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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Herrenmenschen

Warum? Ja, wenn sie das hätte sagen können! Nach dem Grunde zu fragen, wes¬
wegen man sich freut, ist gar nicht nötig, es vermindert das volle Glück.

Auf diese frohen Feste folgten Zeiten strenger Arbeit und ernster Erwägungen.
Herr von Bodenpois wollte möglichst bald heiraten -- gleich hier in Tapnicken --
und dann mit seiner jungen Frau und Wolf in seine Heimat reisen. Auch Tauenden
hätte er am liebsten gleich mitgenommen. Aber Tauenden erklärte, das ginge vorder¬
hand nicht an, sie könne hier noch nicht abkommen. Und so blieb sie also in Tap¬
nicken. Aber der Herr Kandidat war sehr damit einverstanden, seine Lehrtätigkeit
abzubrechen, denn es hatte sich ihm die Aussicht auf eine Pfarrstelle eröffnet. Nur,
was sollte aus dem preußischen Schlößchen werden? Herr von Bodenpois dachte
nicht daran, sich mit der Verwaltung dieses Gutes zu beladen. Er hätte es am
liebsten verkauft. Aber an wen? Und wie teuer? Es war doch Wolfs Erbe und
durfte nicht verschleudert werden. Und der Doktor hatte ja auch nicht die Absicht,
dauernd da zu bleiben. Er konnte zufrieden sein, wenn sich hier die Verhältnisse
in Frieden und Ordnung lösten, und wenn er seine Hypothek zurückziehn konnte.
Auch wäre es eine peinliche Sache gewesen, wenn er ein Kaufangebot gemacht hätte,
das dem wirklichen Werte des Gutes entsprach, das aber nicht so hoch ausgefallen
wäre, wie vielleicht Mary geglaubt hätte.

Und so war es dem Doktor am liebsten, wenn die Lage dieselbe blieb, wie
sie war. Er hatte es unternommen, das Gut, das allerdings am Rande des
Untergangs gestanden hatte, zu retten und wirtschaftlich sicher zu stellen, und konnte
hoffen, daß es ihm jetzt, wenn er nicht mehr mit der Feindschaft Groppoffs zu
ringen hatte, gelingen könnte; er wollte nicht gern ein unvollendetes Werk aus
der Hand geben. Er wollte die schwebenden Prozesse beenden und den Weg durch
die Pempler Heide, der eine Lebensfrage für das Gut bedeutete, sichern. Dazu
kam, daß Eva durch ihren Vater in Tapnicken festgehalten wurde, und daß eine
bessere Lösung gar nicht gefunden werden konnte, als daß Eva zunächst, und besonders
in der Zeit, wo es auf dem Amte zu Ende ging, eine Heimat in dem preußischen
Schlößchen fand. Später konnte man ja immer noch tun, was man wollte.

Ja später!

Inzwischen waren alle Formalitäten erledigt, die für die Trauung Marys
nötig waren. Es kam der Tag, wo Tauenden sich selbst übertraf, wo der Herr
Pastor in der Kirche zu Tapnicken eine ernste und eindringliche Traurede hielt,
und wo man dem neugetrauten Paare das Geleit über die Landungsbrücke zum
Dampfer gab. Des Amtshauptmanns Nero fehlte nicht und beantwortete die Ab¬
schiedsgrüße Marys und Wolfs, die sie vom Schiffe aus herüberwirkten, mit leb¬
haftem Schwanzwedeln. Zuletzt kam noch im Zustande gänzlicher Verwirrung und
gefolgt von Purpel und Petereit, die einen wirren Haufen von Taschen und Mal¬
geräten schleppten, Stasfelsteiger an. Es war eben noch Zeit, ihn und sein Gepäck
auf das Boot zu werfen, da setzte sich das Dampfschiff auch schon in Bewegung.
Noch ein Gruß mit den Tüchern, und ein unsichtbarer Vorhang senkte sich über
einen inhaltreichen Akt des Lebensdramas aller Beteiligten.

Darauf kehrte der Zug unsrer Freunde, die den Abreisenden Geleit gegeben
hatten, zum Lande zurück. Tauenden und Schwechting waren hinter den andern
zurückgeblieben. Schwechting war in großer innerer Bewegung. Staffelsteiger war
er glücklich los, Pogge blieb nicht ewig, und dann war er Herr von Mopswende
und konnte daran denken, einen Plan auszuführen, der ihn seit lange Tag und
Nacht beschäftigte. Und wann hätte er wohl bessere Gelegenheit gehabt als jetzt,
das auszusprechen, was sein Herz bewegte? Tauenden konnte nicht entflieh". Rechts
Wasser, links Wasser, hinten Wasser, und den Weg zum Lande versperrte er mit
seiner Liebe. Durfte er es wagen? -- Er wagte es aber doch noch nicht, und
der Weg bis zum Lande wurde sichtlich kürzer. Da erinnerte er sich an Pogges
Ausspruch: Entweder konsequent oder inkonsequent, nur nicht schwanken. Dieser
Weisheitssatz gab ihm Mut, und er begann mit tiefem Aufseufzen: Tauenden!


Herrenmenschen

Warum? Ja, wenn sie das hätte sagen können! Nach dem Grunde zu fragen, wes¬
wegen man sich freut, ist gar nicht nötig, es vermindert das volle Glück.

Auf diese frohen Feste folgten Zeiten strenger Arbeit und ernster Erwägungen.
Herr von Bodenpois wollte möglichst bald heiraten — gleich hier in Tapnicken —
und dann mit seiner jungen Frau und Wolf in seine Heimat reisen. Auch Tauenden
hätte er am liebsten gleich mitgenommen. Aber Tauenden erklärte, das ginge vorder¬
hand nicht an, sie könne hier noch nicht abkommen. Und so blieb sie also in Tap¬
nicken. Aber der Herr Kandidat war sehr damit einverstanden, seine Lehrtätigkeit
abzubrechen, denn es hatte sich ihm die Aussicht auf eine Pfarrstelle eröffnet. Nur,
was sollte aus dem preußischen Schlößchen werden? Herr von Bodenpois dachte
nicht daran, sich mit der Verwaltung dieses Gutes zu beladen. Er hätte es am
liebsten verkauft. Aber an wen? Und wie teuer? Es war doch Wolfs Erbe und
durfte nicht verschleudert werden. Und der Doktor hatte ja auch nicht die Absicht,
dauernd da zu bleiben. Er konnte zufrieden sein, wenn sich hier die Verhältnisse
in Frieden und Ordnung lösten, und wenn er seine Hypothek zurückziehn konnte.
Auch wäre es eine peinliche Sache gewesen, wenn er ein Kaufangebot gemacht hätte,
das dem wirklichen Werte des Gutes entsprach, das aber nicht so hoch ausgefallen
wäre, wie vielleicht Mary geglaubt hätte.

Und so war es dem Doktor am liebsten, wenn die Lage dieselbe blieb, wie
sie war. Er hatte es unternommen, das Gut, das allerdings am Rande des
Untergangs gestanden hatte, zu retten und wirtschaftlich sicher zu stellen, und konnte
hoffen, daß es ihm jetzt, wenn er nicht mehr mit der Feindschaft Groppoffs zu
ringen hatte, gelingen könnte; er wollte nicht gern ein unvollendetes Werk aus
der Hand geben. Er wollte die schwebenden Prozesse beenden und den Weg durch
die Pempler Heide, der eine Lebensfrage für das Gut bedeutete, sichern. Dazu
kam, daß Eva durch ihren Vater in Tapnicken festgehalten wurde, und daß eine
bessere Lösung gar nicht gefunden werden konnte, als daß Eva zunächst, und besonders
in der Zeit, wo es auf dem Amte zu Ende ging, eine Heimat in dem preußischen
Schlößchen fand. Später konnte man ja immer noch tun, was man wollte.

Ja später!

Inzwischen waren alle Formalitäten erledigt, die für die Trauung Marys
nötig waren. Es kam der Tag, wo Tauenden sich selbst übertraf, wo der Herr
Pastor in der Kirche zu Tapnicken eine ernste und eindringliche Traurede hielt,
und wo man dem neugetrauten Paare das Geleit über die Landungsbrücke zum
Dampfer gab. Des Amtshauptmanns Nero fehlte nicht und beantwortete die Ab¬
schiedsgrüße Marys und Wolfs, die sie vom Schiffe aus herüberwirkten, mit leb¬
haftem Schwanzwedeln. Zuletzt kam noch im Zustande gänzlicher Verwirrung und
gefolgt von Purpel und Petereit, die einen wirren Haufen von Taschen und Mal¬
geräten schleppten, Stasfelsteiger an. Es war eben noch Zeit, ihn und sein Gepäck
auf das Boot zu werfen, da setzte sich das Dampfschiff auch schon in Bewegung.
Noch ein Gruß mit den Tüchern, und ein unsichtbarer Vorhang senkte sich über
einen inhaltreichen Akt des Lebensdramas aller Beteiligten.

Darauf kehrte der Zug unsrer Freunde, die den Abreisenden Geleit gegeben
hatten, zum Lande zurück. Tauenden und Schwechting waren hinter den andern
zurückgeblieben. Schwechting war in großer innerer Bewegung. Staffelsteiger war
er glücklich los, Pogge blieb nicht ewig, und dann war er Herr von Mopswende
und konnte daran denken, einen Plan auszuführen, der ihn seit lange Tag und
Nacht beschäftigte. Und wann hätte er wohl bessere Gelegenheit gehabt als jetzt,
das auszusprechen, was sein Herz bewegte? Tauenden konnte nicht entflieh«. Rechts
Wasser, links Wasser, hinten Wasser, und den Weg zum Lande versperrte er mit
seiner Liebe. Durfte er es wagen? — Er wagte es aber doch noch nicht, und
der Weg bis zum Lande wurde sichtlich kürzer. Da erinnerte er sich an Pogges
Ausspruch: Entweder konsequent oder inkonsequent, nur nicht schwanken. Dieser
Weisheitssatz gab ihm Mut, und er begann mit tiefem Aufseufzen: Tauenden!


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[0387] Herrenmenschen Warum? Ja, wenn sie das hätte sagen können! Nach dem Grunde zu fragen, wes¬ wegen man sich freut, ist gar nicht nötig, es vermindert das volle Glück. Auf diese frohen Feste folgten Zeiten strenger Arbeit und ernster Erwägungen. Herr von Bodenpois wollte möglichst bald heiraten — gleich hier in Tapnicken — und dann mit seiner jungen Frau und Wolf in seine Heimat reisen. Auch Tauenden hätte er am liebsten gleich mitgenommen. Aber Tauenden erklärte, das ginge vorder¬ hand nicht an, sie könne hier noch nicht abkommen. Und so blieb sie also in Tap¬ nicken. Aber der Herr Kandidat war sehr damit einverstanden, seine Lehrtätigkeit abzubrechen, denn es hatte sich ihm die Aussicht auf eine Pfarrstelle eröffnet. Nur, was sollte aus dem preußischen Schlößchen werden? Herr von Bodenpois dachte nicht daran, sich mit der Verwaltung dieses Gutes zu beladen. Er hätte es am liebsten verkauft. Aber an wen? Und wie teuer? Es war doch Wolfs Erbe und durfte nicht verschleudert werden. Und der Doktor hatte ja auch nicht die Absicht, dauernd da zu bleiben. Er konnte zufrieden sein, wenn sich hier die Verhältnisse in Frieden und Ordnung lösten, und wenn er seine Hypothek zurückziehn konnte. Auch wäre es eine peinliche Sache gewesen, wenn er ein Kaufangebot gemacht hätte, das dem wirklichen Werte des Gutes entsprach, das aber nicht so hoch ausgefallen wäre, wie vielleicht Mary geglaubt hätte. Und so war es dem Doktor am liebsten, wenn die Lage dieselbe blieb, wie sie war. Er hatte es unternommen, das Gut, das allerdings am Rande des Untergangs gestanden hatte, zu retten und wirtschaftlich sicher zu stellen, und konnte hoffen, daß es ihm jetzt, wenn er nicht mehr mit der Feindschaft Groppoffs zu ringen hatte, gelingen könnte; er wollte nicht gern ein unvollendetes Werk aus der Hand geben. Er wollte die schwebenden Prozesse beenden und den Weg durch die Pempler Heide, der eine Lebensfrage für das Gut bedeutete, sichern. Dazu kam, daß Eva durch ihren Vater in Tapnicken festgehalten wurde, und daß eine bessere Lösung gar nicht gefunden werden konnte, als daß Eva zunächst, und besonders in der Zeit, wo es auf dem Amte zu Ende ging, eine Heimat in dem preußischen Schlößchen fand. Später konnte man ja immer noch tun, was man wollte. Ja später! Inzwischen waren alle Formalitäten erledigt, die für die Trauung Marys nötig waren. Es kam der Tag, wo Tauenden sich selbst übertraf, wo der Herr Pastor in der Kirche zu Tapnicken eine ernste und eindringliche Traurede hielt, und wo man dem neugetrauten Paare das Geleit über die Landungsbrücke zum Dampfer gab. Des Amtshauptmanns Nero fehlte nicht und beantwortete die Ab¬ schiedsgrüße Marys und Wolfs, die sie vom Schiffe aus herüberwirkten, mit leb¬ haftem Schwanzwedeln. Zuletzt kam noch im Zustande gänzlicher Verwirrung und gefolgt von Purpel und Petereit, die einen wirren Haufen von Taschen und Mal¬ geräten schleppten, Stasfelsteiger an. Es war eben noch Zeit, ihn und sein Gepäck auf das Boot zu werfen, da setzte sich das Dampfschiff auch schon in Bewegung. Noch ein Gruß mit den Tüchern, und ein unsichtbarer Vorhang senkte sich über einen inhaltreichen Akt des Lebensdramas aller Beteiligten. Darauf kehrte der Zug unsrer Freunde, die den Abreisenden Geleit gegeben hatten, zum Lande zurück. Tauenden und Schwechting waren hinter den andern zurückgeblieben. Schwechting war in großer innerer Bewegung. Staffelsteiger war er glücklich los, Pogge blieb nicht ewig, und dann war er Herr von Mopswende und konnte daran denken, einen Plan auszuführen, der ihn seit lange Tag und Nacht beschäftigte. Und wann hätte er wohl bessere Gelegenheit gehabt als jetzt, das auszusprechen, was sein Herz bewegte? Tauenden konnte nicht entflieh«. Rechts Wasser, links Wasser, hinten Wasser, und den Weg zum Lande versperrte er mit seiner Liebe. Durfte er es wagen? — Er wagte es aber doch noch nicht, und der Weg bis zum Lande wurde sichtlich kürzer. Da erinnerte er sich an Pogges Ausspruch: Entweder konsequent oder inkonsequent, nur nicht schwanken. Dieser Weisheitssatz gab ihm Mut, und er begann mit tiefem Aufseufzen: Tauenden!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/387>, abgerufen am 27.09.2024.