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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

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um der Kühle zu genießen, und das berühmte 10 m hohe
Denkmal aus karrarischem Marmor, geweiht unserer lieben
Frau von Candelaria, zum Gedächtnis ihrer wunderbaren Er-
scheinung zu Chimisay bei Guimar im Jahre 1392. Der
Hafen von Santa Cruz ist eigentlich ein großes Karawanserai
auf dem Wege nach Amerika und Indien. Fast alle Reise-
beschreibungen beginnen mit einer Beschreibung von Madeira
und Tenerifa, und wenn die Naturgeschichte dieser Inseln der
Forschung noch ein ungeheures Feld bietet, so läßt dagegen
die Topographie der kleinen Städte Funchal, Santa Cruz,
Laguna und Orotava fast nichts zu wünschen übrig.

Die Empfehlungen des Madrider Hofes verschafften uns
auf den Kanarien, wie in allen anderen spanischen Besitzungen,
die befriedigendste Aufnahme. Vor allem erteilte uns der
Generalkapitän die Erlaubnis, die Insel zu bereisen. Der
Oberst Armiaga, Befehlshaber eines Infanterieregiments, nahm
uns in seinem Hause auf und überhäufte uns mit Höflichkeit.
Wir wurden nicht müde, in seinem Garten im Freien ge-
zogene Gewächse zu bewundern, die wir bis jetzt nur in Treib-
häusern gesehen hatten, den Bananenbaum, den Melonenbaum,
die Poinciana pulcherrima und andere. Das Klima der
Kanarien ist indessen nicht warm genug, um den echten
Platano arton mit dreieckiger, 186 bis 212 mm langer Frucht,
der eine mittlere Temperatur von etwa 24° verlangt und
selbst nicht im Thale von Caracas fortkommt, reif werden zu
lassen. Die Bananen auf Tenerifa sind die, welche die spa-
nischen Kolonisten Camburis oder Guineos und Domi-
nicos
nennen. Der Camburi, der am wenigsten vom Frost
leidet, wird sogar in Malaga mit Erfolg gebaut; 1 aber die
Früchte, die man zuweilen zu Cadiz sieht, kommen von den
Kanarien auf Schiffen, welche die Ueberfahrt in drei, vier
Tagen machen. Die Musa, die allen Völkern der heißen
Zone bekannt ist, und die man bis jetzt nirgends wild ge-
funden hat, variiert meist in ihren Früchten, wie unsere Apfel-
und Birnenbäume. Diese Varietäten, welche die meisten Bo-
taniker verwechseln, obgleich sie sehr verschiedene Klimate
verlangen, sind durch lange Kultur konstant geworden.

Am Abend machten wir eine botanische Exkursion nach
dem Fort Paso Alto längs der Basaltfelsen, welche das Vor-
gebirge Naga bilden. Wir waren mit unserer Ausbeute sehr

1 Die mittlere Temperatur dieser Stadt beträgt nur 18°.

um der Kühle zu genießen, und das berühmte 10 m hohe
Denkmal aus karrariſchem Marmor, geweiht unſerer lieben
Frau von Candelaria, zum Gedächtnis ihrer wunderbaren Er-
ſcheinung zu Chimiſay bei Guimar im Jahre 1392. Der
Hafen von Santa Cruz iſt eigentlich ein großes Karawanſerai
auf dem Wege nach Amerika und Indien. Faſt alle Reiſe-
beſchreibungen beginnen mit einer Beſchreibung von Madeira
und Tenerifa, und wenn die Naturgeſchichte dieſer Inſeln der
Forſchung noch ein ungeheures Feld bietet, ſo läßt dagegen
die Topographie der kleinen Städte Funchal, Santa Cruz,
Laguna und Orotava faſt nichts zu wünſchen übrig.

Die Empfehlungen des Madrider Hofes verſchafften uns
auf den Kanarien, wie in allen anderen ſpaniſchen Beſitzungen,
die befriedigendſte Aufnahme. Vor allem erteilte uns der
Generalkapitän die Erlaubnis, die Inſel zu bereiſen. Der
Oberſt Armiaga, Befehlshaber eines Infanterieregiments, nahm
uns in ſeinem Hauſe auf und überhäufte uns mit Höflichkeit.
Wir wurden nicht müde, in ſeinem Garten im Freien ge-
zogene Gewächſe zu bewundern, die wir bis jetzt nur in Treib-
häuſern geſehen hatten, den Bananenbaum, den Melonenbaum,
die Poinciana pulcherrima und andere. Das Klima der
Kanarien iſt indeſſen nicht warm genug, um den echten
Platano arton mit dreieckiger, 186 bis 212 mm langer Frucht,
der eine mittlere Temperatur von etwa 24° verlangt und
ſelbſt nicht im Thale von Caracas fortkommt, reif werden zu
laſſen. Die Bananen auf Tenerifa ſind die, welche die ſpa-
niſchen Koloniſten Camburis oder Guineos und Domi-
nicos
nennen. Der Camburi, der am wenigſten vom Froſt
leidet, wird ſogar in Malaga mit Erfolg gebaut; 1 aber die
Früchte, die man zuweilen zu Cadiz ſieht, kommen von den
Kanarien auf Schiffen, welche die Ueberfahrt in drei, vier
Tagen machen. Die Muſa, die allen Völkern der heißen
Zone bekannt iſt, und die man bis jetzt nirgends wild ge-
funden hat, variiert meiſt in ihren Früchten, wie unſere Apfel-
und Birnenbäume. Dieſe Varietäten, welche die meiſten Bo-
taniker verwechſeln, obgleich ſie ſehr verſchiedene Klimate
verlangen, ſind durch lange Kultur konſtant geworden.

Am Abend machten wir eine botaniſche Exkurſion nach
dem Fort Paſo Alto längs der Baſaltfelſen, welche das Vor-
gebirge Naga bilden. Wir waren mit unſerer Ausbeute ſehr

1 Die mittlere Temperatur dieſer Stadt beträgt nur 18°.
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[60/0076] um der Kühle zu genießen, und das berühmte 10 m hohe Denkmal aus karrariſchem Marmor, geweiht unſerer lieben Frau von Candelaria, zum Gedächtnis ihrer wunderbaren Er- ſcheinung zu Chimiſay bei Guimar im Jahre 1392. Der Hafen von Santa Cruz iſt eigentlich ein großes Karawanſerai auf dem Wege nach Amerika und Indien. Faſt alle Reiſe- beſchreibungen beginnen mit einer Beſchreibung von Madeira und Tenerifa, und wenn die Naturgeſchichte dieſer Inſeln der Forſchung noch ein ungeheures Feld bietet, ſo läßt dagegen die Topographie der kleinen Städte Funchal, Santa Cruz, Laguna und Orotava faſt nichts zu wünſchen übrig. Die Empfehlungen des Madrider Hofes verſchafften uns auf den Kanarien, wie in allen anderen ſpaniſchen Beſitzungen, die befriedigendſte Aufnahme. Vor allem erteilte uns der Generalkapitän die Erlaubnis, die Inſel zu bereiſen. Der Oberſt Armiaga, Befehlshaber eines Infanterieregiments, nahm uns in ſeinem Hauſe auf und überhäufte uns mit Höflichkeit. Wir wurden nicht müde, in ſeinem Garten im Freien ge- zogene Gewächſe zu bewundern, die wir bis jetzt nur in Treib- häuſern geſehen hatten, den Bananenbaum, den Melonenbaum, die Poinciana pulcherrima und andere. Das Klima der Kanarien iſt indeſſen nicht warm genug, um den echten Platano arton mit dreieckiger, 186 bis 212 mm langer Frucht, der eine mittlere Temperatur von etwa 24° verlangt und ſelbſt nicht im Thale von Caracas fortkommt, reif werden zu laſſen. Die Bananen auf Tenerifa ſind die, welche die ſpa- niſchen Koloniſten Camburis oder Guineos und Domi- nicos nennen. Der Camburi, der am wenigſten vom Froſt leidet, wird ſogar in Malaga mit Erfolg gebaut; 1 aber die Früchte, die man zuweilen zu Cadiz ſieht, kommen von den Kanarien auf Schiffen, welche die Ueberfahrt in drei, vier Tagen machen. Die Muſa, die allen Völkern der heißen Zone bekannt iſt, und die man bis jetzt nirgends wild ge- funden hat, variiert meiſt in ihren Früchten, wie unſere Apfel- und Birnenbäume. Dieſe Varietäten, welche die meiſten Bo- taniker verwechſeln, obgleich ſie ſehr verſchiedene Klimate verlangen, ſind durch lange Kultur konſtant geworden. Am Abend machten wir eine botaniſche Exkurſion nach dem Fort Paſo Alto längs der Baſaltfelſen, welche das Vor- gebirge Naga bilden. Wir waren mit unſerer Ausbeute ſehr 1 Die mittlere Temperatur dieſer Stadt beträgt nur 18°.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/76>, abgerufen am 29.03.2024.