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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Frauen als Vormund

wir die deutsche Reichsstatistik des auswärtigen Handels für 1902 aufschlagen,
so finden wir unter den Vereinigten Staaten in der Einleitung an Haupt¬
einfuhrgegenständen aus den Vereinigten Staaten nach Deutschland namentlich
nachgewiesen für 835,1 Millionen Mark Warenwert, an Hauptausfuhrgegen-
stünden 312,7 Millionen Mark Warenwert. Von jenen 835,1 Millionen Mark
Einfuhr sind 410,9 Millionen Mark, von den 312,7 Millionen Mark Ausfuhr
sind höchstens 27,2 Millionen Mark zollfrei geblieben. Also auch bei dieser
Gegenüberstellung stoßen wir auf ganz abnorme Verschiedenheiten. Im allge¬
meinen kann man sagen, daß in den Vereinigten Staaten 42 Prozent, in
Deutschland bisher 52 Prozent der Einfuhr zollfrei blieben, daß die zoll¬
pflichtige Einfuhr belastet ist in den Vereinigten Staaten mit 50 Prozent, in
Deutschland mit 20 Prozent des Wertes.

Man muß deshalb den Wunsch aussprechen, daß es doch gelinge, die
Vereinigten Staaten zu bewegen, durch Abänderung des Dingleygesetzcs den
Abschluß eines Tarifvertrags mit Deutschland möglich zu machen.

Die einzelnen Forderungen aufzustellen, die bei dieser Gelegenheit zur
Wahrung deutscher Interessen vorgebracht werden müssen, ist nicht Aufgabe
eiues Aufsatzes wie des vorliegenden, sondern muß den Denkschriften der
einzelnen Handelskammern überlassen bleiben.




Frauen als Vormund

. s ist in weitern Kreisen leider noch nicht genügend bekannt, daß
durch das neue Bürgerliche Gesetzbuch den Frauen ein höchst
wichtiges Ehrenamt eingeräumt worden ist, nämlich die Übernahme
von Vormund- und Pflegschaften. Viele wissen nur von der Über-
! nähme der Vormundschaft der verwitweten Mutter für ihre ehe¬
lichen Kinder; sie wissen nicht, daß jeder verheirateten oder unverheirateten Frau,
soweit sie unbescholten ist, die Übernahme dieses öffentlichen Amtes erlaubt ist,
daß sich hier Gelegenheit bietet, als Staatsbürgerin das Vertrauen zu recht¬
fertigen, das ihnen der Gesetzgeber erwies, als er sie zu diesem Amte zuließ.
Hiermit aber ist den Frauen ein weites Feld fruchtbarer und sozial wertvoller
Arbeit gegeben. Hier können Tausende gebildeter Frauen, die sich nach nutz¬
bringender Tätigkeit sehnen, ein Arbeitsfeld finden, auf dem sie dem Manne
nicht als Feinde im Konkurrenzkampf erscheinen werden, sondern auf dem er sie
freudig als Genossin und Helferin begrüßen wird. Freiwillig wird er ihr
Pflichten anvertrauen, die ihm im gesteigerten Berufsleben zu schwer wurden,
und die er dadurch nicht so ausfüllen konnte, wie es im Interesse des allge¬
meinen Wohles nötig ist.

Zunächst einige erklärende Worte über Vormund- und Pflegschaften, und
zwar werde ich mich mir auf die für Minderjährige beziehen. Die Vormund¬
schaft soll der Ersatz für die elterliche Schutzgewalt sein. Sie wird demnach


Grenzboten III 19VS 10
Frauen als Vormund

wir die deutsche Reichsstatistik des auswärtigen Handels für 1902 aufschlagen,
so finden wir unter den Vereinigten Staaten in der Einleitung an Haupt¬
einfuhrgegenständen aus den Vereinigten Staaten nach Deutschland namentlich
nachgewiesen für 835,1 Millionen Mark Warenwert, an Hauptausfuhrgegen-
stünden 312,7 Millionen Mark Warenwert. Von jenen 835,1 Millionen Mark
Einfuhr sind 410,9 Millionen Mark, von den 312,7 Millionen Mark Ausfuhr
sind höchstens 27,2 Millionen Mark zollfrei geblieben. Also auch bei dieser
Gegenüberstellung stoßen wir auf ganz abnorme Verschiedenheiten. Im allge¬
meinen kann man sagen, daß in den Vereinigten Staaten 42 Prozent, in
Deutschland bisher 52 Prozent der Einfuhr zollfrei blieben, daß die zoll¬
pflichtige Einfuhr belastet ist in den Vereinigten Staaten mit 50 Prozent, in
Deutschland mit 20 Prozent des Wertes.

Man muß deshalb den Wunsch aussprechen, daß es doch gelinge, die
Vereinigten Staaten zu bewegen, durch Abänderung des Dingleygesetzcs den
Abschluß eines Tarifvertrags mit Deutschland möglich zu machen.

Die einzelnen Forderungen aufzustellen, die bei dieser Gelegenheit zur
Wahrung deutscher Interessen vorgebracht werden müssen, ist nicht Aufgabe
eiues Aufsatzes wie des vorliegenden, sondern muß den Denkschriften der
einzelnen Handelskammern überlassen bleiben.




Frauen als Vormund

. s ist in weitern Kreisen leider noch nicht genügend bekannt, daß
durch das neue Bürgerliche Gesetzbuch den Frauen ein höchst
wichtiges Ehrenamt eingeräumt worden ist, nämlich die Übernahme
von Vormund- und Pflegschaften. Viele wissen nur von der Über-
! nähme der Vormundschaft der verwitweten Mutter für ihre ehe¬
lichen Kinder; sie wissen nicht, daß jeder verheirateten oder unverheirateten Frau,
soweit sie unbescholten ist, die Übernahme dieses öffentlichen Amtes erlaubt ist,
daß sich hier Gelegenheit bietet, als Staatsbürgerin das Vertrauen zu recht¬
fertigen, das ihnen der Gesetzgeber erwies, als er sie zu diesem Amte zuließ.
Hiermit aber ist den Frauen ein weites Feld fruchtbarer und sozial wertvoller
Arbeit gegeben. Hier können Tausende gebildeter Frauen, die sich nach nutz¬
bringender Tätigkeit sehnen, ein Arbeitsfeld finden, auf dem sie dem Manne
nicht als Feinde im Konkurrenzkampf erscheinen werden, sondern auf dem er sie
freudig als Genossin und Helferin begrüßen wird. Freiwillig wird er ihr
Pflichten anvertrauen, die ihm im gesteigerten Berufsleben zu schwer wurden,
und die er dadurch nicht so ausfüllen konnte, wie es im Interesse des allge¬
meinen Wohles nötig ist.

Zunächst einige erklärende Worte über Vormund- und Pflegschaften, und
zwar werde ich mich mir auf die für Minderjährige beziehen. Die Vormund¬
schaft soll der Ersatz für die elterliche Schutzgewalt sein. Sie wird demnach


Grenzboten III 19VS 10
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[0081] Frauen als Vormund wir die deutsche Reichsstatistik des auswärtigen Handels für 1902 aufschlagen, so finden wir unter den Vereinigten Staaten in der Einleitung an Haupt¬ einfuhrgegenständen aus den Vereinigten Staaten nach Deutschland namentlich nachgewiesen für 835,1 Millionen Mark Warenwert, an Hauptausfuhrgegen- stünden 312,7 Millionen Mark Warenwert. Von jenen 835,1 Millionen Mark Einfuhr sind 410,9 Millionen Mark, von den 312,7 Millionen Mark Ausfuhr sind höchstens 27,2 Millionen Mark zollfrei geblieben. Also auch bei dieser Gegenüberstellung stoßen wir auf ganz abnorme Verschiedenheiten. Im allge¬ meinen kann man sagen, daß in den Vereinigten Staaten 42 Prozent, in Deutschland bisher 52 Prozent der Einfuhr zollfrei blieben, daß die zoll¬ pflichtige Einfuhr belastet ist in den Vereinigten Staaten mit 50 Prozent, in Deutschland mit 20 Prozent des Wertes. Man muß deshalb den Wunsch aussprechen, daß es doch gelinge, die Vereinigten Staaten zu bewegen, durch Abänderung des Dingleygesetzcs den Abschluß eines Tarifvertrags mit Deutschland möglich zu machen. Die einzelnen Forderungen aufzustellen, die bei dieser Gelegenheit zur Wahrung deutscher Interessen vorgebracht werden müssen, ist nicht Aufgabe eiues Aufsatzes wie des vorliegenden, sondern muß den Denkschriften der einzelnen Handelskammern überlassen bleiben. Frauen als Vormund . s ist in weitern Kreisen leider noch nicht genügend bekannt, daß durch das neue Bürgerliche Gesetzbuch den Frauen ein höchst wichtiges Ehrenamt eingeräumt worden ist, nämlich die Übernahme von Vormund- und Pflegschaften. Viele wissen nur von der Über- ! nähme der Vormundschaft der verwitweten Mutter für ihre ehe¬ lichen Kinder; sie wissen nicht, daß jeder verheirateten oder unverheirateten Frau, soweit sie unbescholten ist, die Übernahme dieses öffentlichen Amtes erlaubt ist, daß sich hier Gelegenheit bietet, als Staatsbürgerin das Vertrauen zu recht¬ fertigen, das ihnen der Gesetzgeber erwies, als er sie zu diesem Amte zuließ. Hiermit aber ist den Frauen ein weites Feld fruchtbarer und sozial wertvoller Arbeit gegeben. Hier können Tausende gebildeter Frauen, die sich nach nutz¬ bringender Tätigkeit sehnen, ein Arbeitsfeld finden, auf dem sie dem Manne nicht als Feinde im Konkurrenzkampf erscheinen werden, sondern auf dem er sie freudig als Genossin und Helferin begrüßen wird. Freiwillig wird er ihr Pflichten anvertrauen, die ihm im gesteigerten Berufsleben zu schwer wurden, und die er dadurch nicht so ausfüllen konnte, wie es im Interesse des allge¬ meinen Wohles nötig ist. Zunächst einige erklärende Worte über Vormund- und Pflegschaften, und zwar werde ich mich mir auf die für Minderjährige beziehen. Die Vormund¬ schaft soll der Ersatz für die elterliche Schutzgewalt sein. Sie wird demnach Grenzboten III 19VS 10

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/81>, abgerufen am 27.09.2024.