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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

deutsche Entsatzflotte auch nur in die Nähe des Kriegsschauplatzes gelangen könnte.
Man erinnere sich nur, wie bei den Chinawirren im Jahre 1900 erst nach der Ein¬
nahme Pekings, zwei bis drei Monate nach dem Beginn der Feindseligkeiten, unsre
Entsatzschiffe und -truppen in Tatu eintrafen. Es würde also, wenn man überhaupt
an die Behauptung von Kiautschou denkt, unbedingt notwendig sein, schon vorher
eine genügend starke Flotte dort zu haben, um jeder japanischen Landung durch
rechtzeitige Offensive vorbeugen zu können. Daß diese Flotte neugebaut werden
muß und nicht etwa zum Teil unsrer für andre Zwecke bestimmten heimischen
Schlachtflotte entnommen werden darf, versteht sich von selbst. Sie würde dagegen
als Ersatz für die 1900 vertagte Verstärkung unsrer Auslandsflotte dienen können.
Die Stärke dieser Flotte für Kiautschou müßte nach der jeweiligen Stärke der
japanischen Flotte bemessen werden, müßte dieser überlegen sein und auch eine ge¬
nügende Materialreserve haben, da gerade der gegenwärtige Krieg die Not¬
wendigkeit einer solchen mit der größten Klarheit gezeigt hat. Nach der jetzigen
japanischen Seestärke wären also mindestens nötig: sechs moderne Linienschiffe von
je 15000 Tonnen und zwei als Materialreserve, sowie mindestens dieselbe Zahl
Panzerkreuzer von je 10000 Tonnen, dazu fünfzehn geschützte Kreuzer (und fünf
als Reserve) von je 3000 bis 5000 Tonnen, etwa zwanzig Torpedobootszerstörer
(dazu fünf als Reserve), sowie neunzig Torpedoboote erster bis dritter Klasse (dazu
zehn als Reserve). Bei einer Verstärkung der japanischen Marine nach dem Kriege
müßte natürlich unsre Schutzflotte entsprechend verstärkt werden; zunächst bietet uns
aber der gegenwärtige Krieg die Möglichkeit, sie in der ausgeführten Stärke zu
bauen. Auch England könnte gegen eine solche Verstärkung unsrer Marine nichts
einwenden, da diese nur zum Schutz unsrer ostasiatischen Besitzungen bestimmt ist,
die in Europa stationierte Flotte also nicht vermehrt wird. Die Kostenfrage darf
uns nicht abhalten, das Notwendige zu tun. Denn abgesehen davon, daß unser
jetziges Geschwader in Ostasien mit drei großen und zwei kleinen Kreuzern sowie
die 1900 in sichere Aussicht gestellte Vermehrung unsrer Auslandsflotte um sechs
große und sieben kleine Kreuzer schon den gesamten Bedarf an großen und die
Hälfte der kleinen Kreuzer decken würde, ist auch schon auf dem Dresdner Flotten¬
vereinstag eine Vermehrung unsrer Schlachtflotte um zehn Linienschiffe, einen großen,
acht kleine Kreuzer und sechsundfünfzig Torpedoboote gefordert worden, was etwa
dem Nest unsrer Schutzflotte (acht Linienschiffe, zehn kleine Kreuzer und hundert-
fünfundzwanzig Torpedoboote) entsprechen würde. Der Bau der notwendigen Schiffe
würde also durchaus keine übermenschlichen oder unerhörten Anstrengungen ver¬
langen; sieht man von jeder Aufrechnung ab, so kosten acht Linienschiffe etwa
200 Millionen Mark, acht Panzerkreuzer 160 Millionen, zwanzig kleine Kreuzer
120 Millionen, hundertfünfundzwanzig Torpedoboote etwa 130 Millionen, alles
in allem also rund 600 Millionen Mark. Als Anleihe zu 3^ Prozent und so
amortisiert, daß die Schuld getilgt ist, wenn die veralteten Schiffe durch neue ersetzt
werden müssen, bedeutet dies eine jährliche Mehrbelastung des Reichsbudgets von
durchschnittlich 35 Millionen Mark. Niemand wird zu behaupten wagen, daß das
Deutsche Reich diese Summe nicht aufbringen könne als Versicherungsprämie für
seine Handels- und sonstigen Interessen in Ostasien und als einziges Mittel, einen
langen, blutigen und verlustreichen Krieg zu verhüten.

Wie sich falsch angebrachte Sparsamkeit rächt, haben wir an Südwestafrika
hoffentlich genügend gesehen; würden wir jetzt in Ostasien die Kosten scheuen, so
würden uns ungeheuer viel größere Kosten an Geld und Blut bevorstehn, und
noch dazu ohne Erfolg. Denn ist Kiautschou, unser Stützpunkt, einmal verloren,
so sind wir in einer ebenso schwierigen Lage wie Rußland nach dem Falle von
Port Arthur, wenn wir etwa mit einer später ausgesandten Entsatzflotte, die uns
ebenso wie jetzt Rußland die heimische Seegeltung kosten würde, die japanische See¬
herrschaft brechen wollten. Daß uns aber schon wenige Kriegswochen mehr kosten
werden als jetzt der Bau einer Schutzflotte, daran ist nicht zu zweifeln. Daß uus


Maßgebliches und Unmaßgebliches

deutsche Entsatzflotte auch nur in die Nähe des Kriegsschauplatzes gelangen könnte.
Man erinnere sich nur, wie bei den Chinawirren im Jahre 1900 erst nach der Ein¬
nahme Pekings, zwei bis drei Monate nach dem Beginn der Feindseligkeiten, unsre
Entsatzschiffe und -truppen in Tatu eintrafen. Es würde also, wenn man überhaupt
an die Behauptung von Kiautschou denkt, unbedingt notwendig sein, schon vorher
eine genügend starke Flotte dort zu haben, um jeder japanischen Landung durch
rechtzeitige Offensive vorbeugen zu können. Daß diese Flotte neugebaut werden
muß und nicht etwa zum Teil unsrer für andre Zwecke bestimmten heimischen
Schlachtflotte entnommen werden darf, versteht sich von selbst. Sie würde dagegen
als Ersatz für die 1900 vertagte Verstärkung unsrer Auslandsflotte dienen können.
Die Stärke dieser Flotte für Kiautschou müßte nach der jeweiligen Stärke der
japanischen Flotte bemessen werden, müßte dieser überlegen sein und auch eine ge¬
nügende Materialreserve haben, da gerade der gegenwärtige Krieg die Not¬
wendigkeit einer solchen mit der größten Klarheit gezeigt hat. Nach der jetzigen
japanischen Seestärke wären also mindestens nötig: sechs moderne Linienschiffe von
je 15000 Tonnen und zwei als Materialreserve, sowie mindestens dieselbe Zahl
Panzerkreuzer von je 10000 Tonnen, dazu fünfzehn geschützte Kreuzer (und fünf
als Reserve) von je 3000 bis 5000 Tonnen, etwa zwanzig Torpedobootszerstörer
(dazu fünf als Reserve), sowie neunzig Torpedoboote erster bis dritter Klasse (dazu
zehn als Reserve). Bei einer Verstärkung der japanischen Marine nach dem Kriege
müßte natürlich unsre Schutzflotte entsprechend verstärkt werden; zunächst bietet uns
aber der gegenwärtige Krieg die Möglichkeit, sie in der ausgeführten Stärke zu
bauen. Auch England könnte gegen eine solche Verstärkung unsrer Marine nichts
einwenden, da diese nur zum Schutz unsrer ostasiatischen Besitzungen bestimmt ist,
die in Europa stationierte Flotte also nicht vermehrt wird. Die Kostenfrage darf
uns nicht abhalten, das Notwendige zu tun. Denn abgesehen davon, daß unser
jetziges Geschwader in Ostasien mit drei großen und zwei kleinen Kreuzern sowie
die 1900 in sichere Aussicht gestellte Vermehrung unsrer Auslandsflotte um sechs
große und sieben kleine Kreuzer schon den gesamten Bedarf an großen und die
Hälfte der kleinen Kreuzer decken würde, ist auch schon auf dem Dresdner Flotten¬
vereinstag eine Vermehrung unsrer Schlachtflotte um zehn Linienschiffe, einen großen,
acht kleine Kreuzer und sechsundfünfzig Torpedoboote gefordert worden, was etwa
dem Nest unsrer Schutzflotte (acht Linienschiffe, zehn kleine Kreuzer und hundert-
fünfundzwanzig Torpedoboote) entsprechen würde. Der Bau der notwendigen Schiffe
würde also durchaus keine übermenschlichen oder unerhörten Anstrengungen ver¬
langen; sieht man von jeder Aufrechnung ab, so kosten acht Linienschiffe etwa
200 Millionen Mark, acht Panzerkreuzer 160 Millionen, zwanzig kleine Kreuzer
120 Millionen, hundertfünfundzwanzig Torpedoboote etwa 130 Millionen, alles
in allem also rund 600 Millionen Mark. Als Anleihe zu 3^ Prozent und so
amortisiert, daß die Schuld getilgt ist, wenn die veralteten Schiffe durch neue ersetzt
werden müssen, bedeutet dies eine jährliche Mehrbelastung des Reichsbudgets von
durchschnittlich 35 Millionen Mark. Niemand wird zu behaupten wagen, daß das
Deutsche Reich diese Summe nicht aufbringen könne als Versicherungsprämie für
seine Handels- und sonstigen Interessen in Ostasien und als einziges Mittel, einen
langen, blutigen und verlustreichen Krieg zu verhüten.

Wie sich falsch angebrachte Sparsamkeit rächt, haben wir an Südwestafrika
hoffentlich genügend gesehen; würden wir jetzt in Ostasien die Kosten scheuen, so
würden uns ungeheuer viel größere Kosten an Geld und Blut bevorstehn, und
noch dazu ohne Erfolg. Denn ist Kiautschou, unser Stützpunkt, einmal verloren,
so sind wir in einer ebenso schwierigen Lage wie Rußland nach dem Falle von
Port Arthur, wenn wir etwa mit einer später ausgesandten Entsatzflotte, die uns
ebenso wie jetzt Rußland die heimische Seegeltung kosten würde, die japanische See¬
herrschaft brechen wollten. Daß uns aber schon wenige Kriegswochen mehr kosten
werden als jetzt der Bau einer Schutzflotte, daran ist nicht zu zweifeln. Daß uus


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[0336] Maßgebliches und Unmaßgebliches deutsche Entsatzflotte auch nur in die Nähe des Kriegsschauplatzes gelangen könnte. Man erinnere sich nur, wie bei den Chinawirren im Jahre 1900 erst nach der Ein¬ nahme Pekings, zwei bis drei Monate nach dem Beginn der Feindseligkeiten, unsre Entsatzschiffe und -truppen in Tatu eintrafen. Es würde also, wenn man überhaupt an die Behauptung von Kiautschou denkt, unbedingt notwendig sein, schon vorher eine genügend starke Flotte dort zu haben, um jeder japanischen Landung durch rechtzeitige Offensive vorbeugen zu können. Daß diese Flotte neugebaut werden muß und nicht etwa zum Teil unsrer für andre Zwecke bestimmten heimischen Schlachtflotte entnommen werden darf, versteht sich von selbst. Sie würde dagegen als Ersatz für die 1900 vertagte Verstärkung unsrer Auslandsflotte dienen können. Die Stärke dieser Flotte für Kiautschou müßte nach der jeweiligen Stärke der japanischen Flotte bemessen werden, müßte dieser überlegen sein und auch eine ge¬ nügende Materialreserve haben, da gerade der gegenwärtige Krieg die Not¬ wendigkeit einer solchen mit der größten Klarheit gezeigt hat. Nach der jetzigen japanischen Seestärke wären also mindestens nötig: sechs moderne Linienschiffe von je 15000 Tonnen und zwei als Materialreserve, sowie mindestens dieselbe Zahl Panzerkreuzer von je 10000 Tonnen, dazu fünfzehn geschützte Kreuzer (und fünf als Reserve) von je 3000 bis 5000 Tonnen, etwa zwanzig Torpedobootszerstörer (dazu fünf als Reserve), sowie neunzig Torpedoboote erster bis dritter Klasse (dazu zehn als Reserve). Bei einer Verstärkung der japanischen Marine nach dem Kriege müßte natürlich unsre Schutzflotte entsprechend verstärkt werden; zunächst bietet uns aber der gegenwärtige Krieg die Möglichkeit, sie in der ausgeführten Stärke zu bauen. Auch England könnte gegen eine solche Verstärkung unsrer Marine nichts einwenden, da diese nur zum Schutz unsrer ostasiatischen Besitzungen bestimmt ist, die in Europa stationierte Flotte also nicht vermehrt wird. Die Kostenfrage darf uns nicht abhalten, das Notwendige zu tun. Denn abgesehen davon, daß unser jetziges Geschwader in Ostasien mit drei großen und zwei kleinen Kreuzern sowie die 1900 in sichere Aussicht gestellte Vermehrung unsrer Auslandsflotte um sechs große und sieben kleine Kreuzer schon den gesamten Bedarf an großen und die Hälfte der kleinen Kreuzer decken würde, ist auch schon auf dem Dresdner Flotten¬ vereinstag eine Vermehrung unsrer Schlachtflotte um zehn Linienschiffe, einen großen, acht kleine Kreuzer und sechsundfünfzig Torpedoboote gefordert worden, was etwa dem Nest unsrer Schutzflotte (acht Linienschiffe, zehn kleine Kreuzer und hundert- fünfundzwanzig Torpedoboote) entsprechen würde. Der Bau der notwendigen Schiffe würde also durchaus keine übermenschlichen oder unerhörten Anstrengungen ver¬ langen; sieht man von jeder Aufrechnung ab, so kosten acht Linienschiffe etwa 200 Millionen Mark, acht Panzerkreuzer 160 Millionen, zwanzig kleine Kreuzer 120 Millionen, hundertfünfundzwanzig Torpedoboote etwa 130 Millionen, alles in allem also rund 600 Millionen Mark. Als Anleihe zu 3^ Prozent und so amortisiert, daß die Schuld getilgt ist, wenn die veralteten Schiffe durch neue ersetzt werden müssen, bedeutet dies eine jährliche Mehrbelastung des Reichsbudgets von durchschnittlich 35 Millionen Mark. Niemand wird zu behaupten wagen, daß das Deutsche Reich diese Summe nicht aufbringen könne als Versicherungsprämie für seine Handels- und sonstigen Interessen in Ostasien und als einziges Mittel, einen langen, blutigen und verlustreichen Krieg zu verhüten. Wie sich falsch angebrachte Sparsamkeit rächt, haben wir an Südwestafrika hoffentlich genügend gesehen; würden wir jetzt in Ostasien die Kosten scheuen, so würden uns ungeheuer viel größere Kosten an Geld und Blut bevorstehn, und noch dazu ohne Erfolg. Denn ist Kiautschou, unser Stützpunkt, einmal verloren, so sind wir in einer ebenso schwierigen Lage wie Rußland nach dem Falle von Port Arthur, wenn wir etwa mit einer später ausgesandten Entsatzflotte, die uns ebenso wie jetzt Rußland die heimische Seegeltung kosten würde, die japanische See¬ herrschaft brechen wollten. Daß uns aber schon wenige Kriegswochen mehr kosten werden als jetzt der Bau einer Schutzflotte, daran ist nicht zu zweifeln. Daß uus

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/336>, abgerufen am 27.09.2024.