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Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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stiegen war, an sich gehalten: wie sehr ihm das Wort, das er sagen wollte, auf der Zunge brannte, er mochte nicht reden, so lange er nicht wußte, wer der Jemand sei, der da still in der Ecke saß. Aber nun bei einer Wendung des Weges leuchtete der volle Mondschein in den Wagen herein und leuchtete jedes Bedenken des Burschen hinweg. Denn der da saß, war nur Maso Nencioni von Valtella, der Sohn eines Colonen des Signor Baldo, ein achtzehn-, höchstens zwanzigjähriger Junge, dessen Milchgesicht einem langen Recken wie Agenore Lori keine Scheu einflößen konnte.

So sag mir also, fing Agenore an, in einem Tone, wie wenn es sich um die Fortsetzung eines begonnenen Gesprächs handelte, sag, Gigina mia, wann werden wir Hochzeit halten?

Das Mädchen antwortete nicht; als hätte es die Frage überhört, so fuhr es fort, durch das Fenster hinauszuschauen auf die Straße. Er schien ihr merkwürdig zu dünken, der ochsenbespannte Karren, an welchem der Wagen eben vorüberfuhr, nachdem der im Karren auf dem platten Leib daliegende Lenker sich endlich bequemt hatte, aufzuwachen, die Zügel zu nehmen und dem ungeduldig mit der Peitsche knallenden Giannino auszuweichen.

Als Agenore sah, daß er keine Antwort erhielt, fühlte er das Bedürfniß dem Mädchen näher zu rücken, und da es in dem engen Kasten überhaupt nicht möglich war, weit von einander ab zu sitzen, so rückte er sehr nahe.

stiegen war, an sich gehalten: wie sehr ihm das Wort, das er sagen wollte, auf der Zunge brannte, er mochte nicht reden, so lange er nicht wußte, wer der Jemand sei, der da still in der Ecke saß. Aber nun bei einer Wendung des Weges leuchtete der volle Mondschein in den Wagen herein und leuchtete jedes Bedenken des Burschen hinweg. Denn der da saß, war nur Maso Nencioni von Valtella, der Sohn eines Colonen des Signor Baldo, ein achtzehn-, höchstens zwanzigjähriger Junge, dessen Milchgesicht einem langen Recken wie Agenore Lori keine Scheu einflößen konnte.

So sag mir also, fing Agenore an, in einem Tone, wie wenn es sich um die Fortsetzung eines begonnenen Gesprächs handelte, sag, Gigina mia, wann werden wir Hochzeit halten?

Das Mädchen antwortete nicht; als hätte es die Frage überhört, so fuhr es fort, durch das Fenster hinauszuschauen auf die Straße. Er schien ihr merkwürdig zu dünken, der ochsenbespannte Karren, an welchem der Wagen eben vorüberfuhr, nachdem der im Karren auf dem platten Leib daliegende Lenker sich endlich bequemt hatte, aufzuwachen, die Zügel zu nehmen und dem ungeduldig mit der Peitsche knallenden Giannino auszuweichen.

Als Agenore sah, daß er keine Antwort erhielt, fühlte er das Bedürfniß dem Mädchen näher zu rücken, und da es in dem engen Kasten überhaupt nicht möglich war, weit von einander ab zu sitzen, so rückte er sehr nahe.

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[0011] stiegen war, an sich gehalten: wie sehr ihm das Wort, das er sagen wollte, auf der Zunge brannte, er mochte nicht reden, so lange er nicht wußte, wer der Jemand sei, der da still in der Ecke saß. Aber nun bei einer Wendung des Weges leuchtete der volle Mondschein in den Wagen herein und leuchtete jedes Bedenken des Burschen hinweg. Denn der da saß, war nur Maso Nencioni von Valtella, der Sohn eines Colonen des Signor Baldo, ein achtzehn-, höchstens zwanzigjähriger Junge, dessen Milchgesicht einem langen Recken wie Agenore Lori keine Scheu einflößen konnte. So sag mir also, fing Agenore an, in einem Tone, wie wenn es sich um die Fortsetzung eines begonnenen Gesprächs handelte, sag, Gigina mia, wann werden wir Hochzeit halten? Das Mädchen antwortete nicht; als hätte es die Frage überhört, so fuhr es fort, durch das Fenster hinauszuschauen auf die Straße. Er schien ihr merkwürdig zu dünken, der ochsenbespannte Karren, an welchem der Wagen eben vorüberfuhr, nachdem der im Karren auf dem platten Leib daliegende Lenker sich endlich bequemt hatte, aufzuwachen, die Zügel zu nehmen und dem ungeduldig mit der Peitsche knallenden Giannino auszuweichen. Als Agenore sah, daß er keine Antwort erhielt, fühlte er das Bedürfniß dem Mädchen näher zu rücken, und da es in dem engen Kasten überhaupt nicht möglich war, weit von einander ab zu sitzen, so rückte er sehr nahe.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:13:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:13:28Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/horner_saeugling_1910/11>, abgerufen am 29.03.2024.