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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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Flaubert und die andern

Diese Sehnsucht flammt, für das Auge des alltäglichen Beschauers noch
viel deutlicher sichtbar als in dem Kleinstadtroman, zum anderen Mal auf in
seinem großen historischen Roman Salammbü. der 1862 zuerst erschien. Das
Karthago Hamilkars zieht er ans Licht und sucht durch eine (der späteren For¬
schung gegenüber freilich nicht immer stichhaltige) urkundliche Genauigkeit von
unerhörtem Fleiß und unerhörter Detailsarbeit dabei zu verhindern, daß man
ihn mit der verlogenen antikisierenden oder exotisierenden Romantik früherer
Dichter auf eine Stufe stellt. Daß er dabei einen Taniklult zusammendichtet, der
vor der Prüfung nicht standhält und deshalb im Grunde noch unehrlicher ist
als die auf den ersten Blick ihrer leichtfertigen Milieuschilderung zu überführenden
gedachten Romane muß ihm um der unendlichen Plastik, der packenden Figuren¬
malerei und der einzelnen Episoden willen verziehen werden, die ihresgleichen
im französischen Schrifttum nicht haben. Szenen von beispielloser Wildheit, von
einer Lebendigkeit, wie sie erst wieder in der jüngsten Neuromankik dem einen
oder dem anderen ähnlich gelungen sind, schmücken dieses hieratische Prunkwerk.

Inzwischen ist Flaubert von Paris nach einem Vorort von Rouen. Croisset,
übergesiedelt und wälzt, als ein erbarmungslos von den Forderungen seiner
Kunst, seiner Lebensaufgabe gehetzter Einsiedler, dem auch eine jahrelange, von
seiner schweren Berufsauffassung zerquälte Leidenschaft zu Louise Collet dagegen
nicht hilft, seinen Sisyphusstein weiter.

Als nächstes Werk erscheint die bekannte Ausgabe der Kclucation ssntimon-
tltle 18t>9, Ihr war eine andere, vollkommen abweichende Fassung, die nur den
Gedanken des Erziehungsromans und den Titel mit der schließlich erschienenen
gemein hatte, bereits in den Jahren 1843/45 vorangegangen. Die beiden Haupt¬
figuren dieser frischen Fassung, Jules, der sentimentale, einsiedlerische Dichter, und
Henry, der skrupellose Lebejüugling Stendhal scheu Gepräges, dessen Intrige
mit Frau Emilie Renaud auch an "l^.e Kougs et lo I^Ioir" erinnert, werden in
der späteren Fassung zu einem einzigen Helden, den? Frederic Moreau ver¬
schmolzen, dem, bezeichnend genug, die Erfüllung seiner 27jährigen, glühend ent¬
haltsamen Liebe zu Frau Marie Arnoux vorenthalten bleibt. (Beiläufig: der
Inhalt dieser seltsamen Liebe, eigentlich der ganzen löäuLÄtion sentimentslö in
endgültiger Fassung ist in dein bekannten Lonnet ä'/^rvers enthalten, das zwar
eine platonische Liebe des Dichters zur Frau Victor Hugos schildern soll, aber
gut als Anregung für Flanbert gedient haben könnte.)

In der Figur des Jules besitzen wir die einzige wertvolle Selbstbiographie
Flauberts; deshalb sei einiges über seine Kunstauffassnng und sein Schaffen dar¬
aus zitiert:

"Homer und Shakespeare schließen die ganze Menschheit und die
lzanze Natur ein. Der ganze antike Mensch ist in dem ersteren, der ganze moderne
Mensch in dem letzteren enthalten, derart, daß man sich keine Vorstellung von
den antiken Zeiten ohne Homer und keine Vorstellung von den modernen ohne
Shakespeare machen kann. Sie sind so "wahr" gewesen, daß sie "notwendig"
geworden sind; was sie erschaffen haben, ist ebenso ihr Werk wie das Werk
Gottes. Sie sind wie das Bewußtsein, der Welt, da deren sämtliche Elemente
in ihnen enthalten und bei ihnen zu finden sind."

". . . Doch was ihn (Jules) am tiefstem bei diesen Mitteln der Kunst ent ¬
zückte, war die Vereinigung von Leidenschaft und Erfind nngsgabe; die individu¬
ellsten und persönlichsten Dichter haben weniger Glut, Lebensfülle und selbst
Naivität bei der Darstellung des einen Gefühls gezeigt, das ihre Größe aus¬
machte, als jene in der Mannigfaltigkeit beweisen, die sie wiedergegeben haben;
die spätere" Literaturen dagegen mit all ihren erlernten Motiven und ausge¬
klügelten Künsteleien haben nichts zustande gebracht, was um die weise Harmonie
heranreicht, die sich bei diesen Meistern als an ihrem Quell und ihrem Ursprung
in natürlichsten und vollendetsten Zustande findet. Er schloß hieraus, daß die
Inspiration ihre Kraft nur aus sich selbst zieht, daß die vou außen kommenden
Reize sie nur zu häufig abschwächen oder ihre Natur ändern: man mich nlsvi


Flaubert und die andern

Diese Sehnsucht flammt, für das Auge des alltäglichen Beschauers noch
viel deutlicher sichtbar als in dem Kleinstadtroman, zum anderen Mal auf in
seinem großen historischen Roman Salammbü. der 1862 zuerst erschien. Das
Karthago Hamilkars zieht er ans Licht und sucht durch eine (der späteren For¬
schung gegenüber freilich nicht immer stichhaltige) urkundliche Genauigkeit von
unerhörtem Fleiß und unerhörter Detailsarbeit dabei zu verhindern, daß man
ihn mit der verlogenen antikisierenden oder exotisierenden Romantik früherer
Dichter auf eine Stufe stellt. Daß er dabei einen Taniklult zusammendichtet, der
vor der Prüfung nicht standhält und deshalb im Grunde noch unehrlicher ist
als die auf den ersten Blick ihrer leichtfertigen Milieuschilderung zu überführenden
gedachten Romane muß ihm um der unendlichen Plastik, der packenden Figuren¬
malerei und der einzelnen Episoden willen verziehen werden, die ihresgleichen
im französischen Schrifttum nicht haben. Szenen von beispielloser Wildheit, von
einer Lebendigkeit, wie sie erst wieder in der jüngsten Neuromankik dem einen
oder dem anderen ähnlich gelungen sind, schmücken dieses hieratische Prunkwerk.

Inzwischen ist Flaubert von Paris nach einem Vorort von Rouen. Croisset,
übergesiedelt und wälzt, als ein erbarmungslos von den Forderungen seiner
Kunst, seiner Lebensaufgabe gehetzter Einsiedler, dem auch eine jahrelange, von
seiner schweren Berufsauffassung zerquälte Leidenschaft zu Louise Collet dagegen
nicht hilft, seinen Sisyphusstein weiter.

Als nächstes Werk erscheint die bekannte Ausgabe der Kclucation ssntimon-
tltle 18t>9, Ihr war eine andere, vollkommen abweichende Fassung, die nur den
Gedanken des Erziehungsromans und den Titel mit der schließlich erschienenen
gemein hatte, bereits in den Jahren 1843/45 vorangegangen. Die beiden Haupt¬
figuren dieser frischen Fassung, Jules, der sentimentale, einsiedlerische Dichter, und
Henry, der skrupellose Lebejüugling Stendhal scheu Gepräges, dessen Intrige
mit Frau Emilie Renaud auch an „l^.e Kougs et lo I^Ioir" erinnert, werden in
der späteren Fassung zu einem einzigen Helden, den? Frederic Moreau ver¬
schmolzen, dem, bezeichnend genug, die Erfüllung seiner 27jährigen, glühend ent¬
haltsamen Liebe zu Frau Marie Arnoux vorenthalten bleibt. (Beiläufig: der
Inhalt dieser seltsamen Liebe, eigentlich der ganzen löäuLÄtion sentimentslö in
endgültiger Fassung ist in dein bekannten Lonnet ä'/^rvers enthalten, das zwar
eine platonische Liebe des Dichters zur Frau Victor Hugos schildern soll, aber
gut als Anregung für Flanbert gedient haben könnte.)

In der Figur des Jules besitzen wir die einzige wertvolle Selbstbiographie
Flauberts; deshalb sei einiges über seine Kunstauffassnng und sein Schaffen dar¬
aus zitiert:

„Homer und Shakespeare schließen die ganze Menschheit und die
lzanze Natur ein. Der ganze antike Mensch ist in dem ersteren, der ganze moderne
Mensch in dem letzteren enthalten, derart, daß man sich keine Vorstellung von
den antiken Zeiten ohne Homer und keine Vorstellung von den modernen ohne
Shakespeare machen kann. Sie sind so „wahr" gewesen, daß sie „notwendig"
geworden sind; was sie erschaffen haben, ist ebenso ihr Werk wie das Werk
Gottes. Sie sind wie das Bewußtsein, der Welt, da deren sämtliche Elemente
in ihnen enthalten und bei ihnen zu finden sind."

„. . . Doch was ihn (Jules) am tiefstem bei diesen Mitteln der Kunst ent ¬
zückte, war die Vereinigung von Leidenschaft und Erfind nngsgabe; die individu¬
ellsten und persönlichsten Dichter haben weniger Glut, Lebensfülle und selbst
Naivität bei der Darstellung des einen Gefühls gezeigt, das ihre Größe aus¬
machte, als jene in der Mannigfaltigkeit beweisen, die sie wiedergegeben haben;
die spätere» Literaturen dagegen mit all ihren erlernten Motiven und ausge¬
klügelten Künsteleien haben nichts zustande gebracht, was um die weise Harmonie
heranreicht, die sich bei diesen Meistern als an ihrem Quell und ihrem Ursprung
in natürlichsten und vollendetsten Zustande findet. Er schloß hieraus, daß die
Inspiration ihre Kraft nur aus sich selbst zieht, daß die vou außen kommenden
Reize sie nur zu häufig abschwächen oder ihre Natur ändern: man mich nlsvi


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[0392] Flaubert und die andern Diese Sehnsucht flammt, für das Auge des alltäglichen Beschauers noch viel deutlicher sichtbar als in dem Kleinstadtroman, zum anderen Mal auf in seinem großen historischen Roman Salammbü. der 1862 zuerst erschien. Das Karthago Hamilkars zieht er ans Licht und sucht durch eine (der späteren For¬ schung gegenüber freilich nicht immer stichhaltige) urkundliche Genauigkeit von unerhörtem Fleiß und unerhörter Detailsarbeit dabei zu verhindern, daß man ihn mit der verlogenen antikisierenden oder exotisierenden Romantik früherer Dichter auf eine Stufe stellt. Daß er dabei einen Taniklult zusammendichtet, der vor der Prüfung nicht standhält und deshalb im Grunde noch unehrlicher ist als die auf den ersten Blick ihrer leichtfertigen Milieuschilderung zu überführenden gedachten Romane muß ihm um der unendlichen Plastik, der packenden Figuren¬ malerei und der einzelnen Episoden willen verziehen werden, die ihresgleichen im französischen Schrifttum nicht haben. Szenen von beispielloser Wildheit, von einer Lebendigkeit, wie sie erst wieder in der jüngsten Neuromankik dem einen oder dem anderen ähnlich gelungen sind, schmücken dieses hieratische Prunkwerk. Inzwischen ist Flaubert von Paris nach einem Vorort von Rouen. Croisset, übergesiedelt und wälzt, als ein erbarmungslos von den Forderungen seiner Kunst, seiner Lebensaufgabe gehetzter Einsiedler, dem auch eine jahrelange, von seiner schweren Berufsauffassung zerquälte Leidenschaft zu Louise Collet dagegen nicht hilft, seinen Sisyphusstein weiter. Als nächstes Werk erscheint die bekannte Ausgabe der Kclucation ssntimon- tltle 18t>9, Ihr war eine andere, vollkommen abweichende Fassung, die nur den Gedanken des Erziehungsromans und den Titel mit der schließlich erschienenen gemein hatte, bereits in den Jahren 1843/45 vorangegangen. Die beiden Haupt¬ figuren dieser frischen Fassung, Jules, der sentimentale, einsiedlerische Dichter, und Henry, der skrupellose Lebejüugling Stendhal scheu Gepräges, dessen Intrige mit Frau Emilie Renaud auch an „l^.e Kougs et lo I^Ioir" erinnert, werden in der späteren Fassung zu einem einzigen Helden, den? Frederic Moreau ver¬ schmolzen, dem, bezeichnend genug, die Erfüllung seiner 27jährigen, glühend ent¬ haltsamen Liebe zu Frau Marie Arnoux vorenthalten bleibt. (Beiläufig: der Inhalt dieser seltsamen Liebe, eigentlich der ganzen löäuLÄtion sentimentslö in endgültiger Fassung ist in dein bekannten Lonnet ä'/^rvers enthalten, das zwar eine platonische Liebe des Dichters zur Frau Victor Hugos schildern soll, aber gut als Anregung für Flanbert gedient haben könnte.) In der Figur des Jules besitzen wir die einzige wertvolle Selbstbiographie Flauberts; deshalb sei einiges über seine Kunstauffassnng und sein Schaffen dar¬ aus zitiert: „Homer und Shakespeare schließen die ganze Menschheit und die lzanze Natur ein. Der ganze antike Mensch ist in dem ersteren, der ganze moderne Mensch in dem letzteren enthalten, derart, daß man sich keine Vorstellung von den antiken Zeiten ohne Homer und keine Vorstellung von den modernen ohne Shakespeare machen kann. Sie sind so „wahr" gewesen, daß sie „notwendig" geworden sind; was sie erschaffen haben, ist ebenso ihr Werk wie das Werk Gottes. Sie sind wie das Bewußtsein, der Welt, da deren sämtliche Elemente in ihnen enthalten und bei ihnen zu finden sind." „. . . Doch was ihn (Jules) am tiefstem bei diesen Mitteln der Kunst ent ¬ zückte, war die Vereinigung von Leidenschaft und Erfind nngsgabe; die individu¬ ellsten und persönlichsten Dichter haben weniger Glut, Lebensfülle und selbst Naivität bei der Darstellung des einen Gefühls gezeigt, das ihre Größe aus¬ machte, als jene in der Mannigfaltigkeit beweisen, die sie wiedergegeben haben; die spätere» Literaturen dagegen mit all ihren erlernten Motiven und ausge¬ klügelten Künsteleien haben nichts zustande gebracht, was um die weise Harmonie heranreicht, die sich bei diesen Meistern als an ihrem Quell und ihrem Ursprung in natürlichsten und vollendetsten Zustande findet. Er schloß hieraus, daß die Inspiration ihre Kraft nur aus sich selbst zieht, daß die vou außen kommenden Reize sie nur zu häufig abschwächen oder ihre Natur ändern: man mich nlsvi

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/392>, abgerufen am 27.09.2024.