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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Junae Herzen

Die Brüxer Kirche hat sonst noch manches Sehenswerte, so im Chöre das
Sakramentshäuschen mit einem ganz wunderbaren Gemisch von gotischen und
Renaissancemotiven, ein bronzenes Taufbecken aus guter Renaissancezeit und
eine Anzahl Bilder, uuter denen das eine oder das andre wertvoll sein dürfte.

Wir brechen unsern Ausflug uach Nordböhmen hier ab. Über das Erz¬
gebirge eilen wir wieder der Heimat zu, freilich uicht ohne stark in Versuchung
zu geraten, dort noch Komotau mit seiner Katharinenkirche, einer wahren Perle
früher gotischer Baukunst, oder das Schloß Eisenberg mit seinen Schützen
-- interessant auch, weil Kunz von Kciufnngens Burg einst an der Stelle des
jetzigen Schlosses lag --, oder hier dem freundlichen Klostergrab, dessen Name
uns durch die Geschichte vom Dreißigjährigen Kriege geläufig ist, oder auch
dem kunstgeschichtlich so fesselnden Zisterzienserstift Ossegg oder dem Bergstädtchen
Graupen mit den bedeutenden Holzstatuen in der kleinen Kirche, mit seiner
Rosenburg und Wilhelmshöhe, wo Friedrich Wilhelm der Dritte so gern weilte,
einen Besuch abzustatten. Mit der elektrischen Bahn kommen wir bald von
Teplitz nach Eichwald, und von hier führt uns die Seegrundstraße, der schönste
Übergang nach Sachsen unter den vielen schönen, in etwa zwei Stunden nach
Zinnwald und von da entweder nach Geising oder über Altenberg nach Kips-
dorf, von wo wir mit der Bahn -- dort durch das Tal der Müglitz, hier
durch das der Roten Weißeritz -- in nicht zu langer Zeit wieder in Sachsens
H H. H. auptstadt eintreffen.




Junge Herzen
E Christoph er Boeck rzählung von
(Fortsetzung)
it- Großmutter fährt in den Wald

s war Sonntag Morgen.

Helene erwachte von einem leisen Klopfen an der Tür und hörte
Großmutters Stimme: Stehn Sie schnell auf, wir wollen in den
Wald!

Eilig sprang sie aus dem Bett, schnell war sie angekleidet.

Es hatte eben angefangen zu dämmern.

Sie sah nach der Uhr. Es war halb vier.

Auf dem Boden stand Großmutter, sie legte den Finger ans die Lippe und
zeigte nach der Schlafstube.

Leise die Treppe hinab!

Draußen hielt Ricks mit dem Einspänner in dem grauenden Morgen. Er
kannte diese Fahrten und wußte, daß es ein gutes Trinkgeld gab.

Großmutter und Helene nahmen Platz auf dem Wagen und fuhren über die
Hügel, nahe an die Stelle, wo das Walpurgisfeuer geflammt hatte.

Helene sah Großmutter ganz erstaunt an, sie war wie verjüngt.

Wir erreichen es noch, wir erreichen es noch! -- Fahren Sie aber schnell zu,
Ricks -- wir müssen da sein, ehe die Sonne aufgeht.

Sie geht nicht vor einer Stunde auf! sagte Ricks, und er trieb das Pferd
gemächlich an.


Junae Herzen

Die Brüxer Kirche hat sonst noch manches Sehenswerte, so im Chöre das
Sakramentshäuschen mit einem ganz wunderbaren Gemisch von gotischen und
Renaissancemotiven, ein bronzenes Taufbecken aus guter Renaissancezeit und
eine Anzahl Bilder, uuter denen das eine oder das andre wertvoll sein dürfte.

Wir brechen unsern Ausflug uach Nordböhmen hier ab. Über das Erz¬
gebirge eilen wir wieder der Heimat zu, freilich uicht ohne stark in Versuchung
zu geraten, dort noch Komotau mit seiner Katharinenkirche, einer wahren Perle
früher gotischer Baukunst, oder das Schloß Eisenberg mit seinen Schützen
— interessant auch, weil Kunz von Kciufnngens Burg einst an der Stelle des
jetzigen Schlosses lag —, oder hier dem freundlichen Klostergrab, dessen Name
uns durch die Geschichte vom Dreißigjährigen Kriege geläufig ist, oder auch
dem kunstgeschichtlich so fesselnden Zisterzienserstift Ossegg oder dem Bergstädtchen
Graupen mit den bedeutenden Holzstatuen in der kleinen Kirche, mit seiner
Rosenburg und Wilhelmshöhe, wo Friedrich Wilhelm der Dritte so gern weilte,
einen Besuch abzustatten. Mit der elektrischen Bahn kommen wir bald von
Teplitz nach Eichwald, und von hier führt uns die Seegrundstraße, der schönste
Übergang nach Sachsen unter den vielen schönen, in etwa zwei Stunden nach
Zinnwald und von da entweder nach Geising oder über Altenberg nach Kips-
dorf, von wo wir mit der Bahn — dort durch das Tal der Müglitz, hier
durch das der Roten Weißeritz — in nicht zu langer Zeit wieder in Sachsens
H H. H. auptstadt eintreffen.




Junge Herzen
E Christoph er Boeck rzählung von
(Fortsetzung)
it- Großmutter fährt in den Wald

s war Sonntag Morgen.

Helene erwachte von einem leisen Klopfen an der Tür und hörte
Großmutters Stimme: Stehn Sie schnell auf, wir wollen in den
Wald!

Eilig sprang sie aus dem Bett, schnell war sie angekleidet.

Es hatte eben angefangen zu dämmern.

Sie sah nach der Uhr. Es war halb vier.

Auf dem Boden stand Großmutter, sie legte den Finger ans die Lippe und
zeigte nach der Schlafstube.

Leise die Treppe hinab!

Draußen hielt Ricks mit dem Einspänner in dem grauenden Morgen. Er
kannte diese Fahrten und wußte, daß es ein gutes Trinkgeld gab.

Großmutter und Helene nahmen Platz auf dem Wagen und fuhren über die
Hügel, nahe an die Stelle, wo das Walpurgisfeuer geflammt hatte.

Helene sah Großmutter ganz erstaunt an, sie war wie verjüngt.

Wir erreichen es noch, wir erreichen es noch! — Fahren Sie aber schnell zu,
Ricks — wir müssen da sein, ehe die Sonne aufgeht.

Sie geht nicht vor einer Stunde auf! sagte Ricks, und er trieb das Pferd
gemächlich an.


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[0676] Junae Herzen Die Brüxer Kirche hat sonst noch manches Sehenswerte, so im Chöre das Sakramentshäuschen mit einem ganz wunderbaren Gemisch von gotischen und Renaissancemotiven, ein bronzenes Taufbecken aus guter Renaissancezeit und eine Anzahl Bilder, uuter denen das eine oder das andre wertvoll sein dürfte. Wir brechen unsern Ausflug uach Nordböhmen hier ab. Über das Erz¬ gebirge eilen wir wieder der Heimat zu, freilich uicht ohne stark in Versuchung zu geraten, dort noch Komotau mit seiner Katharinenkirche, einer wahren Perle früher gotischer Baukunst, oder das Schloß Eisenberg mit seinen Schützen — interessant auch, weil Kunz von Kciufnngens Burg einst an der Stelle des jetzigen Schlosses lag —, oder hier dem freundlichen Klostergrab, dessen Name uns durch die Geschichte vom Dreißigjährigen Kriege geläufig ist, oder auch dem kunstgeschichtlich so fesselnden Zisterzienserstift Ossegg oder dem Bergstädtchen Graupen mit den bedeutenden Holzstatuen in der kleinen Kirche, mit seiner Rosenburg und Wilhelmshöhe, wo Friedrich Wilhelm der Dritte so gern weilte, einen Besuch abzustatten. Mit der elektrischen Bahn kommen wir bald von Teplitz nach Eichwald, und von hier führt uns die Seegrundstraße, der schönste Übergang nach Sachsen unter den vielen schönen, in etwa zwei Stunden nach Zinnwald und von da entweder nach Geising oder über Altenberg nach Kips- dorf, von wo wir mit der Bahn — dort durch das Tal der Müglitz, hier durch das der Roten Weißeritz — in nicht zu langer Zeit wieder in Sachsens H H. H. auptstadt eintreffen. Junge Herzen E Christoph er Boeck rzählung von (Fortsetzung) it- Großmutter fährt in den Wald s war Sonntag Morgen. Helene erwachte von einem leisen Klopfen an der Tür und hörte Großmutters Stimme: Stehn Sie schnell auf, wir wollen in den Wald! Eilig sprang sie aus dem Bett, schnell war sie angekleidet. Es hatte eben angefangen zu dämmern. Sie sah nach der Uhr. Es war halb vier. Auf dem Boden stand Großmutter, sie legte den Finger ans die Lippe und zeigte nach der Schlafstube. Leise die Treppe hinab! Draußen hielt Ricks mit dem Einspänner in dem grauenden Morgen. Er kannte diese Fahrten und wußte, daß es ein gutes Trinkgeld gab. Großmutter und Helene nahmen Platz auf dem Wagen und fuhren über die Hügel, nahe an die Stelle, wo das Walpurgisfeuer geflammt hatte. Helene sah Großmutter ganz erstaunt an, sie war wie verjüngt. Wir erreichen es noch, wir erreichen es noch! — Fahren Sie aber schnell zu, Ricks — wir müssen da sein, ehe die Sonne aufgeht. Sie geht nicht vor einer Stunde auf! sagte Ricks, und er trieb das Pferd gemächlich an.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/676>, abgerufen am 27.09.2024.