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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Der preußische Eisenbahnfiskus

Für die Gemeinden auch dieser Staaten ist also bei diesen von Preußen
erworbnen Eisenbahnen die Frage günstiger geordnet; der Druck von preußischer
Seite hat vielleicht nachgelassen, und die thüringischen Regierungen haben für
die Zukunft ihre Gemeinden nicht schlechter gestellt sein wollen, als sie es
wahrscheinlich, was wir nicht näher untersuchen können, bisher gegenüber den
Privatbahnen gewesen sind.

Das Ergebnis ist nun nach diesem Zugeständnis aber doch ein recht
sonderbares, wie einige Beispiele zeigen mögen. Die Stadt Weimar darf von
der alten thüringischen Hauptbahn, an der die Stadt liegt, keine Kommnnal-
steueru erheben, dagegen von der Weimar-Geraer Eisenbahn, die in dem Stadt¬
bezirk Weimar beginnt. Die Stadt Eisenach darf ebenso von der thüringischen
Hauptbahn keine Kommunalsteuern erheben, dagegen von der in ihrem Bezirk
beginnenden Werra-Eisenbahn. Im Herzogtum Sachsen-Koburg-Gotha darf
die Stadt Gotha von der frühern thüringischen Hauptbahn und ihren von
Gotha ausgehenden Nebenbahnen keine Kommunalsteuern erheben, dagegen
darf die an der Werra-Eisenbahn liegende Stadt Koburg von dieser Eisenbahn
Kommunalsteuern erheben.

Genug der Beispiele; sie ließen sich vermehren. Aber die angeführten
ergeben klar, welche Ungleichheit in dem Rechte der thüringischen Städte, juristische
Personen, insbesondre den preußischen Eisenbahnfiskus, zur Kommunalsteuer
heranzuziehn, im Laufe der Jahrzehnte entstanden ist. Teils haben sie dieses
Recht durch Staatsverträge ganz verloren, teils ist es durch solche Staats¬
verträge eingeschränkt; und nur wenig Gemeinden ist dasselbe Recht gewährt,
wie es alle preußischen Gemeinden, in denen Stationen, Werkstätten und der¬
gleichen sind, dem preußischen Eisenbahnfiskus und den noch etwa bestehenden
Privatbahnen sowie den Eisenbahnen andrer Staaten gegenüber ausüben dürfen
und zur wesentlichen Erleichterung ihrer Kommunallasten ausüben.

Nach unsrer Ansicht ist es Sache des Königreichs Preußen, wenn anders
ihm das Gedeihen auch der außerpreußischen Staaten und Gemeinden im
Deutschen Reich am Herzen liegt -- und das müßte im wohlverstandnen
eignen politischen Interesse von Rechts wegen der Fall sein --, hier aus freier
Entschließung Wandel zu schaffen, insbesondre den Gemeinden in den andern
deutschen Staaten dasselbe Recht auf Besteuerung des Eisenbahnfiskus zu
geben, das die preußischen Gemeinden haben.

Übrigens spürt man nicht nur in den thüringischen Staaten die nach¬
gewiesene Beschränkung in der Besteuerung der juristischen Person des preußischen
Eisenbahnfiskus empfindlich; das ist in andern deutschen Staaten ebenso der
Fall, wie der am 7. März d. I. einstimmig gefaßte Beschluß des lippischen
Landtags in Detmold beweist; er fordert den Staatsminister auf, Verhand¬
lungen mit Preußen zu führen, daß Lippe an den Überschüssen der in diesem
Lande liegenden preußischen Eisenbahnen teilnehme. Dieses Verlangen ist
sicher in dem Umstände wohl begründet, daß in Lippe wie in Thüringen
keine Staatssteueru und Kommunalsteuern von dem preußischen Eisenbahnfiskus
erhoben werden dürfen.

Diesem Antrage im lippischen Landtage läuft parallel eine in der Reichs-


Der preußische Eisenbahnfiskus

Für die Gemeinden auch dieser Staaten ist also bei diesen von Preußen
erworbnen Eisenbahnen die Frage günstiger geordnet; der Druck von preußischer
Seite hat vielleicht nachgelassen, und die thüringischen Regierungen haben für
die Zukunft ihre Gemeinden nicht schlechter gestellt sein wollen, als sie es
wahrscheinlich, was wir nicht näher untersuchen können, bisher gegenüber den
Privatbahnen gewesen sind.

Das Ergebnis ist nun nach diesem Zugeständnis aber doch ein recht
sonderbares, wie einige Beispiele zeigen mögen. Die Stadt Weimar darf von
der alten thüringischen Hauptbahn, an der die Stadt liegt, keine Kommnnal-
steueru erheben, dagegen von der Weimar-Geraer Eisenbahn, die in dem Stadt¬
bezirk Weimar beginnt. Die Stadt Eisenach darf ebenso von der thüringischen
Hauptbahn keine Kommunalsteuern erheben, dagegen von der in ihrem Bezirk
beginnenden Werra-Eisenbahn. Im Herzogtum Sachsen-Koburg-Gotha darf
die Stadt Gotha von der frühern thüringischen Hauptbahn und ihren von
Gotha ausgehenden Nebenbahnen keine Kommunalsteuern erheben, dagegen
darf die an der Werra-Eisenbahn liegende Stadt Koburg von dieser Eisenbahn
Kommunalsteuern erheben.

Genug der Beispiele; sie ließen sich vermehren. Aber die angeführten
ergeben klar, welche Ungleichheit in dem Rechte der thüringischen Städte, juristische
Personen, insbesondre den preußischen Eisenbahnfiskus, zur Kommunalsteuer
heranzuziehn, im Laufe der Jahrzehnte entstanden ist. Teils haben sie dieses
Recht durch Staatsverträge ganz verloren, teils ist es durch solche Staats¬
verträge eingeschränkt; und nur wenig Gemeinden ist dasselbe Recht gewährt,
wie es alle preußischen Gemeinden, in denen Stationen, Werkstätten und der¬
gleichen sind, dem preußischen Eisenbahnfiskus und den noch etwa bestehenden
Privatbahnen sowie den Eisenbahnen andrer Staaten gegenüber ausüben dürfen
und zur wesentlichen Erleichterung ihrer Kommunallasten ausüben.

Nach unsrer Ansicht ist es Sache des Königreichs Preußen, wenn anders
ihm das Gedeihen auch der außerpreußischen Staaten und Gemeinden im
Deutschen Reich am Herzen liegt — und das müßte im wohlverstandnen
eignen politischen Interesse von Rechts wegen der Fall sein —, hier aus freier
Entschließung Wandel zu schaffen, insbesondre den Gemeinden in den andern
deutschen Staaten dasselbe Recht auf Besteuerung des Eisenbahnfiskus zu
geben, das die preußischen Gemeinden haben.

Übrigens spürt man nicht nur in den thüringischen Staaten die nach¬
gewiesene Beschränkung in der Besteuerung der juristischen Person des preußischen
Eisenbahnfiskus empfindlich; das ist in andern deutschen Staaten ebenso der
Fall, wie der am 7. März d. I. einstimmig gefaßte Beschluß des lippischen
Landtags in Detmold beweist; er fordert den Staatsminister auf, Verhand¬
lungen mit Preußen zu führen, daß Lippe an den Überschüssen der in diesem
Lande liegenden preußischen Eisenbahnen teilnehme. Dieses Verlangen ist
sicher in dem Umstände wohl begründet, daß in Lippe wie in Thüringen
keine Staatssteueru und Kommunalsteuern von dem preußischen Eisenbahnfiskus
erhoben werden dürfen.

Diesem Antrage im lippischen Landtage läuft parallel eine in der Reichs-


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[0470] Der preußische Eisenbahnfiskus Für die Gemeinden auch dieser Staaten ist also bei diesen von Preußen erworbnen Eisenbahnen die Frage günstiger geordnet; der Druck von preußischer Seite hat vielleicht nachgelassen, und die thüringischen Regierungen haben für die Zukunft ihre Gemeinden nicht schlechter gestellt sein wollen, als sie es wahrscheinlich, was wir nicht näher untersuchen können, bisher gegenüber den Privatbahnen gewesen sind. Das Ergebnis ist nun nach diesem Zugeständnis aber doch ein recht sonderbares, wie einige Beispiele zeigen mögen. Die Stadt Weimar darf von der alten thüringischen Hauptbahn, an der die Stadt liegt, keine Kommnnal- steueru erheben, dagegen von der Weimar-Geraer Eisenbahn, die in dem Stadt¬ bezirk Weimar beginnt. Die Stadt Eisenach darf ebenso von der thüringischen Hauptbahn keine Kommunalsteuern erheben, dagegen von der in ihrem Bezirk beginnenden Werra-Eisenbahn. Im Herzogtum Sachsen-Koburg-Gotha darf die Stadt Gotha von der frühern thüringischen Hauptbahn und ihren von Gotha ausgehenden Nebenbahnen keine Kommunalsteuern erheben, dagegen darf die an der Werra-Eisenbahn liegende Stadt Koburg von dieser Eisenbahn Kommunalsteuern erheben. Genug der Beispiele; sie ließen sich vermehren. Aber die angeführten ergeben klar, welche Ungleichheit in dem Rechte der thüringischen Städte, juristische Personen, insbesondre den preußischen Eisenbahnfiskus, zur Kommunalsteuer heranzuziehn, im Laufe der Jahrzehnte entstanden ist. Teils haben sie dieses Recht durch Staatsverträge ganz verloren, teils ist es durch solche Staats¬ verträge eingeschränkt; und nur wenig Gemeinden ist dasselbe Recht gewährt, wie es alle preußischen Gemeinden, in denen Stationen, Werkstätten und der¬ gleichen sind, dem preußischen Eisenbahnfiskus und den noch etwa bestehenden Privatbahnen sowie den Eisenbahnen andrer Staaten gegenüber ausüben dürfen und zur wesentlichen Erleichterung ihrer Kommunallasten ausüben. Nach unsrer Ansicht ist es Sache des Königreichs Preußen, wenn anders ihm das Gedeihen auch der außerpreußischen Staaten und Gemeinden im Deutschen Reich am Herzen liegt — und das müßte im wohlverstandnen eignen politischen Interesse von Rechts wegen der Fall sein —, hier aus freier Entschließung Wandel zu schaffen, insbesondre den Gemeinden in den andern deutschen Staaten dasselbe Recht auf Besteuerung des Eisenbahnfiskus zu geben, das die preußischen Gemeinden haben. Übrigens spürt man nicht nur in den thüringischen Staaten die nach¬ gewiesene Beschränkung in der Besteuerung der juristischen Person des preußischen Eisenbahnfiskus empfindlich; das ist in andern deutschen Staaten ebenso der Fall, wie der am 7. März d. I. einstimmig gefaßte Beschluß des lippischen Landtags in Detmold beweist; er fordert den Staatsminister auf, Verhand¬ lungen mit Preußen zu führen, daß Lippe an den Überschüssen der in diesem Lande liegenden preußischen Eisenbahnen teilnehme. Dieses Verlangen ist sicher in dem Umstände wohl begründet, daß in Lippe wie in Thüringen keine Staatssteueru und Kommunalsteuern von dem preußischen Eisenbahnfiskus erhoben werden dürfen. Diesem Antrage im lippischen Landtage läuft parallel eine in der Reichs-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/470>, abgerufen am 27.09.2024.