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Humboldt, Alexander von: Skizze einer Geologischen Schilderung des südlichen Amerika. In: Allgemeine Geographische Ephemeriden. Bd. 9 (1802) St. 5, S. 389-420.

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Abhandlungen.
fließt. Beym Orinoco fand ich von der Einmün-
dung des Guaviare bis zu der Apure in einer Di-
stanz von 70 Meilen 151 Toisen Abfall; aber von
der Hauptstadt an bis zum Meere nicht mehr als 8
Toisen. La Condamine hat beym Amazonenfluß
genau dasselbe beobachtet, von der Enge von Pau-
xis
bis Para, wo er 240 Meilen durchläuft, senkte
er sich um nichts mehr als 14 Toisen. Vielleicht lag
an der Nordseite der Küstencordillere von Venezuela
ein Llano, der um so viel niedriger war, als der
Llano des Orinoco, als der Llano des Rio Negro
höher ist, als der Orinoco-Llano; vielleicht blieb
aus diesem Grund jener Llano vom Wasser des
Meerbusens bedeckt.

Die beiden Llanos, die an den entgegengesetz-
ten Enden von Süd-Amerika liegen, unterscheiden
sich sehr auffallend von dem zwischen ihnen in der
Mitte liegenden Llano, oder dem Thal des Amazo-
ne
. Dieser ist von so undurchdringlichen Wäldern
bedeckt, daß sich blos Flüsse einen Weg hindurch
bahnen können, und daß fast keine andern Thiere
da leben können, als die sich auf Bäumen aufhal-
ten; der beständige Regen unter dem Aequator be-
günstigt so sehr die Vegetation. Ganz anders ver-
hält sichs mit den Llanos des Orinoco und den Pam-
pas; dies sind Ebenen von Kräutern bedeckt, Sa-
vannen, die nur wenige zerstreute Palmen enthal-
ten. Dieselbe Wärme, eben dieser Mangel an Was-
ser, ähnliche Refraktionserscheinungen (man sieht
die Gegenstände verkehrt in der Luft schweben,)
zeigen sich hier wie in den Wüsten von Africa und
Arabien. Wo giebt es aber so vollkommene Ebe-

nen,

Abhandlungen.
fließt. Beym Orinoco fand ich von der Einmün-
dung des Guaviare bis zu der Apuré in einer Di-
ſtanz von 70 Meilen 151 Toiſen Abfall; aber von
der Hauptſtadt an bis zum Meere nicht mehr als 8
Toiſen. La Condamine hat beym Amazonenfluß
genau daſſelbe beobachtet, von der Enge von Pau-
xis
bis Para, wo er 240 Meilen durchläuft, ſenkte
er ſich um nichts mehr als 14 Toiſen. Vielleicht lag
an der Nordſeite der Küſtencordillere von Venezuela
ein Llano, der um ſo viel niedriger war, als der
Llano des Orinoco, als der Llano des Rio Negro
höher iſt, als der Orinoco-Llano; vielleicht blieb
aus dieſem Grund jener Llano vom Waſſer des
Meerbuſens bedeckt.

Die beiden Llanos, die an den entgegengeſetz-
ten Enden von Süd-Amerika liegen, unterſcheiden
ſich ſehr auffallend von dem zwiſchen ihnen in der
Mitte liegenden Llano, oder dem Thal des Amazo-
ne
. Dieſer iſt von ſo undurchdringlichen Wäldern
bedeckt, daß ſich blos Flüſſe einen Weg hindurch
bahnen können, und daß faſt keine andern Thiere
da leben können, als die ſich auf Bäumen aufhal-
ten; der beſtändige Regen unter dem Aequator be-
günſtigt ſo ſehr die Vegetation. Ganz anders ver-
hält ſichs mit den Llanos des Orinoco und den Pam-
pas; dies ſind Ebenen von Kräutern bedeckt, Sa-
vannen, die nur wenige zerſtreute Palmen enthal-
ten. Dieſelbe Wärme, eben dieſer Mangel an Waſ-
ſer, ähnliche Refraktionserſcheinungen (man ſieht
die Gegenſtände verkehrt in der Luft ſchweben,)
zeigen ſich hier wie in den Wüſten von Africa und
Arabien. Wo giebt es aber ſo vollkommene Ebe-

nen,
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[395/0007] Abhandlungen. fließt. Beym Orinoco fand ich von der Einmün- dung des Guaviare bis zu der Apuré in einer Di- ſtanz von 70 Meilen 151 Toiſen Abfall; aber von der Hauptſtadt an bis zum Meere nicht mehr als 8 Toiſen. La Condamine hat beym Amazonenfluß genau daſſelbe beobachtet, von der Enge von Pau- xis bis Para, wo er 240 Meilen durchläuft, ſenkte er ſich um nichts mehr als 14 Toiſen. Vielleicht lag an der Nordſeite der Küſtencordillere von Venezuela ein Llano, der um ſo viel niedriger war, als der Llano des Orinoco, als der Llano des Rio Negro höher iſt, als der Orinoco-Llano; vielleicht blieb aus dieſem Grund jener Llano vom Waſſer des Meerbuſens bedeckt. Die beiden Llanos, die an den entgegengeſetz- ten Enden von Süd-Amerika liegen, unterſcheiden ſich ſehr auffallend von dem zwiſchen ihnen in der Mitte liegenden Llano, oder dem Thal des Amazo- ne. Dieſer iſt von ſo undurchdringlichen Wäldern bedeckt, daß ſich blos Flüſſe einen Weg hindurch bahnen können, und daß faſt keine andern Thiere da leben können, als die ſich auf Bäumen aufhal- ten; der beſtändige Regen unter dem Aequator be- günſtigt ſo ſehr die Vegetation. Ganz anders ver- hält ſichs mit den Llanos des Orinoco und den Pam- pas; dies ſind Ebenen von Kräutern bedeckt, Sa- vannen, die nur wenige zerſtreute Palmen enthal- ten. Dieſelbe Wärme, eben dieſer Mangel an Waſ- ſer, ähnliche Refraktionserſcheinungen (man ſieht die Gegenſtände verkehrt in der Luft ſchweben,) zeigen ſich hier wie in den Wüſten von Africa und Arabien. Wo giebt es aber ſo vollkommene Ebe- nen,

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Skizze einer Geologischen Schilderung des südlichen Amerika. In: Allgemeine Geographische Ephemeriden. Bd. 9 (1802) St. 5, S. 389-420, hier S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_skizze02_1802/7>, abgerufen am 29.03.2024.