb/> unfaͤhig, z. B. zur Beſchneidung, zu prieſterlichen<lb/> und kirchlichen Aemtern u. ſ. w. Die Erfuͤllung<lb/> vieler andern Gebote erfodert beſtimmte Zeiten, wel-<lb/> che die Frauen wegen ihrer haͤuslichen und — ehe-<lb/> lichen Geſchaͤfte nicht abwarten koͤnnen. Nach ge-<lb/> nauer Berechnung ſollen ſie uͤberhaupt nur zur Hal-<lb/> tung von vier und ſechzig Verboten und ſechs und<lb/> dreißig Geboten verpflichtet ſeyn. Jmmer noch zu<lb/> viel werden meine ſchoͤnen Leſerinnen ſagen. Sie<lb/> muͤſſen aber bedenken, daß man auf jeden Tag zu<lb/> nicht mehr, als zur Beobachtung eines einzigen Gebots<lb/> und eines einzigen Verbots verpflichtet iſt; daß man<lb/> alſo Alles, was in den uͤbrigen Geboten befohlen iſt,<lb/> unterlaſſen, und ſo auch Alles, was in den andern<lb/> Verboten unterſagt iſt, thun darf, und doch eine<lb/> fromme Juͤdin bleiben kann; z. B. an dem Tage, wo<lb/> ich kein Schweinefleiſch eſſe; darf ich ehebrechen, after-<lb/> reden, falſch ſchwoͤren, ſtehlen, betruͤgen ꝛc.; und am<lb/> Sabbath, wo ich den Feiertag heilige, brauche ich<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [11/0011]
Verbindlichkeit, dann iſt er ein vollkommen Gerech-
ter (Tzaddick). Blos die Maͤnner ſind ſchuldig, die
Gebote, welche ein Thun auflegen, zu halten;
die Weiber ſind nur zur Beobachtung eines gerin-
gen Theils derſelben und der Verbote verbunden.
Dieſe Nachſicht gegen das weibliche Geſchlecht iſt
keineswegs Folge juͤdiſcher Galanterie, ſondern der
Verhaͤltniſſe ſelbſt. Zur Erfuͤllung mancher Gebote
ſind die Weiber entweder natuͤrlich oder geſetzlich
unfaͤhig, z. B. zur Beſchneidung, zu prieſterlichen
und kirchlichen Aemtern u. ſ. w. Die Erfuͤllung
vieler andern Gebote erfodert beſtimmte Zeiten, wel-
che die Frauen wegen ihrer haͤuslichen und — ehe-
lichen Geſchaͤfte nicht abwarten koͤnnen. Nach ge-
nauer Berechnung ſollen ſie uͤberhaupt nur zur Hal-
tung von vier und ſechzig Verboten und ſechs und
dreißig Geboten verpflichtet ſeyn. Jmmer noch zu
viel werden meine ſchoͤnen Leſerinnen ſagen. Sie
muͤſſen aber bedenken, daß man auf jeden Tag zu
nicht mehr, als zur Beobachtung eines einzigen Gebots
und eines einzigen Verbots verpflichtet iſt; daß man
alſo Alles, was in den uͤbrigen Geboten befohlen iſt,
unterlaſſen, und ſo auch Alles, was in den andern
Verboten unterſagt iſt, thun darf, und doch eine
fromme Juͤdin bleiben kann; z. B. an dem Tage, wo
ich kein Schweinefleiſch eſſe; darf ich ehebrechen, after-
reden, falſch ſchwoͤren, ſtehlen, betruͤgen ꝛc.; und am
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