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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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Abriß meiner Haager Berichterstattung

Andeutung, "oaß der Kaiser ginge. Wundern 'tut mich nichts mehr. Man muß sich
vor jedem Amerikaner bis unter die Erde schämen." Am 27. Oktober: "Daß
Ludendorff gegangen ist, wird, wenn er gut, etwa durch Loßberg ersetzt wird,
an der Front keinen deprimierenden Eindruck machen. Er hat sich durch das
Waffenstillstandsangebot erledigt. Man darf aber nie vergessen, daß er "in
ein Haar der größte Feldherr der Weltgeschichte geworden wäre. Wenn nur
der Kaiser nicht abtritt. Das würde unsere Zukunft mehr als irgend ein anderes
Unglück in Frage stellen. Unsere Position sieht sich von hier aus, wo man auch
die gegnerischen Schwierigkeiten übersehen kann, anscheinend sehr viel günstiges
an, als von Berlin aus." Am 28. Oktober: "Unsere Frontlage wird heute wie¬
der von dem sehr guten Militär-Kritiker des "Nieuwe Courant" als glänzend
hingestellt. Es wäre eine Gemeinheit und Eselei, wenn wir trotzdem kapitulierten."

Ich habe mich natürlich bemüht, meine Überzeugung auf Berlin zu über¬
tragen. Mir standen hierfür aber keine Kanäle zur Verfügung. Am 29. Oktober
schrieb ich an einen Herrn in Berlin, bei dem ich Beziehungen zur neuen Regierung
voraussetzte: "Wenn wir die Waffenstillstandssuppe so heiß essen, wie sie gekocht
wird, werden wir diese Mahlzeit nur als politischer Kadaver überleben. Unser
Angebot konnte nur als militärische Bankrotterklärung aufgefaßt werden. Infolge¬
dessen ließ ein phantastischer Siegestaumel die feindlichen Forderungen ins
Märchenhafte hinausschreiten. Er ist aber wegen innerer Schwierigkeiten und der
Versteifung unseres Widerstandes im Abflauen. Der Feind wird also wohl einiges
abstreichen. Trotzdem würden wir uns durch Annahme seiner Forderungen dem
feindlichen Vernichtungswillen mit gebundenen Händen ausliefern. Es kommt
aber nicht nur darauf an, daß wir sie zurückweisen, sondern auch darauf, wie
wir es tun- Die Ablehnung muß von der Volksregierung aus sich heraus, ohne
Druck als rückständig verschriener Elemente erfolgen. Andernfalls wird es der
feindlichen Generalität gelingen, die Schuld an der Kriegsverlängerung von sich
auf den preußischen Militarismus abzuwälzen. Die Bearbeitung der öffentlichen
Meinung in England und Amerika muß sofort einsetzen. Unsere neue Regierung
verfügt ja über Volkstribune, die sich auf Demagogie verstehen und das Ohr der
westlichen Demokratien besitzen. Am 5. November machte ich eine Ausarbeitung
in demselben Sinne, die aber nicht abging, weil ich nicht wußte, an wen ich sie
schicken sollte. Von der Gesandtschaft wurde sie abgelehnt. Am 7. Februar schrieb
ich über den Zeitgeist als militärpolitischen Faktor. Unsere Verbündeten sind wir
los, dafür haben wir an ihm einen neuen gewonnen. Das haben wir aber noch
nicht begriffen, sonst würden wir uns nicht klein und häßlich als Angeklagte auf¬
bauen. Nicht das neue Deutschland, sondern die sich gleichgebliebene Entente steht
als Angeklagter vor dem Weltgericht. Man reiße ihren Führern die Maske vom
Gesicht und enlarve sie als Ketzer am demokratischen Glaubensbekenntnis. Finden
wir hierzu Mut und Technik, so müssen wir Recht bekommen. Das erforderliche
Selbstbewußtsein können wir der Tatsache entnehnicn, daß das Schicksal der Welt¬
demokratie in unserer Hand liegt. Ihre und unsere Hauptfeinde sind der
Imperialismus des Triumvirats Lloyd George, Clemencecm. Orlando und der
Bolschewismus, - Lassen wir uns von ihnen unterkriegen, verfällt ganz Westeuropa
in chaotische Zustände, die nur von Diktatoren einzurenken wären, und damit
dem Militarismus. Nur wir können das verhindern. Nach Verlust unserer
Verbündeten scheint dies leichter gesagt als getan. Die Entwicklung beschleunigt
sich aber derartig, daß die politische Entscheidung gefallen sein dürfte, bevor wir
auf neuen Fronten angegriffen werden. Der Krieg hat sich überlebt, weil die
Völker genug beiden. Die Offensive im Westen muß sich, gleichgültig, wann und
wo, festlcmfen. Sie wieder in Gang zu bringen, dürfte unmöglich sein, wenn
wir unsere Karten richtig spielen. Ebenso wenig wie durch die militärische Lage
dürfen wir uns dadurch bange machen lassen, daß es Wilson nicht auf den ersten
Undich gelingt, uns annehmbare Bedingungen zu verschaffen. Wir zerbrächen
selbst die Stütze, die wir an seinem Idealismus und seiner Weltgemeinde haben,
wenn wir uns tleinglünbig mit dem Diktat des Entente-Militarismus abfinden.


Abriß meiner Haager Berichterstattung

Andeutung, "oaß der Kaiser ginge. Wundern 'tut mich nichts mehr. Man muß sich
vor jedem Amerikaner bis unter die Erde schämen." Am 27. Oktober: „Daß
Ludendorff gegangen ist, wird, wenn er gut, etwa durch Loßberg ersetzt wird,
an der Front keinen deprimierenden Eindruck machen. Er hat sich durch das
Waffenstillstandsangebot erledigt. Man darf aber nie vergessen, daß er »in
ein Haar der größte Feldherr der Weltgeschichte geworden wäre. Wenn nur
der Kaiser nicht abtritt. Das würde unsere Zukunft mehr als irgend ein anderes
Unglück in Frage stellen. Unsere Position sieht sich von hier aus, wo man auch
die gegnerischen Schwierigkeiten übersehen kann, anscheinend sehr viel günstiges
an, als von Berlin aus." Am 28. Oktober: „Unsere Frontlage wird heute wie¬
der von dem sehr guten Militär-Kritiker des „Nieuwe Courant" als glänzend
hingestellt. Es wäre eine Gemeinheit und Eselei, wenn wir trotzdem kapitulierten."

Ich habe mich natürlich bemüht, meine Überzeugung auf Berlin zu über¬
tragen. Mir standen hierfür aber keine Kanäle zur Verfügung. Am 29. Oktober
schrieb ich an einen Herrn in Berlin, bei dem ich Beziehungen zur neuen Regierung
voraussetzte: „Wenn wir die Waffenstillstandssuppe so heiß essen, wie sie gekocht
wird, werden wir diese Mahlzeit nur als politischer Kadaver überleben. Unser
Angebot konnte nur als militärische Bankrotterklärung aufgefaßt werden. Infolge¬
dessen ließ ein phantastischer Siegestaumel die feindlichen Forderungen ins
Märchenhafte hinausschreiten. Er ist aber wegen innerer Schwierigkeiten und der
Versteifung unseres Widerstandes im Abflauen. Der Feind wird also wohl einiges
abstreichen. Trotzdem würden wir uns durch Annahme seiner Forderungen dem
feindlichen Vernichtungswillen mit gebundenen Händen ausliefern. Es kommt
aber nicht nur darauf an, daß wir sie zurückweisen, sondern auch darauf, wie
wir es tun- Die Ablehnung muß von der Volksregierung aus sich heraus, ohne
Druck als rückständig verschriener Elemente erfolgen. Andernfalls wird es der
feindlichen Generalität gelingen, die Schuld an der Kriegsverlängerung von sich
auf den preußischen Militarismus abzuwälzen. Die Bearbeitung der öffentlichen
Meinung in England und Amerika muß sofort einsetzen. Unsere neue Regierung
verfügt ja über Volkstribune, die sich auf Demagogie verstehen und das Ohr der
westlichen Demokratien besitzen. Am 5. November machte ich eine Ausarbeitung
in demselben Sinne, die aber nicht abging, weil ich nicht wußte, an wen ich sie
schicken sollte. Von der Gesandtschaft wurde sie abgelehnt. Am 7. Februar schrieb
ich über den Zeitgeist als militärpolitischen Faktor. Unsere Verbündeten sind wir
los, dafür haben wir an ihm einen neuen gewonnen. Das haben wir aber noch
nicht begriffen, sonst würden wir uns nicht klein und häßlich als Angeklagte auf¬
bauen. Nicht das neue Deutschland, sondern die sich gleichgebliebene Entente steht
als Angeklagter vor dem Weltgericht. Man reiße ihren Führern die Maske vom
Gesicht und enlarve sie als Ketzer am demokratischen Glaubensbekenntnis. Finden
wir hierzu Mut und Technik, so müssen wir Recht bekommen. Das erforderliche
Selbstbewußtsein können wir der Tatsache entnehnicn, daß das Schicksal der Welt¬
demokratie in unserer Hand liegt. Ihre und unsere Hauptfeinde sind der
Imperialismus des Triumvirats Lloyd George, Clemencecm. Orlando und der
Bolschewismus, - Lassen wir uns von ihnen unterkriegen, verfällt ganz Westeuropa
in chaotische Zustände, die nur von Diktatoren einzurenken wären, und damit
dem Militarismus. Nur wir können das verhindern. Nach Verlust unserer
Verbündeten scheint dies leichter gesagt als getan. Die Entwicklung beschleunigt
sich aber derartig, daß die politische Entscheidung gefallen sein dürfte, bevor wir
auf neuen Fronten angegriffen werden. Der Krieg hat sich überlebt, weil die
Völker genug beiden. Die Offensive im Westen muß sich, gleichgültig, wann und
wo, festlcmfen. Sie wieder in Gang zu bringen, dürfte unmöglich sein, wenn
wir unsere Karten richtig spielen. Ebenso wenig wie durch die militärische Lage
dürfen wir uns dadurch bange machen lassen, daß es Wilson nicht auf den ersten
Undich gelingt, uns annehmbare Bedingungen zu verschaffen. Wir zerbrächen
selbst die Stütze, die wir an seinem Idealismus und seiner Weltgemeinde haben,
wenn wir uns tleinglünbig mit dem Diktat des Entente-Militarismus abfinden.


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[0425] Abriß meiner Haager Berichterstattung Andeutung, "oaß der Kaiser ginge. Wundern 'tut mich nichts mehr. Man muß sich vor jedem Amerikaner bis unter die Erde schämen." Am 27. Oktober: „Daß Ludendorff gegangen ist, wird, wenn er gut, etwa durch Loßberg ersetzt wird, an der Front keinen deprimierenden Eindruck machen. Er hat sich durch das Waffenstillstandsangebot erledigt. Man darf aber nie vergessen, daß er »in ein Haar der größte Feldherr der Weltgeschichte geworden wäre. Wenn nur der Kaiser nicht abtritt. Das würde unsere Zukunft mehr als irgend ein anderes Unglück in Frage stellen. Unsere Position sieht sich von hier aus, wo man auch die gegnerischen Schwierigkeiten übersehen kann, anscheinend sehr viel günstiges an, als von Berlin aus." Am 28. Oktober: „Unsere Frontlage wird heute wie¬ der von dem sehr guten Militär-Kritiker des „Nieuwe Courant" als glänzend hingestellt. Es wäre eine Gemeinheit und Eselei, wenn wir trotzdem kapitulierten." Ich habe mich natürlich bemüht, meine Überzeugung auf Berlin zu über¬ tragen. Mir standen hierfür aber keine Kanäle zur Verfügung. Am 29. Oktober schrieb ich an einen Herrn in Berlin, bei dem ich Beziehungen zur neuen Regierung voraussetzte: „Wenn wir die Waffenstillstandssuppe so heiß essen, wie sie gekocht wird, werden wir diese Mahlzeit nur als politischer Kadaver überleben. Unser Angebot konnte nur als militärische Bankrotterklärung aufgefaßt werden. Infolge¬ dessen ließ ein phantastischer Siegestaumel die feindlichen Forderungen ins Märchenhafte hinausschreiten. Er ist aber wegen innerer Schwierigkeiten und der Versteifung unseres Widerstandes im Abflauen. Der Feind wird also wohl einiges abstreichen. Trotzdem würden wir uns durch Annahme seiner Forderungen dem feindlichen Vernichtungswillen mit gebundenen Händen ausliefern. Es kommt aber nicht nur darauf an, daß wir sie zurückweisen, sondern auch darauf, wie wir es tun- Die Ablehnung muß von der Volksregierung aus sich heraus, ohne Druck als rückständig verschriener Elemente erfolgen. Andernfalls wird es der feindlichen Generalität gelingen, die Schuld an der Kriegsverlängerung von sich auf den preußischen Militarismus abzuwälzen. Die Bearbeitung der öffentlichen Meinung in England und Amerika muß sofort einsetzen. Unsere neue Regierung verfügt ja über Volkstribune, die sich auf Demagogie verstehen und das Ohr der westlichen Demokratien besitzen. Am 5. November machte ich eine Ausarbeitung in demselben Sinne, die aber nicht abging, weil ich nicht wußte, an wen ich sie schicken sollte. Von der Gesandtschaft wurde sie abgelehnt. Am 7. Februar schrieb ich über den Zeitgeist als militärpolitischen Faktor. Unsere Verbündeten sind wir los, dafür haben wir an ihm einen neuen gewonnen. Das haben wir aber noch nicht begriffen, sonst würden wir uns nicht klein und häßlich als Angeklagte auf¬ bauen. Nicht das neue Deutschland, sondern die sich gleichgebliebene Entente steht als Angeklagter vor dem Weltgericht. Man reiße ihren Führern die Maske vom Gesicht und enlarve sie als Ketzer am demokratischen Glaubensbekenntnis. Finden wir hierzu Mut und Technik, so müssen wir Recht bekommen. Das erforderliche Selbstbewußtsein können wir der Tatsache entnehnicn, daß das Schicksal der Welt¬ demokratie in unserer Hand liegt. Ihre und unsere Hauptfeinde sind der Imperialismus des Triumvirats Lloyd George, Clemencecm. Orlando und der Bolschewismus, - Lassen wir uns von ihnen unterkriegen, verfällt ganz Westeuropa in chaotische Zustände, die nur von Diktatoren einzurenken wären, und damit dem Militarismus. Nur wir können das verhindern. Nach Verlust unserer Verbündeten scheint dies leichter gesagt als getan. Die Entwicklung beschleunigt sich aber derartig, daß die politische Entscheidung gefallen sein dürfte, bevor wir auf neuen Fronten angegriffen werden. Der Krieg hat sich überlebt, weil die Völker genug beiden. Die Offensive im Westen muß sich, gleichgültig, wann und wo, festlcmfen. Sie wieder in Gang zu bringen, dürfte unmöglich sein, wenn wir unsere Karten richtig spielen. Ebenso wenig wie durch die militärische Lage dürfen wir uns dadurch bange machen lassen, daß es Wilson nicht auf den ersten Undich gelingt, uns annehmbare Bedingungen zu verschaffen. Wir zerbrächen selbst die Stütze, die wir an seinem Idealismus und seiner Weltgemeinde haben, wenn wir uns tleinglünbig mit dem Diktat des Entente-Militarismus abfinden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/425>, abgerufen am 27.09.2024.