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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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Mutter aus der Kinderstube in ein Kämmerchen,
das auf dem Corridor unfern von meines Vaters
Zimmer lag. Noch immer mußten wir uns,
wenn auf den Schlag Neun Uhr sich jener Unbe¬
kannte im Hause hören ließ, schnell entfernen.
In meinem Kämmerchen vernahm ich, wie er
bei dem Vater hineintrat und bald darauf war
es mir dann, als verbreite sich im Hause ein fei¬
ner seltsam riechender Dampf. Immer höher mit
der Neugierde wuchs der Muth, auf irgend eine
Weise des Sandmanns Bekanntschaft zu machen.
Oft schlich ich schnell aus dem Kämmerchen auf
den Corridor, wenn die Mutter vorübergegangen,
aber nichts konnte ich erlauschen, denn immer
war der Sandmann schon zur Thüre hinein,
wenn ich den Platz erreicht hatte, wo er mir
sichtbar werden mußte. Endlich von unwidersteh¬
lichem Drange getrieben, beschloß ich, im Zimmer
des Vaters selbst mich zu verbergen und den
Sandmann zu erwarten.

An des Vaters Schweigen, an der Mutter
Traurigkeit merkte ich eines Abends, daß der

Mutter aus der Kinderſtube in ein Kaͤmmerchen,
das auf dem Corridor unfern von meines Vaters
Zimmer lag. Noch immer mußten wir uns,
wenn auf den Schlag Neun Uhr ſich jener Unbe¬
kannte im Hauſe hoͤren ließ, ſchnell entfernen.
In meinem Kaͤmmerchen vernahm ich, wie er
bei dem Vater hineintrat und bald darauf war
es mir dann, als verbreite ſich im Hauſe ein fei¬
ner ſeltſam riechender Dampf. Immer hoͤher mit
der Neugierde wuchs der Muth, auf irgend eine
Weiſe des Sandmanns Bekanntſchaft zu machen.
Oft ſchlich ich ſchnell aus dem Kaͤmmerchen auf
den Corridor, wenn die Mutter voruͤbergegangen,
aber nichts konnte ich erlauſchen, denn immer
war der Sandmann ſchon zur Thuͤre hinein,
wenn ich den Platz erreicht hatte, wo er mir
ſichtbar werden mußte. Endlich von unwiderſteh¬
lichem Drange getrieben, beſchloß ich, im Zimmer
des Vaters ſelbſt mich zu verbergen und den
Sandmann zu erwarten.

An des Vaters Schweigen, an der Mutter
Traurigkeit merkte ich eines Abends, daß der

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[8/0016] Mutter aus der Kinderſtube in ein Kaͤmmerchen, das auf dem Corridor unfern von meines Vaters Zimmer lag. Noch immer mußten wir uns, wenn auf den Schlag Neun Uhr ſich jener Unbe¬ kannte im Hauſe hoͤren ließ, ſchnell entfernen. In meinem Kaͤmmerchen vernahm ich, wie er bei dem Vater hineintrat und bald darauf war es mir dann, als verbreite ſich im Hauſe ein fei¬ ner ſeltſam riechender Dampf. Immer hoͤher mit der Neugierde wuchs der Muth, auf irgend eine Weiſe des Sandmanns Bekanntſchaft zu machen. Oft ſchlich ich ſchnell aus dem Kaͤmmerchen auf den Corridor, wenn die Mutter voruͤbergegangen, aber nichts konnte ich erlauſchen, denn immer war der Sandmann ſchon zur Thuͤre hinein, wenn ich den Platz erreicht hatte, wo er mir ſichtbar werden mußte. Endlich von unwiderſteh¬ lichem Drange getrieben, beſchloß ich, im Zimmer des Vaters ſelbſt mich zu verbergen und den Sandmann zu erwarten. An des Vaters Schweigen, an der Mutter Traurigkeit merkte ich eines Abends, daß der

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/16>, abgerufen am 24.04.2024.