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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

deutsch-englische Verhältnis von damals ohne jeden Überschwang wiedergibt. Wie
Englands UmWerbungen auf die französische Politik gewirkt haben, beweist der Del-
cassesche Bündnisvorschlag. Seitdem hat die englische Politik die Miene ange¬
nommen, als sei sie durch den Pariser Szenenwechsel vom Anfang Juni gar nicht
berührt worden und Frankreichs nach wie vor sicher. "Sie sind auf jegliche Be¬
dingung mein." Wie das in Paris aufgefaßt wird, geht unter anderm aus einer
Äußerung des ZZolair vom 11. August hervor, der wörtlich sagt: "Die über¬
triebnen Freundschaftskundgebungen, mit denen England die französische Flotte
buchstäblich erdrückt, haben im Publikum Überraschung hervorgerufen. Die Nation
der sxlsnäiä jsolatiou scheint von einem menschenfreundlichen Delirium befallen zu
sein (sie). ..." Der Artikel gibt weiter diesen Freundschaftsbeteuerungen eine aus¬
schließlich gegen Deutschland gerichtete Spitze. Dasselbe tun andre französische Blätter,
und der Gedanke hat dort ziemlich Wurzel geschlagen, daß Frankreich nicht der
Soldat Englands sein dürfe. Zunächst wird das auch in England nicht verlangt,
man ist zufrieden, der Sorge um eine deutsch-französische Flottenkombination ledig
zu sein. Die Führer der englischen Liberalen, die sich mit aller Entschiedenheit
gegen einen Konflikt mit Deutschland erklären, wollen damit im Grunde nur der
englisch-französischen Annäherung den Kriegsstachel nehmen, mit dem britische See¬
lords und Admiräle neuerdings einigen Unfug getrieben haben.

Im übrigen werden auch die Liberalen die Politik fortsetzen, Frankreich im
englischen Fahrwasser zu erhalten, damit es nicht in das deutsche gerate. Es ist das
nicht liberale oder konservative Politik, sondern die Politik des Königs, schon deshalb
werden sich auch die Nachfolger des heutigen Kabinetts nicht davon trennen. Tat¬
sächlich liegt darin ein Kompliment für Deutschland, nämlich eine Furcht vor der
deutschen Politik, die der ungeheuerlichsten Pläne für fähig gehalten wird, unge¬
achtet der großen Überlegenheit der englischen Flotte an Zahl! Wie zu Bismarcks
Zeit kaum irgendwo auf der Welt ein Schornstein einstürzen konnte, ohne daß der
damalige Reichskanzler die Hand im Spiele gehabt hätte, so wird heute der Kaiser
in der französischen wie in der englischen Presse als Urheber der unglaublichsten
Pläne gegen beide Länder angesehen. Wurde doch jüngst sogar das irgendwo
signalisierte Anlaufen dreier niederländischer Kriegsschiffe in Tanger als ein Schachzug
des Kaisers gegen Frankreich interpretiert! Daher kommt es denn, daß Rede¬
wendungen wie die, daß die französisch-englische Entente den Weltfrieden verbürge,
auch in französischen Ohren angenehm widerklingen.

All diesem Wohlwollen bei unsern lieben Nachbarn gegenüber macht es einen
um so seltsamem Eindruck, wenn in einzelnen deutschen Blättern Material für einen
innern Konflikt zusammengetragen, und ein solcher in aller Form angekündigt wird.
Die irgendwo erfundne Nachricht, daß noch fünftausend Mann nach Südwestafrika
gehn sollen, hat ein Zentrumsblatt zu der Drohung mit einem Konflikt bewogen,
wenn nicht sofort der Reichstag einberufen werde, während dus Organ der deutschen
Kolonialgescllschaft wiederum die sofortige Einberufung des Reichstags verlangt, um
eine Bahn von Lüderitzbucht in das Innere, und zwar "in außergewöhnlichem
Tempo" zu bauen. Es ist ganz selbstverständlich, daß die durch Tod, Verwundung oder
Krankheit entstandnen Lücken in Südwestafrika wieder ergänzt werden müssen, ebenso
der Pferdebestand, das Material usw. Ob in solchem Falle Etatsüberschreitungen vor¬
kommen, läßt sich doch überhaupt erst nach Abschluß des Etatsjahrs, in bezug auf die
Formationen in Südwestafrika aber jetzt doch um so weniger übersehen, als die be¬
rechtigte Hoffnung besteht, noch vor Schluß des Etatsjahrs einen wesentlichen Teil
der Truppen in die Heimat zurückrufen zu können. Würden heute neue taktische
Formationen in der Höhe von fünftausend Mann aufgestellt, so wäre die Forderung,
daß der Reichstag zuvor gehört werden müsse, allenfalls berechtigt, obwohl es in
England keiner Regierung einfallen würde, deshalb das Parlament einzuberufen.

In Deutschland nimmt sich die Forderung um so seltsamer aus, als der
Reichstag bekanntlich nur sehr selten beschlußfähig, und die große Mehrzahl aller


Maßgebliches und Unmaßgebliches

deutsch-englische Verhältnis von damals ohne jeden Überschwang wiedergibt. Wie
Englands UmWerbungen auf die französische Politik gewirkt haben, beweist der Del-
cassesche Bündnisvorschlag. Seitdem hat die englische Politik die Miene ange¬
nommen, als sei sie durch den Pariser Szenenwechsel vom Anfang Juni gar nicht
berührt worden und Frankreichs nach wie vor sicher. „Sie sind auf jegliche Be¬
dingung mein." Wie das in Paris aufgefaßt wird, geht unter anderm aus einer
Äußerung des ZZolair vom 11. August hervor, der wörtlich sagt: „Die über¬
triebnen Freundschaftskundgebungen, mit denen England die französische Flotte
buchstäblich erdrückt, haben im Publikum Überraschung hervorgerufen. Die Nation
der sxlsnäiä jsolatiou scheint von einem menschenfreundlichen Delirium befallen zu
sein (sie). ..." Der Artikel gibt weiter diesen Freundschaftsbeteuerungen eine aus¬
schließlich gegen Deutschland gerichtete Spitze. Dasselbe tun andre französische Blätter,
und der Gedanke hat dort ziemlich Wurzel geschlagen, daß Frankreich nicht der
Soldat Englands sein dürfe. Zunächst wird das auch in England nicht verlangt,
man ist zufrieden, der Sorge um eine deutsch-französische Flottenkombination ledig
zu sein. Die Führer der englischen Liberalen, die sich mit aller Entschiedenheit
gegen einen Konflikt mit Deutschland erklären, wollen damit im Grunde nur der
englisch-französischen Annäherung den Kriegsstachel nehmen, mit dem britische See¬
lords und Admiräle neuerdings einigen Unfug getrieben haben.

Im übrigen werden auch die Liberalen die Politik fortsetzen, Frankreich im
englischen Fahrwasser zu erhalten, damit es nicht in das deutsche gerate. Es ist das
nicht liberale oder konservative Politik, sondern die Politik des Königs, schon deshalb
werden sich auch die Nachfolger des heutigen Kabinetts nicht davon trennen. Tat¬
sächlich liegt darin ein Kompliment für Deutschland, nämlich eine Furcht vor der
deutschen Politik, die der ungeheuerlichsten Pläne für fähig gehalten wird, unge¬
achtet der großen Überlegenheit der englischen Flotte an Zahl! Wie zu Bismarcks
Zeit kaum irgendwo auf der Welt ein Schornstein einstürzen konnte, ohne daß der
damalige Reichskanzler die Hand im Spiele gehabt hätte, so wird heute der Kaiser
in der französischen wie in der englischen Presse als Urheber der unglaublichsten
Pläne gegen beide Länder angesehen. Wurde doch jüngst sogar das irgendwo
signalisierte Anlaufen dreier niederländischer Kriegsschiffe in Tanger als ein Schachzug
des Kaisers gegen Frankreich interpretiert! Daher kommt es denn, daß Rede¬
wendungen wie die, daß die französisch-englische Entente den Weltfrieden verbürge,
auch in französischen Ohren angenehm widerklingen.

All diesem Wohlwollen bei unsern lieben Nachbarn gegenüber macht es einen
um so seltsamem Eindruck, wenn in einzelnen deutschen Blättern Material für einen
innern Konflikt zusammengetragen, und ein solcher in aller Form angekündigt wird.
Die irgendwo erfundne Nachricht, daß noch fünftausend Mann nach Südwestafrika
gehn sollen, hat ein Zentrumsblatt zu der Drohung mit einem Konflikt bewogen,
wenn nicht sofort der Reichstag einberufen werde, während dus Organ der deutschen
Kolonialgescllschaft wiederum die sofortige Einberufung des Reichstags verlangt, um
eine Bahn von Lüderitzbucht in das Innere, und zwar „in außergewöhnlichem
Tempo" zu bauen. Es ist ganz selbstverständlich, daß die durch Tod, Verwundung oder
Krankheit entstandnen Lücken in Südwestafrika wieder ergänzt werden müssen, ebenso
der Pferdebestand, das Material usw. Ob in solchem Falle Etatsüberschreitungen vor¬
kommen, läßt sich doch überhaupt erst nach Abschluß des Etatsjahrs, in bezug auf die
Formationen in Südwestafrika aber jetzt doch um so weniger übersehen, als die be¬
rechtigte Hoffnung besteht, noch vor Schluß des Etatsjahrs einen wesentlichen Teil
der Truppen in die Heimat zurückrufen zu können. Würden heute neue taktische
Formationen in der Höhe von fünftausend Mann aufgestellt, so wäre die Forderung,
daß der Reichstag zuvor gehört werden müsse, allenfalls berechtigt, obwohl es in
England keiner Regierung einfallen würde, deshalb das Parlament einzuberufen.

In Deutschland nimmt sich die Forderung um so seltsamer aus, als der
Reichstag bekanntlich nur sehr selten beschlußfähig, und die große Mehrzahl aller


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[0394] Maßgebliches und Unmaßgebliches deutsch-englische Verhältnis von damals ohne jeden Überschwang wiedergibt. Wie Englands UmWerbungen auf die französische Politik gewirkt haben, beweist der Del- cassesche Bündnisvorschlag. Seitdem hat die englische Politik die Miene ange¬ nommen, als sei sie durch den Pariser Szenenwechsel vom Anfang Juni gar nicht berührt worden und Frankreichs nach wie vor sicher. „Sie sind auf jegliche Be¬ dingung mein." Wie das in Paris aufgefaßt wird, geht unter anderm aus einer Äußerung des ZZolair vom 11. August hervor, der wörtlich sagt: „Die über¬ triebnen Freundschaftskundgebungen, mit denen England die französische Flotte buchstäblich erdrückt, haben im Publikum Überraschung hervorgerufen. Die Nation der sxlsnäiä jsolatiou scheint von einem menschenfreundlichen Delirium befallen zu sein (sie). ..." Der Artikel gibt weiter diesen Freundschaftsbeteuerungen eine aus¬ schließlich gegen Deutschland gerichtete Spitze. Dasselbe tun andre französische Blätter, und der Gedanke hat dort ziemlich Wurzel geschlagen, daß Frankreich nicht der Soldat Englands sein dürfe. Zunächst wird das auch in England nicht verlangt, man ist zufrieden, der Sorge um eine deutsch-französische Flottenkombination ledig zu sein. Die Führer der englischen Liberalen, die sich mit aller Entschiedenheit gegen einen Konflikt mit Deutschland erklären, wollen damit im Grunde nur der englisch-französischen Annäherung den Kriegsstachel nehmen, mit dem britische See¬ lords und Admiräle neuerdings einigen Unfug getrieben haben. Im übrigen werden auch die Liberalen die Politik fortsetzen, Frankreich im englischen Fahrwasser zu erhalten, damit es nicht in das deutsche gerate. Es ist das nicht liberale oder konservative Politik, sondern die Politik des Königs, schon deshalb werden sich auch die Nachfolger des heutigen Kabinetts nicht davon trennen. Tat¬ sächlich liegt darin ein Kompliment für Deutschland, nämlich eine Furcht vor der deutschen Politik, die der ungeheuerlichsten Pläne für fähig gehalten wird, unge¬ achtet der großen Überlegenheit der englischen Flotte an Zahl! Wie zu Bismarcks Zeit kaum irgendwo auf der Welt ein Schornstein einstürzen konnte, ohne daß der damalige Reichskanzler die Hand im Spiele gehabt hätte, so wird heute der Kaiser in der französischen wie in der englischen Presse als Urheber der unglaublichsten Pläne gegen beide Länder angesehen. Wurde doch jüngst sogar das irgendwo signalisierte Anlaufen dreier niederländischer Kriegsschiffe in Tanger als ein Schachzug des Kaisers gegen Frankreich interpretiert! Daher kommt es denn, daß Rede¬ wendungen wie die, daß die französisch-englische Entente den Weltfrieden verbürge, auch in französischen Ohren angenehm widerklingen. All diesem Wohlwollen bei unsern lieben Nachbarn gegenüber macht es einen um so seltsamem Eindruck, wenn in einzelnen deutschen Blättern Material für einen innern Konflikt zusammengetragen, und ein solcher in aller Form angekündigt wird. Die irgendwo erfundne Nachricht, daß noch fünftausend Mann nach Südwestafrika gehn sollen, hat ein Zentrumsblatt zu der Drohung mit einem Konflikt bewogen, wenn nicht sofort der Reichstag einberufen werde, während dus Organ der deutschen Kolonialgescllschaft wiederum die sofortige Einberufung des Reichstags verlangt, um eine Bahn von Lüderitzbucht in das Innere, und zwar „in außergewöhnlichem Tempo" zu bauen. Es ist ganz selbstverständlich, daß die durch Tod, Verwundung oder Krankheit entstandnen Lücken in Südwestafrika wieder ergänzt werden müssen, ebenso der Pferdebestand, das Material usw. Ob in solchem Falle Etatsüberschreitungen vor¬ kommen, läßt sich doch überhaupt erst nach Abschluß des Etatsjahrs, in bezug auf die Formationen in Südwestafrika aber jetzt doch um so weniger übersehen, als die be¬ rechtigte Hoffnung besteht, noch vor Schluß des Etatsjahrs einen wesentlichen Teil der Truppen in die Heimat zurückrufen zu können. Würden heute neue taktische Formationen in der Höhe von fünftausend Mann aufgestellt, so wäre die Forderung, daß der Reichstag zuvor gehört werden müsse, allenfalls berechtigt, obwohl es in England keiner Regierung einfallen würde, deshalb das Parlament einzuberufen. In Deutschland nimmt sich die Forderung um so seltsamer aus, als der Reichstag bekanntlich nur sehr selten beschlußfähig, und die große Mehrzahl aller

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/394>, abgerufen am 27.09.2024.