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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

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Labillardiere, Barrow eingeschlagen, und überhaupt alle Rei-
senden, die sich nur kurze Zeit in Tenerifa aufhalten konnten.
Wenn man den Pik besteigt, ist es gerade, wie wenn man
das Chamounithal oder den Aetna besucht: man muß seinen
Führern nachgehen und man bekommt nur zu sehen, was schon
andere Reisende gesehen und beschrieben haben.

Der Kontrast zwischen der Vegetation in diesem Striche
von Tenerifa und der in der Umgegend von Santa Cruz
überraschte uns angenehm. Beim kühlen, feuchten Klima war
der Boden mit schönem Grün bedeckt, während auf dem Wege
von Santa Cruz nach Laguna die Pflanzen nichts als Hülsen
hatten, aus denen bereits der Samen gefallen war. Beim
Hafen von Orotava wird der kräftige Pflanzenwuchs den
geologischen Beobachtungen hinderlich. Wir kamen an zwei
kleinen glockenförmigen Hügeln vorüber. Beobachtungen am
Vesuv und in der Auvergne weisen darauf hin, daß dergleichen
runde Erhöhungen von Seitenausbrüchen des großen Vulkanes
herrühren. Der Hügel Montanita de la Villa scheint wirk-
lich einmal Lava ausgeworfen zu haben; nach den Ueber-
lieferungen der Guanchen fand dieser Ausbruch im Jahre 1430
statt. Der Oberst Franqui versicherte Borda, man sehe noch
deutlich, wo die geschmolzenen Stoffe hervorgequollen, und
die Asche, die den Boden ringsum bedecke, sei noch nicht
fruchtbar. 1 Ueberall, wo das Gestein zu Tage ausgeht, fan-
den wir basaltartigen Mandelstein (Werner) und Bimsstein-
konglomerat, in dem Rapilli oder Bruchstücke von Bimsstein
eingeschlossen sind. Letztere Formation hat Aehnlichkeit mit
dem Tuff von Pausilipp und mit den Puzzolanschichten, die
ich im Thale von Quito, am Fuße des Vulkanes Pichincha,
gefunden habe. Der Mandelstein hat langgezogene Poren,
wie die oberen Lavaschichten des Vesuv. Es scheint dies darauf

1 Ich entnehme diese Notiz einer interessanten Handschrift, die
jetzt in Paris im Depot des cartes de la Marine aufbewahrt wird.
Sie führt den Titel: Resume des operations de la campagne
de la Boussole (1776), pour determiner les positions geogra-
phiques des cotes d'Espagne et de Portugal sur l'Ocean, d'une
partie des cotes occidentales de l'Afrique et des eiles Canaries,
par le chevalier de Borda.
Es ist dies die Handschrift, von der
de Fleurieu in seinen Noten zu Marchands Reise spricht und die
mir Borda zum Teil schon vor meiner Abreise mitgeteilt hatte. Ich
habe wichtige, noch nicht veröffentlichte Beobachtungen daraus aus-
gezogen.

Labillardière, Barrow eingeſchlagen, und überhaupt alle Rei-
ſenden, die ſich nur kurze Zeit in Tenerifa aufhalten konnten.
Wenn man den Pik beſteigt, iſt es gerade, wie wenn man
das Chamounithal oder den Aetna beſucht: man muß ſeinen
Führern nachgehen und man bekommt nur zu ſehen, was ſchon
andere Reiſende geſehen und beſchrieben haben.

Der Kontraſt zwiſchen der Vegetation in dieſem Striche
von Tenerifa und der in der Umgegend von Santa Cruz
überraſchte uns angenehm. Beim kühlen, feuchten Klima war
der Boden mit ſchönem Grün bedeckt, während auf dem Wege
von Santa Cruz nach Laguna die Pflanzen nichts als Hülſen
hatten, aus denen bereits der Samen gefallen war. Beim
Hafen von Orotava wird der kräftige Pflanzenwuchs den
geologiſchen Beobachtungen hinderlich. Wir kamen an zwei
kleinen glockenförmigen Hügeln vorüber. Beobachtungen am
Veſuv und in der Auvergne weiſen darauf hin, daß dergleichen
runde Erhöhungen von Seitenausbrüchen des großen Vulkanes
herrühren. Der Hügel Montanita de la Villa ſcheint wirk-
lich einmal Lava ausgeworfen zu haben; nach den Ueber-
lieferungen der Guanchen fand dieſer Ausbruch im Jahre 1430
ſtatt. Der Oberſt Franqui verſicherte Borda, man ſehe noch
deutlich, wo die geſchmolzenen Stoffe hervorgequollen, und
die Aſche, die den Boden ringsum bedecke, ſei noch nicht
fruchtbar. 1 Ueberall, wo das Geſtein zu Tage ausgeht, fan-
den wir baſaltartigen Mandelſtein (Werner) und Bimsſtein-
konglomerat, in dem Rapilli oder Bruchſtücke von Bimsſtein
eingeſchloſſen ſind. Letztere Formation hat Aehnlichkeit mit
dem Tuff von Pauſilipp und mit den Puzzolanſchichten, die
ich im Thale von Quito, am Fuße des Vulkanes Pichincha,
gefunden habe. Der Mandelſtein hat langgezogene Poren,
wie die oberen Lavaſchichten des Veſuv. Es ſcheint dies darauf

1 Ich entnehme dieſe Notiz einer intereſſanten Handſchrift, die
jetzt in Paris im Dépôt des cartes de la Marine aufbewahrt wird.
Sie führt den Titel: Résumé des opérations de la campagne
de la Boussole (1776), pour déterminer les positions géogra-
phiques des côtes d’Espagne et de Portugal sur l’Océan, d’une
partie des côtes occidentales de l’Afrique et des îles Canaries,
par le chevalier de Borda.
Es iſt dies die Handſchrift, von der
de Fleurieu in ſeinen Noten zu Marchands Reiſe ſpricht und die
mir Borda zum Teil ſchon vor meiner Abreiſe mitgeteilt hatte. Ich
habe wichtige, noch nicht veröffentlichte Beobachtungen daraus aus-
gezogen.
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[72/0088] Labillardière, Barrow eingeſchlagen, und überhaupt alle Rei- ſenden, die ſich nur kurze Zeit in Tenerifa aufhalten konnten. Wenn man den Pik beſteigt, iſt es gerade, wie wenn man das Chamounithal oder den Aetna beſucht: man muß ſeinen Führern nachgehen und man bekommt nur zu ſehen, was ſchon andere Reiſende geſehen und beſchrieben haben. Der Kontraſt zwiſchen der Vegetation in dieſem Striche von Tenerifa und der in der Umgegend von Santa Cruz überraſchte uns angenehm. Beim kühlen, feuchten Klima war der Boden mit ſchönem Grün bedeckt, während auf dem Wege von Santa Cruz nach Laguna die Pflanzen nichts als Hülſen hatten, aus denen bereits der Samen gefallen war. Beim Hafen von Orotava wird der kräftige Pflanzenwuchs den geologiſchen Beobachtungen hinderlich. Wir kamen an zwei kleinen glockenförmigen Hügeln vorüber. Beobachtungen am Veſuv und in der Auvergne weiſen darauf hin, daß dergleichen runde Erhöhungen von Seitenausbrüchen des großen Vulkanes herrühren. Der Hügel Montanita de la Villa ſcheint wirk- lich einmal Lava ausgeworfen zu haben; nach den Ueber- lieferungen der Guanchen fand dieſer Ausbruch im Jahre 1430 ſtatt. Der Oberſt Franqui verſicherte Borda, man ſehe noch deutlich, wo die geſchmolzenen Stoffe hervorgequollen, und die Aſche, die den Boden ringsum bedecke, ſei noch nicht fruchtbar. 1 Ueberall, wo das Geſtein zu Tage ausgeht, fan- den wir baſaltartigen Mandelſtein (Werner) und Bimsſtein- konglomerat, in dem Rapilli oder Bruchſtücke von Bimsſtein eingeſchloſſen ſind. Letztere Formation hat Aehnlichkeit mit dem Tuff von Pauſilipp und mit den Puzzolanſchichten, die ich im Thale von Quito, am Fuße des Vulkanes Pichincha, gefunden habe. Der Mandelſtein hat langgezogene Poren, wie die oberen Lavaſchichten des Veſuv. Es ſcheint dies darauf 1 Ich entnehme dieſe Notiz einer intereſſanten Handſchrift, die jetzt in Paris im Dépôt des cartes de la Marine aufbewahrt wird. Sie führt den Titel: Résumé des opérations de la campagne de la Boussole (1776), pour déterminer les positions géogra- phiques des côtes d’Espagne et de Portugal sur l’Océan, d’une partie des côtes occidentales de l’Afrique et des îles Canaries, par le chevalier de Borda. Es iſt dies die Handſchrift, von der de Fleurieu in ſeinen Noten zu Marchands Reiſe ſpricht und die mir Borda zum Teil ſchon vor meiner Abreiſe mitgeteilt hatte. Ich habe wichtige, noch nicht veröffentlichte Beobachtungen daraus aus- gezogen.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/88>, abgerufen am 25.04.2024.