Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.Die deutsche Sozialdemokrcitie und die sozialpolitische Gesetzgebung Noch auffälliger als die meisten verneinenden Abstimmungen der Sozial¬ Dasselbe gilt von folgenden Gesetzen: betreffend außerordentliche Aus¬ Die deutsche Sozialdemokrcitie und die sozialpolitische Gesetzgebung Noch auffälliger als die meisten verneinenden Abstimmungen der Sozial¬ Dasselbe gilt von folgenden Gesetzen: betreffend außerordentliche Aus¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0528" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/298047"/> <fw type="header" place="top"> Die deutsche Sozialdemokrcitie und die sozialpolitische Gesetzgebung</fw><lb/> <p xml:id="ID_2684"> Noch auffälliger als die meisten verneinenden Abstimmungen der Sozial¬<lb/> demokratie sind die nicht feststellbaren Abstimmungen, obwohl darunter<lb/> eine Reihe von Gesetzen ist, die für die Sozialdemokratie geradezu grundlegend<lb/> waren. Hierzu gehören die folgenden: Gesetz vom 1. November 1867 be¬<lb/> treffend die Freizügigkeit; Gesetz vom 4. Mai 1868 über die Aufhebung der<lb/> polizeilichen Beschränkungen der Eheschließung; ferner aus dem Jahre 1868<lb/> die Gesetze betreffend die Aufhebung der Schuldhaft, die Schließung und Be¬<lb/> schränkung der öffentlichen Spielbanken, und das Gesetz über den Betrieb der<lb/> stehenden Gewerbe. 1869 das Gesetz betreffend die Beschlagnahme des Arbeits¬<lb/> und Dienstlohns, sowie die Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund.<lb/> Die Abstimmung ist auch hierbei ungeachtet vieler Reden von Bebel, Schweitzer<lb/> und Hasenclever nicht feststellbar. 1870 das Strafgesetzbuch für den Nord¬<lb/> deutschen Bund (Abstimmung trotz Reden von Bebel nicht zu ermitteln), das<lb/> Gesetz über den Unterstützungswohnsitz und das Gesetz betreffend das Urheber¬<lb/> recht an Schriftwerken, Abbildungen, musikalischen Kompositionen usw. In<lb/> der Gesetzgebung nach dem Kriege ist die Abstimmung der Sozialdemokratie<lb/> nicht feststellbar bei der Seemannsorduuug (Gesetz vom 27. Dezember 1872),<lb/> dem Gesetz über die Verpflichtung deutscher Kauffahrteischiffe zur Mitnahme<lb/> hilfsbedürftiger Seeleute und dem Gesetz über die Gründung des Reichs¬<lb/> invalidenfonds.</p><lb/> <p xml:id="ID_2685" next="#ID_2686"> Dasselbe gilt von folgenden Gesetzen: betreffend außerordentliche Aus¬<lb/> gaben für die Jahre 1873 und 1874 zur Verbesserung der Lage der Unter¬<lb/> offiziere, den Markenschutz, das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste,<lb/> Schutz der Photographien gegen unbefugte Nachbildung, das Urheberrecht an<lb/> Mustern und Modellen, Kaiser-Wilhelm-Stiftung für die Augehörigen der<lb/> Reichspostverwaltnng; das Patentgesetz; Gesetz betreffend den Verkehr mit<lb/> Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen, die Anfechtung<lb/> von Rechtshandlungen eines Schuldners, Abänderung der Gewerbeordnung<lb/> vom 23. Juli 1879 (Pfandleihe, Wirtschaftskonzessivnen usw.); Gesetz vom<lb/> 24. Mai 1880 betreffend den Wucher. Bei diesem Gesetz ist folgendes fest¬<lb/> zustellen: Von den damals vorhandnen nenn sozialdemokratischen Abgeordneten<lb/> hat bei den drei Beratungen der Vorlage nur der Abgeordnete Kayser am<lb/> 20. April das Wort genommen. Er erklärte, daß er für seine Person für die<lb/> Vorlage stimme. Die Fraktion als solche „habe keine Gelegenheit gehabt, zu der<lb/> Vorlage Stellung zu nehmen," doch glaube er, daß der größte Teil der Partei¬<lb/> genossen seinen Standpunkt teile, obwohl es unter seinen Parteifreunden auch<lb/> Leute gebe, die diese Vorlage von der Hand wiesen, weil sie meinten, daß<lb/> innerhalb der heutigen Gesellschaft solche einzelne Reformen unwirksam seien.<lb/> Eine namentliche Abstimmung fand nicht statt, der Gesetzentwurf wurde „von<lb/> der großen Mehrheit des Hauses" angenommen. Ferner nicht feststellbar ist<lb/> die Abstimmung der Partei bei folgenden Gesetzen: Abwehr und Unterdrückung<lb/> von Viehseuchen; Fürsorge für die Witwen und Waisen der Reichsbeamten<lb/> der Zivilverwaltung; Abänderung der Gewerbeordnung vom 18. Juni 1881<lb/> (Jnnungsgesetz); Gesetz betreffend Erhebung einer Berufsstatistik (13. Fe¬<lb/> bruar 1882). Die Abstimmung der Sozialdemokraten ist trotz Reden von</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0528]
Die deutsche Sozialdemokrcitie und die sozialpolitische Gesetzgebung
Noch auffälliger als die meisten verneinenden Abstimmungen der Sozial¬
demokratie sind die nicht feststellbaren Abstimmungen, obwohl darunter
eine Reihe von Gesetzen ist, die für die Sozialdemokratie geradezu grundlegend
waren. Hierzu gehören die folgenden: Gesetz vom 1. November 1867 be¬
treffend die Freizügigkeit; Gesetz vom 4. Mai 1868 über die Aufhebung der
polizeilichen Beschränkungen der Eheschließung; ferner aus dem Jahre 1868
die Gesetze betreffend die Aufhebung der Schuldhaft, die Schließung und Be¬
schränkung der öffentlichen Spielbanken, und das Gesetz über den Betrieb der
stehenden Gewerbe. 1869 das Gesetz betreffend die Beschlagnahme des Arbeits¬
und Dienstlohns, sowie die Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund.
Die Abstimmung ist auch hierbei ungeachtet vieler Reden von Bebel, Schweitzer
und Hasenclever nicht feststellbar. 1870 das Strafgesetzbuch für den Nord¬
deutschen Bund (Abstimmung trotz Reden von Bebel nicht zu ermitteln), das
Gesetz über den Unterstützungswohnsitz und das Gesetz betreffend das Urheber¬
recht an Schriftwerken, Abbildungen, musikalischen Kompositionen usw. In
der Gesetzgebung nach dem Kriege ist die Abstimmung der Sozialdemokratie
nicht feststellbar bei der Seemannsorduuug (Gesetz vom 27. Dezember 1872),
dem Gesetz über die Verpflichtung deutscher Kauffahrteischiffe zur Mitnahme
hilfsbedürftiger Seeleute und dem Gesetz über die Gründung des Reichs¬
invalidenfonds.
Dasselbe gilt von folgenden Gesetzen: betreffend außerordentliche Aus¬
gaben für die Jahre 1873 und 1874 zur Verbesserung der Lage der Unter¬
offiziere, den Markenschutz, das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste,
Schutz der Photographien gegen unbefugte Nachbildung, das Urheberrecht an
Mustern und Modellen, Kaiser-Wilhelm-Stiftung für die Augehörigen der
Reichspostverwaltnng; das Patentgesetz; Gesetz betreffend den Verkehr mit
Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen, die Anfechtung
von Rechtshandlungen eines Schuldners, Abänderung der Gewerbeordnung
vom 23. Juli 1879 (Pfandleihe, Wirtschaftskonzessivnen usw.); Gesetz vom
24. Mai 1880 betreffend den Wucher. Bei diesem Gesetz ist folgendes fest¬
zustellen: Von den damals vorhandnen nenn sozialdemokratischen Abgeordneten
hat bei den drei Beratungen der Vorlage nur der Abgeordnete Kayser am
20. April das Wort genommen. Er erklärte, daß er für seine Person für die
Vorlage stimme. Die Fraktion als solche „habe keine Gelegenheit gehabt, zu der
Vorlage Stellung zu nehmen," doch glaube er, daß der größte Teil der Partei¬
genossen seinen Standpunkt teile, obwohl es unter seinen Parteifreunden auch
Leute gebe, die diese Vorlage von der Hand wiesen, weil sie meinten, daß
innerhalb der heutigen Gesellschaft solche einzelne Reformen unwirksam seien.
Eine namentliche Abstimmung fand nicht statt, der Gesetzentwurf wurde „von
der großen Mehrheit des Hauses" angenommen. Ferner nicht feststellbar ist
die Abstimmung der Partei bei folgenden Gesetzen: Abwehr und Unterdrückung
von Viehseuchen; Fürsorge für die Witwen und Waisen der Reichsbeamten
der Zivilverwaltung; Abänderung der Gewerbeordnung vom 18. Juni 1881
(Jnnungsgesetz); Gesetz betreffend Erhebung einer Berufsstatistik (13. Fe¬
bruar 1882). Die Abstimmung der Sozialdemokraten ist trotz Reden von
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