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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.

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Das alte und das neue Blockaderecht

galt der Beseitigung des Anspruches, daß eine Blockade über feindliche Küsten
durch bloße Erklärung verhängt werden könne -- mit der Wirkung, daß alle
das blockierte Gebiet anlaufenden oder verlassenden Kauffahrteischiffe der Weg¬
nahme durch die blockadeerklärende Macht unterworfen seien. Der unermüdliche
Verteidiger dieser sogenannten Papierblockaden (b!oLU8 8ur le papier) war
England gewesen, und in der Seclriegsgeschichte führen sie noch heute vielfach
den Namen "blocus anZIal8"; kein Wunder, wenn man liest, was das Mit¬
glied des britischen Admiralitätsgerichts James Mariot im Jahre 1780 aus-
sprach: "Vermöge seiner natürlichen geographischen Lage betrachtet Gro߬
britannien alle Häfen Spaniens und Frankreichs als blockiert; dieser Anspruch,
der sich auf die Beherrschung der Meere gründet, ist stets erneuert worden.
Großbritannien ist berechtigt, seine Lage wie ein Geschenk, das die Vorsehung
ihm beschieden hat, auszunutzen."

Die Regel von 1856, daß papierne Blockaden nicht rechtsverbindlich sein
sollen, hat ihre Geltung in den Seekriegen der folgenden Jahrzehnte behauptet.
Sie bildet auch den Kern des die Blockade behandelnden Abschnitts der Londoner
Scekriegsrechtserklärung vom 26. Februar 1909.

Unter Blockade versteht man die Absperrung feindlicher oder vom Feinde
besetzter Häfen und Küsten gegen das Ein- und Auslaufen von Schiffen. Ihr
Hauptzweck ist die Absperrung des Gegners vom Seehandelsverkehr. Auf die
Handelsinteressen der Neutralen wird insofern Rücksicht genommen, als die
Versperrung des Zuganges zu neutralen Häfen und Küsten ausdrücklich verboten ist.

Die rechtliche Wirksamkeit einer Blockade, das heißt vor allem die Berechtigung
der blockierenden Macht zur Aufbringung und Einziehung von Blockadebrechern,
ist durch drei Voraussetzungen bedingt: die Blockade muß erklärt, bekannt gemacht
und tatsächlich wirksam sein. Blockadeerklärung ist derjenige Akt einer Kriegs-
partei, welcher feststellt, daß eine Blockade über ein bestimmtes Gebiet an einem
bestimmten Zeitpunkt in Kraft getreten ist oder in Kraft treten wird, und gleichzeitig
eine Frist setzt, innerhalb deren neutrale Schiffe den blockierten Bereich verlassen
dürfen. Die eingangs mitgeteilte Blockadeerklärung des Vizeadmirals Kato
bietet ein anschauliches Beispiel. Die Blockadebekanntmachung besteht darin,
daß die Blockadeerklärung den neutralen Mächten, ferner den örtlich zuständigen
Behörden des blockierten Bereichs und endlich auch den in Unkenntnis der
Blockade einem blockierten Hafen sich nähernden Schiffen zur Kenntnis gebracht
wird. Auch die Ausdehnung, Einschränkung oder freiwillige Aufhebung der
Blockade muß -- im Interesse der Neutralen -- förmlich bekannt gegeben werden.
Über das Erfordernis der tatsächlichen Wirksamkeit ist das Grundsätzliche bereits
in den einleitenden Bemerkungen mitgeteilt worden. Hinzugefügt sei, daß einzelne
Fälle gelungenen Blockadebruchs (wie sie bei umsichtigen Wetter leicht eintreten
können) an sich noch keinen Beweis gegen die Effektivität der Blockade liefern
und, daß eine Blockade nicht dadurch aufgehoben wird, daß die blockierenden
Streitkräfte sich infolge schlechten Weites zeitweise entfernen.


Das alte und das neue Blockaderecht

galt der Beseitigung des Anspruches, daß eine Blockade über feindliche Küsten
durch bloße Erklärung verhängt werden könne — mit der Wirkung, daß alle
das blockierte Gebiet anlaufenden oder verlassenden Kauffahrteischiffe der Weg¬
nahme durch die blockadeerklärende Macht unterworfen seien. Der unermüdliche
Verteidiger dieser sogenannten Papierblockaden (b!oLU8 8ur le papier) war
England gewesen, und in der Seclriegsgeschichte führen sie noch heute vielfach
den Namen „blocus anZIal8"; kein Wunder, wenn man liest, was das Mit¬
glied des britischen Admiralitätsgerichts James Mariot im Jahre 1780 aus-
sprach: „Vermöge seiner natürlichen geographischen Lage betrachtet Gro߬
britannien alle Häfen Spaniens und Frankreichs als blockiert; dieser Anspruch,
der sich auf die Beherrschung der Meere gründet, ist stets erneuert worden.
Großbritannien ist berechtigt, seine Lage wie ein Geschenk, das die Vorsehung
ihm beschieden hat, auszunutzen."

Die Regel von 1856, daß papierne Blockaden nicht rechtsverbindlich sein
sollen, hat ihre Geltung in den Seekriegen der folgenden Jahrzehnte behauptet.
Sie bildet auch den Kern des die Blockade behandelnden Abschnitts der Londoner
Scekriegsrechtserklärung vom 26. Februar 1909.

Unter Blockade versteht man die Absperrung feindlicher oder vom Feinde
besetzter Häfen und Küsten gegen das Ein- und Auslaufen von Schiffen. Ihr
Hauptzweck ist die Absperrung des Gegners vom Seehandelsverkehr. Auf die
Handelsinteressen der Neutralen wird insofern Rücksicht genommen, als die
Versperrung des Zuganges zu neutralen Häfen und Küsten ausdrücklich verboten ist.

Die rechtliche Wirksamkeit einer Blockade, das heißt vor allem die Berechtigung
der blockierenden Macht zur Aufbringung und Einziehung von Blockadebrechern,
ist durch drei Voraussetzungen bedingt: die Blockade muß erklärt, bekannt gemacht
und tatsächlich wirksam sein. Blockadeerklärung ist derjenige Akt einer Kriegs-
partei, welcher feststellt, daß eine Blockade über ein bestimmtes Gebiet an einem
bestimmten Zeitpunkt in Kraft getreten ist oder in Kraft treten wird, und gleichzeitig
eine Frist setzt, innerhalb deren neutrale Schiffe den blockierten Bereich verlassen
dürfen. Die eingangs mitgeteilte Blockadeerklärung des Vizeadmirals Kato
bietet ein anschauliches Beispiel. Die Blockadebekanntmachung besteht darin,
daß die Blockadeerklärung den neutralen Mächten, ferner den örtlich zuständigen
Behörden des blockierten Bereichs und endlich auch den in Unkenntnis der
Blockade einem blockierten Hafen sich nähernden Schiffen zur Kenntnis gebracht
wird. Auch die Ausdehnung, Einschränkung oder freiwillige Aufhebung der
Blockade muß — im Interesse der Neutralen — förmlich bekannt gegeben werden.
Über das Erfordernis der tatsächlichen Wirksamkeit ist das Grundsätzliche bereits
in den einleitenden Bemerkungen mitgeteilt worden. Hinzugefügt sei, daß einzelne
Fälle gelungenen Blockadebruchs (wie sie bei umsichtigen Wetter leicht eintreten
können) an sich noch keinen Beweis gegen die Effektivität der Blockade liefern
und, daß eine Blockade nicht dadurch aufgehoben wird, daß die blockierenden
Streitkräfte sich infolge schlechten Weites zeitweise entfernen.


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[0208] Das alte und das neue Blockaderecht galt der Beseitigung des Anspruches, daß eine Blockade über feindliche Küsten durch bloße Erklärung verhängt werden könne — mit der Wirkung, daß alle das blockierte Gebiet anlaufenden oder verlassenden Kauffahrteischiffe der Weg¬ nahme durch die blockadeerklärende Macht unterworfen seien. Der unermüdliche Verteidiger dieser sogenannten Papierblockaden (b!oLU8 8ur le papier) war England gewesen, und in der Seclriegsgeschichte führen sie noch heute vielfach den Namen „blocus anZIal8"; kein Wunder, wenn man liest, was das Mit¬ glied des britischen Admiralitätsgerichts James Mariot im Jahre 1780 aus- sprach: „Vermöge seiner natürlichen geographischen Lage betrachtet Gro߬ britannien alle Häfen Spaniens und Frankreichs als blockiert; dieser Anspruch, der sich auf die Beherrschung der Meere gründet, ist stets erneuert worden. Großbritannien ist berechtigt, seine Lage wie ein Geschenk, das die Vorsehung ihm beschieden hat, auszunutzen." Die Regel von 1856, daß papierne Blockaden nicht rechtsverbindlich sein sollen, hat ihre Geltung in den Seekriegen der folgenden Jahrzehnte behauptet. Sie bildet auch den Kern des die Blockade behandelnden Abschnitts der Londoner Scekriegsrechtserklärung vom 26. Februar 1909. Unter Blockade versteht man die Absperrung feindlicher oder vom Feinde besetzter Häfen und Küsten gegen das Ein- und Auslaufen von Schiffen. Ihr Hauptzweck ist die Absperrung des Gegners vom Seehandelsverkehr. Auf die Handelsinteressen der Neutralen wird insofern Rücksicht genommen, als die Versperrung des Zuganges zu neutralen Häfen und Küsten ausdrücklich verboten ist. Die rechtliche Wirksamkeit einer Blockade, das heißt vor allem die Berechtigung der blockierenden Macht zur Aufbringung und Einziehung von Blockadebrechern, ist durch drei Voraussetzungen bedingt: die Blockade muß erklärt, bekannt gemacht und tatsächlich wirksam sein. Blockadeerklärung ist derjenige Akt einer Kriegs- partei, welcher feststellt, daß eine Blockade über ein bestimmtes Gebiet an einem bestimmten Zeitpunkt in Kraft getreten ist oder in Kraft treten wird, und gleichzeitig eine Frist setzt, innerhalb deren neutrale Schiffe den blockierten Bereich verlassen dürfen. Die eingangs mitgeteilte Blockadeerklärung des Vizeadmirals Kato bietet ein anschauliches Beispiel. Die Blockadebekanntmachung besteht darin, daß die Blockadeerklärung den neutralen Mächten, ferner den örtlich zuständigen Behörden des blockierten Bereichs und endlich auch den in Unkenntnis der Blockade einem blockierten Hafen sich nähernden Schiffen zur Kenntnis gebracht wird. Auch die Ausdehnung, Einschränkung oder freiwillige Aufhebung der Blockade muß — im Interesse der Neutralen — förmlich bekannt gegeben werden. Über das Erfordernis der tatsächlichen Wirksamkeit ist das Grundsätzliche bereits in den einleitenden Bemerkungen mitgeteilt worden. Hinzugefügt sei, daß einzelne Fälle gelungenen Blockadebruchs (wie sie bei umsichtigen Wetter leicht eintreten können) an sich noch keinen Beweis gegen die Effektivität der Blockade liefern und, daß eine Blockade nicht dadurch aufgehoben wird, daß die blockierenden Streitkräfte sich infolge schlechten Weites zeitweise entfernen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/208>, abgerufen am 27.09.2024.