Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

des, das sich vor dem geharnischten Manne fürchtete und dem Eilenden aus dem Wege floh. Ein weibliches Geripp wendet den Kopf nach ihm um; denn er war schön und männlich, und hatte blaue Augen, wie sein gegenwärtig noch lebender Bruder.

O komm, Du geliebtes Bild, laß diesen Ort der Zerstörung und wehmüthiger Erinnerung! Eilen wir hinauf auf die flammende Höhe!

Hier windet sich der Weg durch lachende Weingärten, wir sehen noch einmal den fernen Golf, das grüne Ufer von Sorrent, die weite Ebene der Campagna Felice, und blicken nun hinauf auf den rauchenden Aschenkegel, dem wir durch schwarzes, furchtbares Lavageröll uns nähern.

Schon hör' ich unter mir das ferne, dumpfe Rollen der empörten Eingeweide des Berges, blaue Flammen zucken unter meinem Fußtritt, in eine Schwefelwolke bin ich eingehüllt, daß mir der Athem vergeht.

Jetzt steh' ich am Rande des Kraters, blicke noch einmal zurück in die Ferne, und dann hinunter in die grausenvolle Tiefe -

Mein Gott! ich habe in einer Psychologie gelesen, daß man vor Schwindel verrückt werden kann. Beharrst Du aber auf Deinem Vorsatz, daß ich das Gefährlichste unternehme, so schreibe mir mit nächster Post Deinen unwiderruflichen Entschluß.

des, das sich vor dem geharnischten Manne fürchtete und dem Eilenden aus dem Wege floh. Ein weibliches Geripp wendet den Kopf nach ihm um; denn er war schön und männlich, und hatte blaue Augen, wie sein gegenwärtig noch lebender Bruder.

O komm, Du geliebtes Bild, laß diesen Ort der Zerstörung und wehmüthiger Erinnerung! Eilen wir hinauf auf die flammende Höhe!

Hier windet sich der Weg durch lachende Weingärten, wir sehen noch einmal den fernen Golf, das grüne Ufer von Sorrent, die weite Ebene der Campagna Felice, und blicken nun hinauf auf den rauchenden Aschenkegel, dem wir durch schwarzes, furchtbares Lavageröll uns nähern.

Schon hör’ ich unter mir das ferne, dumpfe Rollen der empörten Eingeweide des Berges, blaue Flammen zucken unter meinem Fußtritt, in eine Schwefelwolke bin ich eingehüllt, daß mir der Athem vergeht.

Jetzt steh’ ich am Rande des Kraters, blicke noch einmal zurück in die Ferne, und dann hinunter in die grausenvolle Tiefe -

Mein Gott! ich habe in einer Psychologie gelesen, daß man vor Schwindel verrückt werden kann. Beharrst Du aber auf Deinem Vorsatz, daß ich das Gefährlichste unternehme, so schreibe mir mit nächster Post Deinen unwiderruflichen Entschluß.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0291" n="278"/>
des, das sich vor dem geharnischten Manne fürchtete und dem Eilenden aus dem Wege floh. Ein weibliches Geripp wendet den Kopf nach ihm um; denn er war schön und männlich, und hatte blaue Augen, wie sein gegenwärtig noch lebender Bruder.</p>
        <p>O komm, Du geliebtes Bild, laß diesen Ort der Zerstörung und wehmüthiger Erinnerung! Eilen wir hinauf auf die flammende Höhe!</p>
        <p>Hier windet sich der Weg durch lachende Weingärten, wir sehen noch einmal den fernen Golf, das grüne Ufer von Sorrent, die weite Ebene der Campagna Felice, und blicken nun hinauf auf den rauchenden Aschenkegel, dem wir durch schwarzes, furchtbares Lavageröll uns nähern.</p>
        <p>Schon hör&#x2019; ich unter mir das ferne, dumpfe Rollen der empörten Eingeweide des Berges, blaue Flammen zucken unter meinem Fußtritt, in eine Schwefelwolke bin ich eingehüllt, daß mir der Athem vergeht.</p>
        <p>Jetzt steh&#x2019; ich am Rande des Kraters, blicke noch einmal zurück in die Ferne, und dann hinunter in die grausenvolle Tiefe -</p>
        <p>Mein Gott! ich habe in einer Psychologie gelesen, daß man vor Schwindel verrückt werden kann. Beharrst Du aber auf Deinem Vorsatz, daß ich das Gefährlichste unternehme, so schreibe mir mit nächster Post Deinen unwiderruflichen Entschluß.</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[278/0291] des, das sich vor dem geharnischten Manne fürchtete und dem Eilenden aus dem Wege floh. Ein weibliches Geripp wendet den Kopf nach ihm um; denn er war schön und männlich, und hatte blaue Augen, wie sein gegenwärtig noch lebender Bruder. O komm, Du geliebtes Bild, laß diesen Ort der Zerstörung und wehmüthiger Erinnerung! Eilen wir hinauf auf die flammende Höhe! Hier windet sich der Weg durch lachende Weingärten, wir sehen noch einmal den fernen Golf, das grüne Ufer von Sorrent, die weite Ebene der Campagna Felice, und blicken nun hinauf auf den rauchenden Aschenkegel, dem wir durch schwarzes, furchtbares Lavageröll uns nähern. Schon hör’ ich unter mir das ferne, dumpfe Rollen der empörten Eingeweide des Berges, blaue Flammen zucken unter meinem Fußtritt, in eine Schwefelwolke bin ich eingehüllt, daß mir der Athem vergeht. Jetzt steh’ ich am Rande des Kraters, blicke noch einmal zurück in die Ferne, und dann hinunter in die grausenvolle Tiefe - Mein Gott! ich habe in einer Psychologie gelesen, daß man vor Schwindel verrückt werden kann. Beharrst Du aber auf Deinem Vorsatz, daß ich das Gefährlichste unternehme, so schreibe mir mit nächster Post Deinen unwiderruflichen Entschluß.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax des Gutzkow Editionsprojekts. (2013-07-01T14:33:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus dem Gutzkow Editionsprojekt entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-01T14:33:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung vom Markup des Gutzkow Editionsprojekts nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-07-01T14:33:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Gutzkow Editionsprojekt:Editionsprinzipien
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Zeilenumbrüche innerhalb eines Absatzes werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Anmerkungen und Erläuterungen der Herausgeber der Gutzkow-Edition sind im XML mit <ref target="[Ziel]">...</ref> wiedergegeben. [Ziel] benennt die HTM-Datei und den Abschnitt der jeweiligen Erläuterung auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.
  • Druckfehler und andere Fehler der Vorlage wurden in der Transkription behoben. Zu den hierbei vorgenommenen Textänderungen und zu problematischen Textstellen siehe Abschnitt 2.1.1: Textänderungen auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/291
Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/291>, abgerufen am 23.11.2024.