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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren

sanken. Wir hatten vor jeden: Wagen vier Paar Pferde, mußten aber ununterbrochen
mit Winden und Bohlen nachhelfen, was ein schweres Stück Arbeit war. Wir
hatten damit von zehn Uhr am Morgen bis drei Uhr am Nachmittag zu tun. Bei
dem Berliner Bundesschießen trafen wir viele Bekannte aus Süddeutschland, über¬
haupt war das Fest sehr gut besucht, und wir machten namentlich Sonntags ein
vorzügliches Geschäft. An die Maschine wurden bei dem starken Betriebe große
Anforderungen gestellt, und ich hatte, als wir an einem Sonntag sechzehn Touren
in der Stunde machten, den Maschinisten ermahnt, gehörig zu schmieren. Das
mußte er aber doch wohl versäumt haben, denn plötzlich gegen elf Uhr stand die
Maschine still. Ich ließ den Dampf absperren und unterzog die Maschine einer
genauen Untersuchung. Dabei stellte sich heraus, daß die Scheibe an einem der
Exzenter, die auf jeder Seite der Maschine von der Kurbel aus nach dem Schieber¬
kasten gehn, festgebrannt war. Da es eine Zwillingsmaschine war, mußte sich
folglich die eine Exzenterstange aus ihrer Form verbiegen, was das Stillstehn
zur Folge hatte. Ich löste mit Hilfe des Schraubenschlüssels die Scheibe, kühlte
sie in Wasser, reinigte sie und schmiedete dann auf einem eisernen Träger die
Eisenstange so lange, bis sie in Form der andern einigermaßen genau entsprach,
Wobei ich mit einem Bindfaden von Zeit zu Zeit Maß nahm. So wurde der
Schaden, während das Publikum das Karussell wartend umdrängte, in kurzer Zeit
wieder so weit geheilt, daß wir bis zum Schlüsse fahren konnten, wobei allerdings
ein verdächtiges Pfeifen der Stopfbüchsen am Schieberkasten verriet, daß meine
Reparatur doch uicht so ganz vollkommen war. Am andern Tage wurde dann ein
Maschinenbauer zu Rate gezogen, der die Maschine wieder in Stand setzte. Am
letzten Sonntag ging das Geschäft am besten; wir ließen uns von jedem, der fuhr,
gleichviel, ob es ein Erwachsner oder ein Kind war, zehn Pfennige bezahlen und
machten eine Einnahme von dreizehnhundertsiebzig Mark.

Am andern Morgen reisten wir dann nach Burg bei Magdeburg. Von dort
fuhr unser Geschäftsführer nach Apolda zur Platzversteigerung und besuchte bei
dieser Gelegenheit auch meine Frau, der ich eine Kanarienvogelzucht eingerichtet
hatte. Ich erstaunte deshalb nicht wenig, als mir Lindig mitteilte, meine Frau
habe alle Vögel verkauft. Auf der Reise nach Weimar blieb ich mit Lindig und
seiner Frau in Apolda und lud sie ein, in meiner Wohnung zu übernachten. Meine
Frau empfing mich nicht gerade mit offnen Armen, und es wäre zu ernstem Streite
gekommen, wenn sich nicht Lindig ins Mittel gelegt hätte. Am andern Morgen
reisten wir nach Weimar, ich kehrte aber, da unsre Wagen noch nicht angekommen
waren, für den Rest des Tages nach Apolda zurück und war am nächsten Morgen
wieder in Weimar. Dort geriet ich während des Ausladens mit dem Geschäfts¬
führer in Meinungsverschiedenheiten und trat aus. Ich suchte auf dem Festplntz
Arbeit und fand auch schließlich Anstellung als Rekommandenr bei dem Hippodrom
der Frau Christiansen, wo ich an Wochentagen vier Mark, an Sonntagen sechs
Mark erhielt.

Nach Beendigung des Weimarischen Schützenfestes reiste der Hippodrom nach
Freiberg, wohin ich ihm zu folgen keine Lust verspürte. Ich blieb deshalb in
Apolda, wo jetzt das Schützenfest begann, und sah mich nach Arbeit um. Zufällig
kam ich dazu, wie das Schiffskarussell von Uhlemann und Reiche! aus Zschopcm
an der Rampe ausgeladen wurde. Ich meldete mich sofort bei den? Besitzer und
fragte ihn, ob ich als Maschinist bei ihm Arbeit finden könne. Er antwortete,
daß er gerade einen Maschinisten brauche, und fragte mich, wieviel Lohn ich be¬
anspruche. Ich forderte sechzig Mark für den Monat, was ihm zu viel war; wir
einigten uns schließlich auf fünfzig Mark und freie Station. Ich half denn auch
sogleich beim Aufbauen und war, als wir am Sonntag Nachmittag das Geschäft
eröffneten, nicht wenig verwundert, als der Manometer des Kessels fünf Atmosphären
zeigte, die aber zum Betriebe des Kessels nicht ausreichten. Mein Prinzipal teilte
mir mit, daß ich den Dampf auf sechs Atmosphären erhöhen müsse, bevor wir fahren


Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren

sanken. Wir hatten vor jeden: Wagen vier Paar Pferde, mußten aber ununterbrochen
mit Winden und Bohlen nachhelfen, was ein schweres Stück Arbeit war. Wir
hatten damit von zehn Uhr am Morgen bis drei Uhr am Nachmittag zu tun. Bei
dem Berliner Bundesschießen trafen wir viele Bekannte aus Süddeutschland, über¬
haupt war das Fest sehr gut besucht, und wir machten namentlich Sonntags ein
vorzügliches Geschäft. An die Maschine wurden bei dem starken Betriebe große
Anforderungen gestellt, und ich hatte, als wir an einem Sonntag sechzehn Touren
in der Stunde machten, den Maschinisten ermahnt, gehörig zu schmieren. Das
mußte er aber doch wohl versäumt haben, denn plötzlich gegen elf Uhr stand die
Maschine still. Ich ließ den Dampf absperren und unterzog die Maschine einer
genauen Untersuchung. Dabei stellte sich heraus, daß die Scheibe an einem der
Exzenter, die auf jeder Seite der Maschine von der Kurbel aus nach dem Schieber¬
kasten gehn, festgebrannt war. Da es eine Zwillingsmaschine war, mußte sich
folglich die eine Exzenterstange aus ihrer Form verbiegen, was das Stillstehn
zur Folge hatte. Ich löste mit Hilfe des Schraubenschlüssels die Scheibe, kühlte
sie in Wasser, reinigte sie und schmiedete dann auf einem eisernen Träger die
Eisenstange so lange, bis sie in Form der andern einigermaßen genau entsprach,
Wobei ich mit einem Bindfaden von Zeit zu Zeit Maß nahm. So wurde der
Schaden, während das Publikum das Karussell wartend umdrängte, in kurzer Zeit
wieder so weit geheilt, daß wir bis zum Schlüsse fahren konnten, wobei allerdings
ein verdächtiges Pfeifen der Stopfbüchsen am Schieberkasten verriet, daß meine
Reparatur doch uicht so ganz vollkommen war. Am andern Tage wurde dann ein
Maschinenbauer zu Rate gezogen, der die Maschine wieder in Stand setzte. Am
letzten Sonntag ging das Geschäft am besten; wir ließen uns von jedem, der fuhr,
gleichviel, ob es ein Erwachsner oder ein Kind war, zehn Pfennige bezahlen und
machten eine Einnahme von dreizehnhundertsiebzig Mark.

Am andern Morgen reisten wir dann nach Burg bei Magdeburg. Von dort
fuhr unser Geschäftsführer nach Apolda zur Platzversteigerung und besuchte bei
dieser Gelegenheit auch meine Frau, der ich eine Kanarienvogelzucht eingerichtet
hatte. Ich erstaunte deshalb nicht wenig, als mir Lindig mitteilte, meine Frau
habe alle Vögel verkauft. Auf der Reise nach Weimar blieb ich mit Lindig und
seiner Frau in Apolda und lud sie ein, in meiner Wohnung zu übernachten. Meine
Frau empfing mich nicht gerade mit offnen Armen, und es wäre zu ernstem Streite
gekommen, wenn sich nicht Lindig ins Mittel gelegt hätte. Am andern Morgen
reisten wir nach Weimar, ich kehrte aber, da unsre Wagen noch nicht angekommen
waren, für den Rest des Tages nach Apolda zurück und war am nächsten Morgen
wieder in Weimar. Dort geriet ich während des Ausladens mit dem Geschäfts¬
führer in Meinungsverschiedenheiten und trat aus. Ich suchte auf dem Festplntz
Arbeit und fand auch schließlich Anstellung als Rekommandenr bei dem Hippodrom
der Frau Christiansen, wo ich an Wochentagen vier Mark, an Sonntagen sechs
Mark erhielt.

Nach Beendigung des Weimarischen Schützenfestes reiste der Hippodrom nach
Freiberg, wohin ich ihm zu folgen keine Lust verspürte. Ich blieb deshalb in
Apolda, wo jetzt das Schützenfest begann, und sah mich nach Arbeit um. Zufällig
kam ich dazu, wie das Schiffskarussell von Uhlemann und Reiche! aus Zschopcm
an der Rampe ausgeladen wurde. Ich meldete mich sofort bei den? Besitzer und
fragte ihn, ob ich als Maschinist bei ihm Arbeit finden könne. Er antwortete,
daß er gerade einen Maschinisten brauche, und fragte mich, wieviel Lohn ich be¬
anspruche. Ich forderte sechzig Mark für den Monat, was ihm zu viel war; wir
einigten uns schließlich auf fünfzig Mark und freie Station. Ich half denn auch
sogleich beim Aufbauen und war, als wir am Sonntag Nachmittag das Geschäft
eröffneten, nicht wenig verwundert, als der Manometer des Kessels fünf Atmosphären
zeigte, die aber zum Betriebe des Kessels nicht ausreichten. Mein Prinzipal teilte
mir mit, daß ich den Dampf auf sechs Atmosphären erhöhen müsse, bevor wir fahren


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[0614] Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren sanken. Wir hatten vor jeden: Wagen vier Paar Pferde, mußten aber ununterbrochen mit Winden und Bohlen nachhelfen, was ein schweres Stück Arbeit war. Wir hatten damit von zehn Uhr am Morgen bis drei Uhr am Nachmittag zu tun. Bei dem Berliner Bundesschießen trafen wir viele Bekannte aus Süddeutschland, über¬ haupt war das Fest sehr gut besucht, und wir machten namentlich Sonntags ein vorzügliches Geschäft. An die Maschine wurden bei dem starken Betriebe große Anforderungen gestellt, und ich hatte, als wir an einem Sonntag sechzehn Touren in der Stunde machten, den Maschinisten ermahnt, gehörig zu schmieren. Das mußte er aber doch wohl versäumt haben, denn plötzlich gegen elf Uhr stand die Maschine still. Ich ließ den Dampf absperren und unterzog die Maschine einer genauen Untersuchung. Dabei stellte sich heraus, daß die Scheibe an einem der Exzenter, die auf jeder Seite der Maschine von der Kurbel aus nach dem Schieber¬ kasten gehn, festgebrannt war. Da es eine Zwillingsmaschine war, mußte sich folglich die eine Exzenterstange aus ihrer Form verbiegen, was das Stillstehn zur Folge hatte. Ich löste mit Hilfe des Schraubenschlüssels die Scheibe, kühlte sie in Wasser, reinigte sie und schmiedete dann auf einem eisernen Träger die Eisenstange so lange, bis sie in Form der andern einigermaßen genau entsprach, Wobei ich mit einem Bindfaden von Zeit zu Zeit Maß nahm. So wurde der Schaden, während das Publikum das Karussell wartend umdrängte, in kurzer Zeit wieder so weit geheilt, daß wir bis zum Schlüsse fahren konnten, wobei allerdings ein verdächtiges Pfeifen der Stopfbüchsen am Schieberkasten verriet, daß meine Reparatur doch uicht so ganz vollkommen war. Am andern Tage wurde dann ein Maschinenbauer zu Rate gezogen, der die Maschine wieder in Stand setzte. Am letzten Sonntag ging das Geschäft am besten; wir ließen uns von jedem, der fuhr, gleichviel, ob es ein Erwachsner oder ein Kind war, zehn Pfennige bezahlen und machten eine Einnahme von dreizehnhundertsiebzig Mark. Am andern Morgen reisten wir dann nach Burg bei Magdeburg. Von dort fuhr unser Geschäftsführer nach Apolda zur Platzversteigerung und besuchte bei dieser Gelegenheit auch meine Frau, der ich eine Kanarienvogelzucht eingerichtet hatte. Ich erstaunte deshalb nicht wenig, als mir Lindig mitteilte, meine Frau habe alle Vögel verkauft. Auf der Reise nach Weimar blieb ich mit Lindig und seiner Frau in Apolda und lud sie ein, in meiner Wohnung zu übernachten. Meine Frau empfing mich nicht gerade mit offnen Armen, und es wäre zu ernstem Streite gekommen, wenn sich nicht Lindig ins Mittel gelegt hätte. Am andern Morgen reisten wir nach Weimar, ich kehrte aber, da unsre Wagen noch nicht angekommen waren, für den Rest des Tages nach Apolda zurück und war am nächsten Morgen wieder in Weimar. Dort geriet ich während des Ausladens mit dem Geschäfts¬ führer in Meinungsverschiedenheiten und trat aus. Ich suchte auf dem Festplntz Arbeit und fand auch schließlich Anstellung als Rekommandenr bei dem Hippodrom der Frau Christiansen, wo ich an Wochentagen vier Mark, an Sonntagen sechs Mark erhielt. Nach Beendigung des Weimarischen Schützenfestes reiste der Hippodrom nach Freiberg, wohin ich ihm zu folgen keine Lust verspürte. Ich blieb deshalb in Apolda, wo jetzt das Schützenfest begann, und sah mich nach Arbeit um. Zufällig kam ich dazu, wie das Schiffskarussell von Uhlemann und Reiche! aus Zschopcm an der Rampe ausgeladen wurde. Ich meldete mich sofort bei den? Besitzer und fragte ihn, ob ich als Maschinist bei ihm Arbeit finden könne. Er antwortete, daß er gerade einen Maschinisten brauche, und fragte mich, wieviel Lohn ich be¬ anspruche. Ich forderte sechzig Mark für den Monat, was ihm zu viel war; wir einigten uns schließlich auf fünfzig Mark und freie Station. Ich half denn auch sogleich beim Aufbauen und war, als wir am Sonntag Nachmittag das Geschäft eröffneten, nicht wenig verwundert, als der Manometer des Kessels fünf Atmosphären zeigte, die aber zum Betriebe des Kessels nicht ausreichten. Mein Prinzipal teilte mir mit, daß ich den Dampf auf sechs Atmosphären erhöhen müsse, bevor wir fahren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/614>, abgerufen am 27.09.2024.