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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Viertes Buch.
Das XI. Capitel.

ALso hat nun der günstige Leser vernommen/ in was
vor einer Lebensgefahr ich gesteckt; Betreffend
aber die Gefahr meiner Seelen/ ist zu wissen/ daß ich
unter meiner Mußquete ein rechter wilder Mensch
war/ der sich umb Gott und sein Wort nichts beküm-
merte/ keine Boßheit war mir zu viel/ da waren alle
Gnaden und Wolthaten/ die ich von GOtt jemals
empfangen/ allerdings vergessen/ so bat ich auch we-
der umb das Zeitlich noch Ewig/ sondern lebte auff
den alten Käiser hinein wie ein Viehe. Niemand hät-
te mir glauben können/ daß ich bey einem so frommen
Einsidel wäre erzogen worden; selten kam ich in die
Kirch/ und gar nicht zur Beicht/ und gleich wie mir
meiner Seelen Heyl nichts anlag/ als betrübte ich
meinen Nebenmenschen desto mehr: Wo ich nur je-
mand berücken konte/ unterließ ichs nit/ ja ich wolte
noch Ruhm darvon haben; so daß schier keiner ohn-
geschimpfft von mir kam/ davon kriegte ich offt dichte
Stöß/ und noch öffter den Esel zu reuten/ ja man
bedrohete mich mit Galgen und Wippe/ aber es halff
alles nichts/ ich trieb meine gottlose Weis fort/ daß
es das Ansehen hatte/ als ob ich das desperat spielte/
und mit Fleiß der Höllen zurennete. Und ob ich gleich
keine Ubelthat begieng/ dadurch ich das Leben ver-
würckt hätte/ so war ich jedoch so ruchlos/ daß man
(ausser den Zauberern und Sodomiten) kaum einen
wüstern Menschen antreffen mögen.

Diß nam unser Regiments-Caplan an mir in acht/
und weil er ein rechter frommer Seelen-Eiferer war/
schickte er auff die Oesterliche Zeit nach mir/ zu ver-

nehmen
T
Viertes Buch.
Das XI. Capitel.

ALſo hat nun der guͤnſtige Leſer vernom̃en/ in was
vor einer Lebensgefahr ich geſteckt; Betreffend
aber die Gefahr meiner Seelen/ iſt zu wiſſen/ daß ich
unter meiner Mußquete ein rechter wilder Menſch
war/ der ſich umb Gott und ſein Wort nichts bekuͤm-
merte/ keine Boßheit war mir zu viel/ da waren alle
Gnaden und Wolthaten/ die ich von GOtt jemals
empfangen/ allerdings vergeſſen/ ſo bat ich auch we-
der umb das Zeitlich noch Ewig/ ſondern lebte auff
den alten Kaͤiſer hinein wie ein Viehe. Niemand haͤt-
te mir glauben koͤnnen/ daß ich bey einem ſo frommen
Einſidel waͤre erzogen worden; ſelten kam ich in die
Kirch/ und gar nicht zur Beicht/ und gleich wie mir
meiner Seelen Heyl nichts anlag/ als betruͤbte ich
meinen Nebenmenſchen deſto mehr: Wo ich nur je-
mand beruͤcken konte/ unterließ ichs nit/ ja ich wolte
noch Ruhm darvon haben; ſo daß ſchier keiner ohn-
geſchimpfft von mir kam/ davon kriegte ich offt dichte
Stoͤß/ und noch oͤffter den Eſel zu reuten/ ja man
bedrohete mich mit Galgen und Wippe/ aber es halff
alles nichts/ ich trieb meine gottloſe Weis fort/ daß
es das Anſehen hatte/ als ob ich das deſperat ſpielte/
und mit Fleiß der Hoͤllen zurennete. Und ob ich gleich
keine Ubelthat begieng/ dadurch ich das Leben ver-
wuͤrckt haͤtte/ ſo war ich jedoch ſo ruchlos/ daß man
(auſſer den Zauberern und Sodomiten) kaum einen
wuͤſtern Menſchen antreffen moͤgen.

Diß nam unſer Regiments-Caplan an mir in acht/
und weil er ein rechter frommer Seelen-Eiferer war/
ſchickte er auff die Oeſterliche Zeit nach mir/ zu ver-

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[431/0437] Viertes Buch. Das XI. Capitel. ALſo hat nun der guͤnſtige Leſer vernom̃en/ in was vor einer Lebensgefahr ich geſteckt; Betreffend aber die Gefahr meiner Seelen/ iſt zu wiſſen/ daß ich unter meiner Mußquete ein rechter wilder Menſch war/ der ſich umb Gott und ſein Wort nichts bekuͤm- merte/ keine Boßheit war mir zu viel/ da waren alle Gnaden und Wolthaten/ die ich von GOtt jemals empfangen/ allerdings vergeſſen/ ſo bat ich auch we- der umb das Zeitlich noch Ewig/ ſondern lebte auff den alten Kaͤiſer hinein wie ein Viehe. Niemand haͤt- te mir glauben koͤnnen/ daß ich bey einem ſo frommen Einſidel waͤre erzogen worden; ſelten kam ich in die Kirch/ und gar nicht zur Beicht/ und gleich wie mir meiner Seelen Heyl nichts anlag/ als betruͤbte ich meinen Nebenmenſchen deſto mehr: Wo ich nur je- mand beruͤcken konte/ unterließ ichs nit/ ja ich wolte noch Ruhm darvon haben; ſo daß ſchier keiner ohn- geſchimpfft von mir kam/ davon kriegte ich offt dichte Stoͤß/ und noch oͤffter den Eſel zu reuten/ ja man bedrohete mich mit Galgen und Wippe/ aber es halff alles nichts/ ich trieb meine gottloſe Weis fort/ daß es das Anſehen hatte/ als ob ich das deſperat ſpielte/ und mit Fleiß der Hoͤllen zurennete. Und ob ich gleich keine Ubelthat begieng/ dadurch ich das Leben ver- wuͤrckt haͤtte/ ſo war ich jedoch ſo ruchlos/ daß man (auſſer den Zauberern und Sodomiten) kaum einen wuͤſtern Menſchen antreffen moͤgen. Diß nam unſer Regiments-Caplan an mir in acht/ und weil er ein rechter frommer Seelen-Eiferer war/ ſchickte er auff die Oeſterliche Zeit nach mir/ zu ver- nehmen T

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/437>, abgerufen am 29.11.2024.