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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Der britische Staatshaushalt

zustellen. Ergibt sich der Nachlaß als wertvoller, als der Verstorbne bei der
letzten Einschätzung angegeben hatte, nun so haben die Erben das zweifelhafte
Vergnügen, nicht nur nachzählen, sondern auch eine recht beträchtliche Geld¬
strafe aus der Masse entrichten zu müssen.

Wieviel das Einkommen des britischen Volks beträgt, läßt sich nicht be¬
rechnen, höchstens im allgemeinen beurteilen. Professor A. L. Bowley schätzte
es erst auf etwa 1900 Millionen Pfund; jetzt, nach neuer Prüfung, nimmt
er es zu 1800 Millionen an. Sir Robert Giffon glaubt mit 1750 Millionen
der Wahrheit näher zu kommen. Welche der Schätzungen richtiger ist, wer
vermag das zu entscheiden? Möglicherweise irren beide um Hunderte von
Millionen. Denn Arbeiter und alle, deren Lebensführung die Einkommen¬
steuerpflicht als unwahrscheinlich erscheinen läßt, werden gar nicht um die An¬
gabe ihres Einkommens ersucht oder der Einschätzung unterworfen. Die Summe
der Einkommen, über die dem Schatzkanzler Rechenschaft abgelegt wurde, be¬
trug im Jahre 1902/03, dem letzten, über das volle Zahlenangaben vorliegen,
über 879 Millionen, gegen 679 Millionen im Jahre 1892/93, und die Summe
derer, die Steuer entrichteten, war für dieselben Jahre 608606903 -F und
537565400 -F. In den zehn Jahren zeigt sich also eine Zunahme des steuer¬
pflichtigen Einkommens um mehr als 70 Millionen, trotzdem daß die Grenze
der Steuerfreiheit im Jahre 1894 von 150 auf 160 -F hinaufgerückt worden
ist. Dementsprechend bringt auch jeder Penny der Steuer jetzt einen höhern
Ertrag, nämlich 2535862 ^> (1902/03) gegen 2239856 zehn Jahre früher.

Aus welchen Quellen das Einkommen floß, zeigt die folgende Aufstellung.

in runden Millionen Pfund
eingeschätztessteuerpflichtiges
Einkommen aus1892/931902/031892/93 1902/03
202241163 152
L. Landwirtschaft..........19176 4
0. Britischen und ausländischen Staatspapieren384636 42
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Es geht daraus hervor, daß die große Zunahme hauptsächlich dem ge¬
schäftlichen Leben zu verdanken ist. Die Landwirtschaft ist in ständigen Rück¬
gang begriffen, und die daraus folgende Entwertung des landwirtschaftlichen
Bodens hat wieder das Einkommen aus Grund- und Hauseigentum ungünstig
beeinflußt, obwohl der eingeschätzte Gesamtwert infolge der städtischen Bau¬
tätigkeit fast um ein Fünftel gestiegen ist. Dagegen lassen Handel und Ge¬
werbe von dem Niedergang, den Chamberlain bejammert, herzlich wenig spüren,
und die Zunahme der Einkommen aus Staatspapieren läßt ebensowenig einen
Schluß auf Verarmung zu. Es wird noch ein Weilchen dauern, bevor ein
andres Volk die Briten an Kapitalkraft überholt. Noch steht Großbritannien
<in der Spitze, trotz der amerikanischen Milliardäre.

Wie schon angeführt worden ist, betrug 1902/03 die Summe der ein¬
geschützten Einkommen 879 Millionen, mehr als die Hälfte des von Sir
Robert Giffen veranschlagten Einkommens des ganzen Volks; das will sagen.


Der britische Staatshaushalt

zustellen. Ergibt sich der Nachlaß als wertvoller, als der Verstorbne bei der
letzten Einschätzung angegeben hatte, nun so haben die Erben das zweifelhafte
Vergnügen, nicht nur nachzählen, sondern auch eine recht beträchtliche Geld¬
strafe aus der Masse entrichten zu müssen.

Wieviel das Einkommen des britischen Volks beträgt, läßt sich nicht be¬
rechnen, höchstens im allgemeinen beurteilen. Professor A. L. Bowley schätzte
es erst auf etwa 1900 Millionen Pfund; jetzt, nach neuer Prüfung, nimmt
er es zu 1800 Millionen an. Sir Robert Giffon glaubt mit 1750 Millionen
der Wahrheit näher zu kommen. Welche der Schätzungen richtiger ist, wer
vermag das zu entscheiden? Möglicherweise irren beide um Hunderte von
Millionen. Denn Arbeiter und alle, deren Lebensführung die Einkommen¬
steuerpflicht als unwahrscheinlich erscheinen läßt, werden gar nicht um die An¬
gabe ihres Einkommens ersucht oder der Einschätzung unterworfen. Die Summe
der Einkommen, über die dem Schatzkanzler Rechenschaft abgelegt wurde, be¬
trug im Jahre 1902/03, dem letzten, über das volle Zahlenangaben vorliegen,
über 879 Millionen, gegen 679 Millionen im Jahre 1892/93, und die Summe
derer, die Steuer entrichteten, war für dieselben Jahre 608606903 -F und
537565400 -F. In den zehn Jahren zeigt sich also eine Zunahme des steuer¬
pflichtigen Einkommens um mehr als 70 Millionen, trotzdem daß die Grenze
der Steuerfreiheit im Jahre 1894 von 150 auf 160 -F hinaufgerückt worden
ist. Dementsprechend bringt auch jeder Penny der Steuer jetzt einen höhern
Ertrag, nämlich 2535862 ^> (1902/03) gegen 2239856 zehn Jahre früher.

Aus welchen Quellen das Einkommen floß, zeigt die folgende Aufstellung.

in runden Millionen Pfund
eingeschätztessteuerpflichtiges
Einkommen aus1892/931902/031892/93 1902/03
202241163 152
L. Landwirtschaft..........19176 4
0. Britischen und ausländischen Staatspapieren384636 42
367491294 361
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Es geht daraus hervor, daß die große Zunahme hauptsächlich dem ge¬
schäftlichen Leben zu verdanken ist. Die Landwirtschaft ist in ständigen Rück¬
gang begriffen, und die daraus folgende Entwertung des landwirtschaftlichen
Bodens hat wieder das Einkommen aus Grund- und Hauseigentum ungünstig
beeinflußt, obwohl der eingeschätzte Gesamtwert infolge der städtischen Bau¬
tätigkeit fast um ein Fünftel gestiegen ist. Dagegen lassen Handel und Ge¬
werbe von dem Niedergang, den Chamberlain bejammert, herzlich wenig spüren,
und die Zunahme der Einkommen aus Staatspapieren läßt ebensowenig einen
Schluß auf Verarmung zu. Es wird noch ein Weilchen dauern, bevor ein
andres Volk die Briten an Kapitalkraft überholt. Noch steht Großbritannien
<in der Spitze, trotz der amerikanischen Milliardäre.

Wie schon angeführt worden ist, betrug 1902/03 die Summe der ein¬
geschützten Einkommen 879 Millionen, mehr als die Hälfte des von Sir
Robert Giffen veranschlagten Einkommens des ganzen Volks; das will sagen.


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[0351] Der britische Staatshaushalt zustellen. Ergibt sich der Nachlaß als wertvoller, als der Verstorbne bei der letzten Einschätzung angegeben hatte, nun so haben die Erben das zweifelhafte Vergnügen, nicht nur nachzählen, sondern auch eine recht beträchtliche Geld¬ strafe aus der Masse entrichten zu müssen. Wieviel das Einkommen des britischen Volks beträgt, läßt sich nicht be¬ rechnen, höchstens im allgemeinen beurteilen. Professor A. L. Bowley schätzte es erst auf etwa 1900 Millionen Pfund; jetzt, nach neuer Prüfung, nimmt er es zu 1800 Millionen an. Sir Robert Giffon glaubt mit 1750 Millionen der Wahrheit näher zu kommen. Welche der Schätzungen richtiger ist, wer vermag das zu entscheiden? Möglicherweise irren beide um Hunderte von Millionen. Denn Arbeiter und alle, deren Lebensführung die Einkommen¬ steuerpflicht als unwahrscheinlich erscheinen läßt, werden gar nicht um die An¬ gabe ihres Einkommens ersucht oder der Einschätzung unterworfen. Die Summe der Einkommen, über die dem Schatzkanzler Rechenschaft abgelegt wurde, be¬ trug im Jahre 1902/03, dem letzten, über das volle Zahlenangaben vorliegen, über 879 Millionen, gegen 679 Millionen im Jahre 1892/93, und die Summe derer, die Steuer entrichteten, war für dieselben Jahre 608606903 -F und 537565400 -F. In den zehn Jahren zeigt sich also eine Zunahme des steuer¬ pflichtigen Einkommens um mehr als 70 Millionen, trotzdem daß die Grenze der Steuerfreiheit im Jahre 1894 von 150 auf 160 -F hinaufgerückt worden ist. Dementsprechend bringt auch jeder Penny der Steuer jetzt einen höhern Ertrag, nämlich 2535862 ^> (1902/03) gegen 2239856 zehn Jahre früher. Aus welchen Quellen das Einkommen floß, zeigt die folgende Aufstellung. in runden Millionen Pfund eingeschätztessteuerpflichtiges Einkommen aus1892/931902/031892/93 1902/03 202241163 152 L. Landwirtschaft..........19176 4 0. Britischen und ausländischen Staatspapieren384636 42 367491294 361 S13236 48 Es geht daraus hervor, daß die große Zunahme hauptsächlich dem ge¬ schäftlichen Leben zu verdanken ist. Die Landwirtschaft ist in ständigen Rück¬ gang begriffen, und die daraus folgende Entwertung des landwirtschaftlichen Bodens hat wieder das Einkommen aus Grund- und Hauseigentum ungünstig beeinflußt, obwohl der eingeschätzte Gesamtwert infolge der städtischen Bau¬ tätigkeit fast um ein Fünftel gestiegen ist. Dagegen lassen Handel und Ge¬ werbe von dem Niedergang, den Chamberlain bejammert, herzlich wenig spüren, und die Zunahme der Einkommen aus Staatspapieren läßt ebensowenig einen Schluß auf Verarmung zu. Es wird noch ein Weilchen dauern, bevor ein andres Volk die Briten an Kapitalkraft überholt. Noch steht Großbritannien <in der Spitze, trotz der amerikanischen Milliardäre. Wie schon angeführt worden ist, betrug 1902/03 die Summe der ein¬ geschützten Einkommen 879 Millionen, mehr als die Hälfte des von Sir Robert Giffen veranschlagten Einkommens des ganzen Volks; das will sagen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/351>, abgerufen am 27.09.2024.