Und zwar beweget mich erstlich die ganz deutliche und offenbare Bewegbarkeit des von einer mechanischen, oder chimischen Schärfe gereizten Herzens, billig, zu glauben, daß vielmehr eine körperliche reizende Ursache, als eine von der Seele abhängende stete und unaufhörliche Be- wegung (entelechia) den Herzschlag errege. Denn das Herz, wenn es gleich bereits stille stehet, oder man es auch aus dem Leibe geschnitten, und von allem Beistande der Seelen gänzlich entfernet hat, kommt dennoch durch das Be- sprengen mit Salz, oder durch allerhand Reizungen, wiederum in seine vorige Bewegung (c). Hiernächst wird auch in der metaphisischen Erklärung dieses be- rühmten Mannes keine körperliche Ursache angezeiget, warum die Werkzeuge des Lebens, und besonders das Herz, beständig in einer abwechselnden Bewegung sind, und kein anderes Fleisch am belebten Körper es ihnen in diesem Stükke nachthut. Es muß sich also ohne Zwei- fel eine besondere wesentliche Ursache im Herzen befinden, von der die Hurtigkeit zum Schlagen, und die nicht zu ermüdende Beständigkeit desselben herrühret. Denn daß das Herz ganz allein unter allen Muskeln, ohne eine ab- wechselnde Ruhe und Erquikkung, Nacht und Tag, so viele Jahre, und ohne einige Ermattung oder Schmer- zen, zu schlagen fortfährt, da alle übrigen Muskeln, auch nach einer wenige Stunden lang daurenden Bewegung, theils schmerzhafte Empfindungen auszustehen haben, theils auch mit einem unerträglichen Gefühle der Ermü- dung beschweret werden, alles dieses muß man in der That von dem Baue des Herzens, und von keiner vor- züglichen Begünstigung der Seele herleiten.
Ferner will ich nur so viel erinnern, daß die Geschlech- ter derer dem Willen untergebenen Muskeln, ingleichen auch diejenigen, welche unter der Herrschaft des Lebens stehen, von unveränderlicher Bestimmung sind, und daß
bei
(c) Vergleichet TrallesExamen terreor. S. 317.
Urſachen des Herzſchlages.
Und zwar beweget mich erſtlich die ganz deutliche und offenbare Bewegbarkeit des von einer mechaniſchen, oder chimiſchen Schaͤrfe gereizten Herzens, billig, zu glauben, daß vielmehr eine koͤrperliche reizende Urſache, als eine von der Seele abhaͤngende ſtete und unaufhoͤrliche Be- wegung (entelechia) den Herzſchlag errege. Denn das Herz, wenn es gleich bereits ſtille ſtehet, oder man es auch aus dem Leibe geſchnitten, und von allem Beiſtande der Seelen gaͤnzlich entfernet hat, kommt dennoch durch das Be- ſprengen mit Salz, oder durch allerhand Reizungen, wiederum in ſeine vorige Bewegung (c). Hiernaͤchſt wird auch in der metaphiſiſchen Erklaͤrung dieſes be- ruͤhmten Mannes keine koͤrperliche Urſache angezeiget, warum die Werkzeuge des Lebens, und beſonders das Herz, beſtaͤndig in einer abwechſelnden Bewegung ſind, und kein anderes Fleiſch am belebten Koͤrper es ihnen in dieſem Stuͤkke nachthut. Es muß ſich alſo ohne Zwei- fel eine beſondere weſentliche Urſache im Herzen befinden, von der die Hurtigkeit zum Schlagen, und die nicht zu ermuͤdende Beſtaͤndigkeit deſſelben herruͤhret. Denn daß das Herz ganz allein unter allen Muskeln, ohne eine ab- wechſelnde Ruhe und Erquikkung, Nacht und Tag, ſo viele Jahre, und ohne einige Ermattung oder Schmer- zen, zu ſchlagen fortfaͤhrt, da alle uͤbrigen Muskeln, auch nach einer wenige Stunden lang daurenden Bewegung, theils ſchmerzhafte Empfindungen auszuſtehen haben, theils auch mit einem unertraͤglichen Gefuͤhle der Ermuͤ- dung beſchweret werden, alles dieſes muß man in der That von dem Baue des Herzens, und von keiner vor- zuͤglichen Beguͤnſtigung der Seele herleiten.
Ferner will ich nur ſo viel erinnern, daß die Geſchlech- ter derer dem Willen untergebenen Muskeln, ingleichen auch diejenigen, welche unter der Herrſchaft des Lebens ſtehen, von unveraͤnderlicher Beſtimmung ſind, und daß
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(c) Vergleichet TrallesExamen terreor. S. 317.
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Urſachen des Herzſchlages.
Und zwar beweget mich erſtlich die ganz deutliche und
offenbare Bewegbarkeit des von einer mechaniſchen, oder
chimiſchen Schaͤrfe gereizten Herzens, billig, zu glauben,
daß vielmehr eine koͤrperliche reizende Urſache, als eine
von der Seele abhaͤngende ſtete und unaufhoͤrliche Be-
wegung (entelechia) den Herzſchlag errege. Denn das Herz,
wenn es gleich bereits ſtille ſtehet, oder man es auch aus
dem Leibe geſchnitten, und von allem Beiſtande der Seelen
gaͤnzlich entfernet hat, kommt dennoch durch das Be-
ſprengen mit Salz, oder durch allerhand Reizungen,
wiederum in ſeine vorige Bewegung (c). Hiernaͤchſt
wird auch in der metaphiſiſchen Erklaͤrung dieſes be-
ruͤhmten Mannes keine koͤrperliche Urſache angezeiget,
warum die Werkzeuge des Lebens, und beſonders das
Herz, beſtaͤndig in einer abwechſelnden Bewegung ſind,
und kein anderes Fleiſch am belebten Koͤrper es ihnen in
dieſem Stuͤkke nachthut. Es muß ſich alſo ohne Zwei-
fel eine beſondere weſentliche Urſache im Herzen befinden,
von der die Hurtigkeit zum Schlagen, und die nicht zu
ermuͤdende Beſtaͤndigkeit deſſelben herruͤhret. Denn daß
das Herz ganz allein unter allen Muskeln, ohne eine ab-
wechſelnde Ruhe und Erquikkung, Nacht und Tag, ſo
viele Jahre, und ohne einige Ermattung oder Schmer-
zen, zu ſchlagen fortfaͤhrt, da alle uͤbrigen Muskeln, auch
nach einer wenige Stunden lang daurenden Bewegung,
theils ſchmerzhafte Empfindungen auszuſtehen haben,
theils auch mit einem unertraͤglichen Gefuͤhle der Ermuͤ-
dung beſchweret werden, alles dieſes muß man in der
That von dem Baue des Herzens, und von keiner vor-
zuͤglichen Beguͤnſtigung der Seele herleiten.
Ferner will ich nur ſo viel erinnern, daß die Geſchlech-
ter derer dem Willen untergebenen Muskeln, ingleichen
auch diejenigen, welche unter der Herrſchaft des Lebens
ſtehen, von unveraͤnderlicher Beſtimmung ſind, und daß
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(c) Vergleichet Tralles Examen terreor. S. 317.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 923. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/979>, abgerufen am 23.11.2024.
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