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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Instrumente existieren, die im Format etwas größer als unsre heutigen Geigen,
doch sonst in Bauart und Klang diesen sehr ähnlich sind. Von nun an verbreitete
sich die Kunst des Geigenbaues immer mehr in Italien. Es entstand zunächst die
Schule von Brescia mit Gaspar ti Salv (1560 bis 1610) und I. Paolo Maggini
(1590 bis 1640), deren Geigen noch heute wertvoll sind. Die höchste Bedeutung
erlangte die Schule von Cremona mit Andreas Amati (1520 bis 1580), Hiero-
nymus, Antonius und Nikolaus Amati (1596 bis 1684), von denen der letzte die
besten Instrumente lieferte, die sich besonders durch kräftigen Ton auszeichneten.
Ferner sei erwähnt: Andreas Qnarnerius, Paolo Gramino und vor allem Antonio
Stradivari (1644 bis 1736) sowie des Andreas Qucirnerius Söhne und Schüler,
Joseph Quarnerius. Karlo Bergonzi, Peter Qucirnerius (1690 bis 1725) und be¬
sonders der berühmte Joseph Antonius Quarnerius. Außer den Genannten gab
es noch eine große Anzahl Geigenbauer, so zum Beispiel in Mailand, Piacenza
(Joh. Bayl. Quadagnini 1755 bis 1785), Mantua und Venedig.

Aus den Werkstätten dieser Meister, die streng abgeschlossene Innungen hatten,
gingen außerordentlich viel Instrumente hervor, sodaß sie anfänglich wenigstens die
ganze Welt damit versorgen konnten. Die alten Meister arbeiteten im allgemeinen
sehr sorgfältig und beachteten besonders die Güte des Holzes. Namentlich achteten
sie genau darauf, zu welcher Jahreszeit die Bäume gefällt, und daß sie dabei
nicht geworfen, sondern an Stricken befestigt langsam herabgelassen wurden, indem
sie annahmen, daß durch den Fall im Holze kleine, dem Auge unsichtbare Risse
entstünden, die die Tonbildung beeinträchtigten. Auch durften die Brettchen nicht
gesägt, sondern mußten vorsichtig herausgespalten werden, damit bei der Bearbeitung
die Kontinuität der Fasern erhalten blieb.

Die Geigen hatten für die damaligen Verhältnisse einen hohen Wert und
waren sehr begehrt; wie sie jedoch kurz nach ihrer Herstellung wirklich geklungen
haben, darüber ist nichts sicheres zu ermitteln, da jeder Vergleich ausgeschlossen
war. Nach spätern Beobachtungen dürfte man aber annehmen, daß ihr Ton an¬
fänglich nicht besser war als der jetzt von erfahrnen Meistern und aus ausge¬
wählten Holz gebauter Instrumente, und daß sie ihre Tonschönheit erst mit den
Jahren erlangten. Ich glaube nicht, daß der Spieler der Instrumente einen so
wesentlichen Einfluß ausübt; ich habe zum Beispiel vor Jahren eine echte Stradi¬
vari gesehen, die im Schlosse eines ungarischen Magnaten Wohl unberührt gelegen
hatte. Sie wurde geöffnet, mit neuem Balken, Steg und Stimme versehen und
war zwar nicht vom ersten Range, hatte jedoch ganz den Ton einer alten, abge¬
spielten Geige. Übrigens darf man nicht annehmen, daß alle italienischen Geigen,
nicht einmal solche von den berühmtesten Meistern auf derselben Höhe stehn, schwankt
doch ihr Preis von 1500 bis 40000 Mark. Auch erlaubten sich die alten
Meister, sogar Amati und Stradivari, zu den verschiednen Zeiten ihres Schaffens
kleine Abweichungen im Format, in der Dicke und in der Wölbung der Decke,
obwohl die Meister der einzelnen Schulen gewisse Eigentümlichkeiten in der Bauart
aufrecht erhielten. Da man früher mehr auf leichte Ansprache und lieblichen Ton
gab, wurden die Instrumente von Amati vorgezogen und waren auch teurer als die
von Stradivari und Quarneri, die jetzt wieder im Werte sehr gestiegen sind, da
sie einen mächtigern Ton haben und sich zum Solospiel mehr eignen.*)

Gegenwärtig haben wir in verschiednen Städten sehr gute Geigenbauer, die
natürlich die altbewährten Formen treu festhalten müssen, dann aber bei Ver¬
wendung guten Holzes fast ausnahmlos die Klangfarbe und die sonstigen Eigen¬
schaften des Instruments wenigstens annähernd erreichen können, das sie sich zum
Vorbilde nahmen. Auf welche Kleinigkeiten es dabei ankommt, ist fast unglaublich.
So gibt zum Beispiel eine Erhöhung oder Erniedrigung der aus Ahornholz her-



Zu bemerken dürste übrigens sein, daß die Amatigeigen hundert Jahre älter sind als
die genannten, demnach schon im Rückgang begriffen sind.
Maßgebliches und Unmaßgebliches

Instrumente existieren, die im Format etwas größer als unsre heutigen Geigen,
doch sonst in Bauart und Klang diesen sehr ähnlich sind. Von nun an verbreitete
sich die Kunst des Geigenbaues immer mehr in Italien. Es entstand zunächst die
Schule von Brescia mit Gaspar ti Salv (1560 bis 1610) und I. Paolo Maggini
(1590 bis 1640), deren Geigen noch heute wertvoll sind. Die höchste Bedeutung
erlangte die Schule von Cremona mit Andreas Amati (1520 bis 1580), Hiero-
nymus, Antonius und Nikolaus Amati (1596 bis 1684), von denen der letzte die
besten Instrumente lieferte, die sich besonders durch kräftigen Ton auszeichneten.
Ferner sei erwähnt: Andreas Qnarnerius, Paolo Gramino und vor allem Antonio
Stradivari (1644 bis 1736) sowie des Andreas Qucirnerius Söhne und Schüler,
Joseph Quarnerius. Karlo Bergonzi, Peter Qucirnerius (1690 bis 1725) und be¬
sonders der berühmte Joseph Antonius Quarnerius. Außer den Genannten gab
es noch eine große Anzahl Geigenbauer, so zum Beispiel in Mailand, Piacenza
(Joh. Bayl. Quadagnini 1755 bis 1785), Mantua und Venedig.

Aus den Werkstätten dieser Meister, die streng abgeschlossene Innungen hatten,
gingen außerordentlich viel Instrumente hervor, sodaß sie anfänglich wenigstens die
ganze Welt damit versorgen konnten. Die alten Meister arbeiteten im allgemeinen
sehr sorgfältig und beachteten besonders die Güte des Holzes. Namentlich achteten
sie genau darauf, zu welcher Jahreszeit die Bäume gefällt, und daß sie dabei
nicht geworfen, sondern an Stricken befestigt langsam herabgelassen wurden, indem
sie annahmen, daß durch den Fall im Holze kleine, dem Auge unsichtbare Risse
entstünden, die die Tonbildung beeinträchtigten. Auch durften die Brettchen nicht
gesägt, sondern mußten vorsichtig herausgespalten werden, damit bei der Bearbeitung
die Kontinuität der Fasern erhalten blieb.

Die Geigen hatten für die damaligen Verhältnisse einen hohen Wert und
waren sehr begehrt; wie sie jedoch kurz nach ihrer Herstellung wirklich geklungen
haben, darüber ist nichts sicheres zu ermitteln, da jeder Vergleich ausgeschlossen
war. Nach spätern Beobachtungen dürfte man aber annehmen, daß ihr Ton an¬
fänglich nicht besser war als der jetzt von erfahrnen Meistern und aus ausge¬
wählten Holz gebauter Instrumente, und daß sie ihre Tonschönheit erst mit den
Jahren erlangten. Ich glaube nicht, daß der Spieler der Instrumente einen so
wesentlichen Einfluß ausübt; ich habe zum Beispiel vor Jahren eine echte Stradi¬
vari gesehen, die im Schlosse eines ungarischen Magnaten Wohl unberührt gelegen
hatte. Sie wurde geöffnet, mit neuem Balken, Steg und Stimme versehen und
war zwar nicht vom ersten Range, hatte jedoch ganz den Ton einer alten, abge¬
spielten Geige. Übrigens darf man nicht annehmen, daß alle italienischen Geigen,
nicht einmal solche von den berühmtesten Meistern auf derselben Höhe stehn, schwankt
doch ihr Preis von 1500 bis 40000 Mark. Auch erlaubten sich die alten
Meister, sogar Amati und Stradivari, zu den verschiednen Zeiten ihres Schaffens
kleine Abweichungen im Format, in der Dicke und in der Wölbung der Decke,
obwohl die Meister der einzelnen Schulen gewisse Eigentümlichkeiten in der Bauart
aufrecht erhielten. Da man früher mehr auf leichte Ansprache und lieblichen Ton
gab, wurden die Instrumente von Amati vorgezogen und waren auch teurer als die
von Stradivari und Quarneri, die jetzt wieder im Werte sehr gestiegen sind, da
sie einen mächtigern Ton haben und sich zum Solospiel mehr eignen.*)

Gegenwärtig haben wir in verschiednen Städten sehr gute Geigenbauer, die
natürlich die altbewährten Formen treu festhalten müssen, dann aber bei Ver¬
wendung guten Holzes fast ausnahmlos die Klangfarbe und die sonstigen Eigen¬
schaften des Instruments wenigstens annähernd erreichen können, das sie sich zum
Vorbilde nahmen. Auf welche Kleinigkeiten es dabei ankommt, ist fast unglaublich.
So gibt zum Beispiel eine Erhöhung oder Erniedrigung der aus Ahornholz her-



Zu bemerken dürste übrigens sein, daß die Amatigeigen hundert Jahre älter sind als
die genannten, demnach schon im Rückgang begriffen sind.
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[0454] Maßgebliches und Unmaßgebliches Instrumente existieren, die im Format etwas größer als unsre heutigen Geigen, doch sonst in Bauart und Klang diesen sehr ähnlich sind. Von nun an verbreitete sich die Kunst des Geigenbaues immer mehr in Italien. Es entstand zunächst die Schule von Brescia mit Gaspar ti Salv (1560 bis 1610) und I. Paolo Maggini (1590 bis 1640), deren Geigen noch heute wertvoll sind. Die höchste Bedeutung erlangte die Schule von Cremona mit Andreas Amati (1520 bis 1580), Hiero- nymus, Antonius und Nikolaus Amati (1596 bis 1684), von denen der letzte die besten Instrumente lieferte, die sich besonders durch kräftigen Ton auszeichneten. Ferner sei erwähnt: Andreas Qnarnerius, Paolo Gramino und vor allem Antonio Stradivari (1644 bis 1736) sowie des Andreas Qucirnerius Söhne und Schüler, Joseph Quarnerius. Karlo Bergonzi, Peter Qucirnerius (1690 bis 1725) und be¬ sonders der berühmte Joseph Antonius Quarnerius. Außer den Genannten gab es noch eine große Anzahl Geigenbauer, so zum Beispiel in Mailand, Piacenza (Joh. Bayl. Quadagnini 1755 bis 1785), Mantua und Venedig. Aus den Werkstätten dieser Meister, die streng abgeschlossene Innungen hatten, gingen außerordentlich viel Instrumente hervor, sodaß sie anfänglich wenigstens die ganze Welt damit versorgen konnten. Die alten Meister arbeiteten im allgemeinen sehr sorgfältig und beachteten besonders die Güte des Holzes. Namentlich achteten sie genau darauf, zu welcher Jahreszeit die Bäume gefällt, und daß sie dabei nicht geworfen, sondern an Stricken befestigt langsam herabgelassen wurden, indem sie annahmen, daß durch den Fall im Holze kleine, dem Auge unsichtbare Risse entstünden, die die Tonbildung beeinträchtigten. Auch durften die Brettchen nicht gesägt, sondern mußten vorsichtig herausgespalten werden, damit bei der Bearbeitung die Kontinuität der Fasern erhalten blieb. Die Geigen hatten für die damaligen Verhältnisse einen hohen Wert und waren sehr begehrt; wie sie jedoch kurz nach ihrer Herstellung wirklich geklungen haben, darüber ist nichts sicheres zu ermitteln, da jeder Vergleich ausgeschlossen war. Nach spätern Beobachtungen dürfte man aber annehmen, daß ihr Ton an¬ fänglich nicht besser war als der jetzt von erfahrnen Meistern und aus ausge¬ wählten Holz gebauter Instrumente, und daß sie ihre Tonschönheit erst mit den Jahren erlangten. Ich glaube nicht, daß der Spieler der Instrumente einen so wesentlichen Einfluß ausübt; ich habe zum Beispiel vor Jahren eine echte Stradi¬ vari gesehen, die im Schlosse eines ungarischen Magnaten Wohl unberührt gelegen hatte. Sie wurde geöffnet, mit neuem Balken, Steg und Stimme versehen und war zwar nicht vom ersten Range, hatte jedoch ganz den Ton einer alten, abge¬ spielten Geige. Übrigens darf man nicht annehmen, daß alle italienischen Geigen, nicht einmal solche von den berühmtesten Meistern auf derselben Höhe stehn, schwankt doch ihr Preis von 1500 bis 40000 Mark. Auch erlaubten sich die alten Meister, sogar Amati und Stradivari, zu den verschiednen Zeiten ihres Schaffens kleine Abweichungen im Format, in der Dicke und in der Wölbung der Decke, obwohl die Meister der einzelnen Schulen gewisse Eigentümlichkeiten in der Bauart aufrecht erhielten. Da man früher mehr auf leichte Ansprache und lieblichen Ton gab, wurden die Instrumente von Amati vorgezogen und waren auch teurer als die von Stradivari und Quarneri, die jetzt wieder im Werte sehr gestiegen sind, da sie einen mächtigern Ton haben und sich zum Solospiel mehr eignen.*) Gegenwärtig haben wir in verschiednen Städten sehr gute Geigenbauer, die natürlich die altbewährten Formen treu festhalten müssen, dann aber bei Ver¬ wendung guten Holzes fast ausnahmlos die Klangfarbe und die sonstigen Eigen¬ schaften des Instruments wenigstens annähernd erreichen können, das sie sich zum Vorbilde nahmen. Auf welche Kleinigkeiten es dabei ankommt, ist fast unglaublich. So gibt zum Beispiel eine Erhöhung oder Erniedrigung der aus Ahornholz her- Zu bemerken dürste übrigens sein, daß die Amatigeigen hundert Jahre älter sind als die genannten, demnach schon im Rückgang begriffen sind.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/454>, abgerufen am 27.09.2024.