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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Unter Runden, Komödianten und wilden Tieren

Das Schützenfest dauerte im ganzen drei Wochen, und die meisten der Schau¬
steller machten ein ausgezeichnetes Geschäft. Das Schießen selbst begann am Morgen
früh um sechs Uhr und dauerte ununterbrochen bis zum Einbruch der Dunkelheit.
Es ist bezeichnend für die Schweizer Zustände, daß auf dem Festplatze kein Eintritts¬
geld erhoben wird, wie das in Deutschland allgemein der Fall ist. Der Platz ist
nicht eingezäunt, und jedem steht es frei, ihn so oft er will zu besuchen.

Als sich das Schützenfest seinem Ende näherte, forderte uns Ehlbeck auf, bei
dem Abbrechen und Verladen der Menagerie zu helfen. Wir brachen unsre eigne
Bude in der Nacht ab und waren am folgenden Nachmittag gegen drei Uhr mit
dem Verladen fertig. Dann gingen wir zu der Bachschen Menagerie, die gerade noch
eine Vorstellung begann, und fingen schon damit an, die Leinwand loszuzwicken.
In demselben Augenblick, wo das Publikum die Bude verließ, sank auch die Lein¬
wand, wurde zusammengelegt, und darauf brachen wir das Holzwerk ab, luden es
auf die Wagen, schoben die Wagen auseinander und steckten die Deichseln ein, sodaß
Nachts halbem Uhr alles zum Bespannen fertig war. Bei dieser Arbeit erhielten
wir rechtzeitig unser Abendbrot sowie ein Faß Bier und bekamen endlich jeder fünf
Franken Entschädigung. In der Nacht gingen wir nach der Rampe und legten
uns in unsre eignen Wagen zum Schlafen nieder.

Unser Reiseziel war Innsbruck, wohin auch die Bachsche Menagerie mit uns in
einem gemeinsamen Extrazug fuhr. Mehrere der Wärter machten die Reise in den
kleinen Conpös, mit denen die Menageriewagen versehen waren, andre, darunter ich,
fuhren in der dritten Klasse. In Zürich kamen wir Abends um neun Uhr an und
blieben dort bis zum andern Morgen um vier Uhr liegen. Der nun folgende Reisetag
ist mir als einer der angenehmsten in der Erinnerung geblieben; ich konnte mich
an den herrlichen Gebirgslandschaften und den malerischen Ortschaften, an denen
wir vorüber kamen, nicht satt sehen. Wir gaben uns, alle mit einer Virginiazigarre
bewaffnet, dem Genusse des köstlichen Sommermorgens hin und schwelgten im An¬
blick des Züricher Sees, dessen langgestreckter, von Städten und Dörfern umsäuinter
Spiegel lange Zeit zu unsrer Seite blieb.

Nachdem wir die Schweizer Grenze passiert hatten, gelangten wir an eine
Station, wo wir, wie uns der Schaffner sagte, fünfzehn Minuten Aufenthalt haben
sollten. Da wir Durst verspürten, eilten wir nach einem vom Bahnhof etwas ent¬
fernten Restaurant und ließen uus Bier geben. Die Wärter, die in den Menagerie-
coupüs fuhren und dort in ihren Betten gelegen hatten, bekamen auch Durst und
verließen ihre Wagen, als wir schon wieder zurückkehrten, sie gelangten auch zu der
Bierquelle, hörten aber plötzlich zu ihrem Schrecken das Abfahrtssignal des Zuges
und blieben zurück.

Als wir ins Inntal hinabfuhren, wurden die Bremsklötze so heiß, daß wir
bei einem kurzen Aufenthalt unsre Zigarren daran anzünden konnten. Unterwegs
machte ich die Bekanntschaft eines Steinalten Affenwärters mit Namen Lagouois,
der mir durch sein ehrwürdiges Aussehen und seine Erzählungen sehr imponierte.
Am Abend gegen elf Uhr langten wir endlich in Innsbruck an, wo sich, als in
der Menagerie noch gefüttert werden sollte, herausstellte, daß von den achtzehn An¬
gestellten nur sechs mitgekommen waren. Einer davon war schon in Bern am
Gabentempel arretiert worden, konnte jedoch seine Unschuld beweisen und kam, wie
auch die andern, langsam nach.

In Innsbruck wurde das zweite Österreichische Bundesschicßen mit großem
Pomp gefeiert. Am andern Morgen früh wurde zuerst die Bachsche Menagerie
und dann unser Panorama ausgeladen. Beim Verlassen des Wagens wurde der
Elefant scheu und ging durch; zum Glück hielt ihn aber Ehlbeck, der ihn führte,
am Ohre fest und ließ auch nicht los, als der Elefant im schnellsten Laufe die
Straße weiter rannte, wobei beide in eine dichte Staubwolke gehüllt waren. Das
Tier beruhigte sich endlich und konnte ohne weitern Zwischenfall auf den Festplatz
geführt werden. Dieser lag auf einer Wiese bei dem großen Viadukt und war mit
einer Plankenwand eingezäunt. Man betrat den Platz durch ein großes Portal


Unter Runden, Komödianten und wilden Tieren

Das Schützenfest dauerte im ganzen drei Wochen, und die meisten der Schau¬
steller machten ein ausgezeichnetes Geschäft. Das Schießen selbst begann am Morgen
früh um sechs Uhr und dauerte ununterbrochen bis zum Einbruch der Dunkelheit.
Es ist bezeichnend für die Schweizer Zustände, daß auf dem Festplatze kein Eintritts¬
geld erhoben wird, wie das in Deutschland allgemein der Fall ist. Der Platz ist
nicht eingezäunt, und jedem steht es frei, ihn so oft er will zu besuchen.

Als sich das Schützenfest seinem Ende näherte, forderte uns Ehlbeck auf, bei
dem Abbrechen und Verladen der Menagerie zu helfen. Wir brachen unsre eigne
Bude in der Nacht ab und waren am folgenden Nachmittag gegen drei Uhr mit
dem Verladen fertig. Dann gingen wir zu der Bachschen Menagerie, die gerade noch
eine Vorstellung begann, und fingen schon damit an, die Leinwand loszuzwicken.
In demselben Augenblick, wo das Publikum die Bude verließ, sank auch die Lein¬
wand, wurde zusammengelegt, und darauf brachen wir das Holzwerk ab, luden es
auf die Wagen, schoben die Wagen auseinander und steckten die Deichseln ein, sodaß
Nachts halbem Uhr alles zum Bespannen fertig war. Bei dieser Arbeit erhielten
wir rechtzeitig unser Abendbrot sowie ein Faß Bier und bekamen endlich jeder fünf
Franken Entschädigung. In der Nacht gingen wir nach der Rampe und legten
uns in unsre eignen Wagen zum Schlafen nieder.

Unser Reiseziel war Innsbruck, wohin auch die Bachsche Menagerie mit uns in
einem gemeinsamen Extrazug fuhr. Mehrere der Wärter machten die Reise in den
kleinen Conpös, mit denen die Menageriewagen versehen waren, andre, darunter ich,
fuhren in der dritten Klasse. In Zürich kamen wir Abends um neun Uhr an und
blieben dort bis zum andern Morgen um vier Uhr liegen. Der nun folgende Reisetag
ist mir als einer der angenehmsten in der Erinnerung geblieben; ich konnte mich
an den herrlichen Gebirgslandschaften und den malerischen Ortschaften, an denen
wir vorüber kamen, nicht satt sehen. Wir gaben uns, alle mit einer Virginiazigarre
bewaffnet, dem Genusse des köstlichen Sommermorgens hin und schwelgten im An¬
blick des Züricher Sees, dessen langgestreckter, von Städten und Dörfern umsäuinter
Spiegel lange Zeit zu unsrer Seite blieb.

Nachdem wir die Schweizer Grenze passiert hatten, gelangten wir an eine
Station, wo wir, wie uns der Schaffner sagte, fünfzehn Minuten Aufenthalt haben
sollten. Da wir Durst verspürten, eilten wir nach einem vom Bahnhof etwas ent¬
fernten Restaurant und ließen uus Bier geben. Die Wärter, die in den Menagerie-
coupüs fuhren und dort in ihren Betten gelegen hatten, bekamen auch Durst und
verließen ihre Wagen, als wir schon wieder zurückkehrten, sie gelangten auch zu der
Bierquelle, hörten aber plötzlich zu ihrem Schrecken das Abfahrtssignal des Zuges
und blieben zurück.

Als wir ins Inntal hinabfuhren, wurden die Bremsklötze so heiß, daß wir
bei einem kurzen Aufenthalt unsre Zigarren daran anzünden konnten. Unterwegs
machte ich die Bekanntschaft eines Steinalten Affenwärters mit Namen Lagouois,
der mir durch sein ehrwürdiges Aussehen und seine Erzählungen sehr imponierte.
Am Abend gegen elf Uhr langten wir endlich in Innsbruck an, wo sich, als in
der Menagerie noch gefüttert werden sollte, herausstellte, daß von den achtzehn An¬
gestellten nur sechs mitgekommen waren. Einer davon war schon in Bern am
Gabentempel arretiert worden, konnte jedoch seine Unschuld beweisen und kam, wie
auch die andern, langsam nach.

In Innsbruck wurde das zweite Österreichische Bundesschicßen mit großem
Pomp gefeiert. Am andern Morgen früh wurde zuerst die Bachsche Menagerie
und dann unser Panorama ausgeladen. Beim Verlassen des Wagens wurde der
Elefant scheu und ging durch; zum Glück hielt ihn aber Ehlbeck, der ihn führte,
am Ohre fest und ließ auch nicht los, als der Elefant im schnellsten Laufe die
Straße weiter rannte, wobei beide in eine dichte Staubwolke gehüllt waren. Das
Tier beruhigte sich endlich und konnte ohne weitern Zwischenfall auf den Festplatz
geführt werden. Dieser lag auf einer Wiese bei dem großen Viadukt und war mit
einer Plankenwand eingezäunt. Man betrat den Platz durch ein großes Portal


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[0373] Unter Runden, Komödianten und wilden Tieren Das Schützenfest dauerte im ganzen drei Wochen, und die meisten der Schau¬ steller machten ein ausgezeichnetes Geschäft. Das Schießen selbst begann am Morgen früh um sechs Uhr und dauerte ununterbrochen bis zum Einbruch der Dunkelheit. Es ist bezeichnend für die Schweizer Zustände, daß auf dem Festplatze kein Eintritts¬ geld erhoben wird, wie das in Deutschland allgemein der Fall ist. Der Platz ist nicht eingezäunt, und jedem steht es frei, ihn so oft er will zu besuchen. Als sich das Schützenfest seinem Ende näherte, forderte uns Ehlbeck auf, bei dem Abbrechen und Verladen der Menagerie zu helfen. Wir brachen unsre eigne Bude in der Nacht ab und waren am folgenden Nachmittag gegen drei Uhr mit dem Verladen fertig. Dann gingen wir zu der Bachschen Menagerie, die gerade noch eine Vorstellung begann, und fingen schon damit an, die Leinwand loszuzwicken. In demselben Augenblick, wo das Publikum die Bude verließ, sank auch die Lein¬ wand, wurde zusammengelegt, und darauf brachen wir das Holzwerk ab, luden es auf die Wagen, schoben die Wagen auseinander und steckten die Deichseln ein, sodaß Nachts halbem Uhr alles zum Bespannen fertig war. Bei dieser Arbeit erhielten wir rechtzeitig unser Abendbrot sowie ein Faß Bier und bekamen endlich jeder fünf Franken Entschädigung. In der Nacht gingen wir nach der Rampe und legten uns in unsre eignen Wagen zum Schlafen nieder. Unser Reiseziel war Innsbruck, wohin auch die Bachsche Menagerie mit uns in einem gemeinsamen Extrazug fuhr. Mehrere der Wärter machten die Reise in den kleinen Conpös, mit denen die Menageriewagen versehen waren, andre, darunter ich, fuhren in der dritten Klasse. In Zürich kamen wir Abends um neun Uhr an und blieben dort bis zum andern Morgen um vier Uhr liegen. Der nun folgende Reisetag ist mir als einer der angenehmsten in der Erinnerung geblieben; ich konnte mich an den herrlichen Gebirgslandschaften und den malerischen Ortschaften, an denen wir vorüber kamen, nicht satt sehen. Wir gaben uns, alle mit einer Virginiazigarre bewaffnet, dem Genusse des köstlichen Sommermorgens hin und schwelgten im An¬ blick des Züricher Sees, dessen langgestreckter, von Städten und Dörfern umsäuinter Spiegel lange Zeit zu unsrer Seite blieb. Nachdem wir die Schweizer Grenze passiert hatten, gelangten wir an eine Station, wo wir, wie uns der Schaffner sagte, fünfzehn Minuten Aufenthalt haben sollten. Da wir Durst verspürten, eilten wir nach einem vom Bahnhof etwas ent¬ fernten Restaurant und ließen uus Bier geben. Die Wärter, die in den Menagerie- coupüs fuhren und dort in ihren Betten gelegen hatten, bekamen auch Durst und verließen ihre Wagen, als wir schon wieder zurückkehrten, sie gelangten auch zu der Bierquelle, hörten aber plötzlich zu ihrem Schrecken das Abfahrtssignal des Zuges und blieben zurück. Als wir ins Inntal hinabfuhren, wurden die Bremsklötze so heiß, daß wir bei einem kurzen Aufenthalt unsre Zigarren daran anzünden konnten. Unterwegs machte ich die Bekanntschaft eines Steinalten Affenwärters mit Namen Lagouois, der mir durch sein ehrwürdiges Aussehen und seine Erzählungen sehr imponierte. Am Abend gegen elf Uhr langten wir endlich in Innsbruck an, wo sich, als in der Menagerie noch gefüttert werden sollte, herausstellte, daß von den achtzehn An¬ gestellten nur sechs mitgekommen waren. Einer davon war schon in Bern am Gabentempel arretiert worden, konnte jedoch seine Unschuld beweisen und kam, wie auch die andern, langsam nach. In Innsbruck wurde das zweite Österreichische Bundesschicßen mit großem Pomp gefeiert. Am andern Morgen früh wurde zuerst die Bachsche Menagerie und dann unser Panorama ausgeladen. Beim Verlassen des Wagens wurde der Elefant scheu und ging durch; zum Glück hielt ihn aber Ehlbeck, der ihn führte, am Ohre fest und ließ auch nicht los, als der Elefant im schnellsten Laufe die Straße weiter rannte, wobei beide in eine dichte Staubwolke gehüllt waren. Das Tier beruhigte sich endlich und konnte ohne weitern Zwischenfall auf den Festplatz geführt werden. Dieser lag auf einer Wiese bei dem großen Viadukt und war mit einer Plankenwand eingezäunt. Man betrat den Platz durch ein großes Portal

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/373>, abgerufen am 27.09.2024.