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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

ausführbar, ebenso wie eine Besichtigung des englischen Geschwaders in der zweiten
Hälfte des Monats. Nach einer Begegnung mit dem Könige würde eine solche
Besichtigung einen noch wesentlich freundlichern Charakter annehmen. Der Umstand,
daß in der englischen Presse die Möglichkeit einer solchen Begegnung weit bei¬
fälliger besprochen wird als im vorigen Jahre die Fahrt des Königs nach Kiel,
deutet doch darauf hin, daß man in den einsichtigern Kreisen der Nation des zweck¬
losen Haders mit Deutschland müde geworden ist, und daß der Gedanke sich
Bahn bricht, ein Krieg zwischen England und Deutschland würde zunächst dritten
Mächten zugute kommen, ganz abgesehen davon, daß weder Engländer noch Deutsche
wüßten, weshalb sie sich eigentlich schlügen. Bei dieser Gelegenheit darf auch
wohl noch auf den ziemlich hohen Grad von Sympathie hingewiesen werden, der
bisher zwischen der deutschen und der englischen Flotte bestanden hat. Mögen
selbstverständlich die Begegnungen des Kaisers mit seinem erlauchten Nachbarn in
der Ostsee Stoff zu allen möglichen Erörterungen geboten haben, auch zu der der
norwegischen Thronfrage -- die Schließung der Ostsee auf gemeinschaftliche Kosten
war schon aus dem Grunde nicht darunter, weil ein mars olausuw nicht von innen,
sondern Von außen abgeriegelt zu werden pflegt. Rußland hat in dieser Hinsicht
an dem Schwarzen Meere mehr als genug, und Deutschland hat ganz und gar
kein Bedürfnis, sich in dieselbe Lage zu bringen. Wohl aber hat der Besuch in
Kopenhagen reichlich Gelegenheit geboten, eine Fühlung zwischen London und Berlin
herzustellen. Wie nach der französischen, so hellt sich wohl auch nach der englischen
Seite der Horizont jetzt auf.

Das französische Memorandum in der marokkanischen Angelegenheit umfaßt
eine ganze Reihe von Fragen, mit denen deutsche Interessen verquickt sind, und
bedarf deshalb der Prüfung durch alle dafür in Betracht kommenden amtlichen
Stellen. Es ist jedoch nicht wahrscheinlich, daß von deutscher Seite, auch wenn man
vielleicht nicht mit allen Einzelheiten einverstanden sein sollte, besondre Schwierig¬
keiten erhoben werden. Es besteht die ernste Absicht, Frankreich ein ehrliches und
loyales Entgegenkommen zu zeigen, soweit die deutschen Interessen das irgend er¬
möglichen, und alles weitere der Konferenz anheimzugeben. Hoffen wir, daß der
Wunsch eines beiderseitigen Einvernehmens auf der Konferenz in Paris so groß ist,
als er in Berlin tatsächlich zu sein scheint. Beide Länder haben kein Interesse
daran, an ihrem Leibe eine marokkanische Wunde offen zu halten, zumal da in naher
Zukunft Ostasien alle Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen wird. Denn alle Mächte
werden mit einer von Japan angeregten und geleiteten chinesischen Emanzipations¬
tendenz rechnen müssen, und die englische Regierung hatte sicherlich gute Gründe,
daß sie jüngst im Unterhause, die Frage des japanischen Bündnisses scheinbar nur
gelegentlich streifend, Zweifel daran zuließ, ob die Erneuerung überhaupt wünschens¬
wert sei. Auf ein umfassendes Schutz- und Trutzbündnis einzugehn, wie die Japaner
es zu wünschen scheinen, wird jede englische Negierung sich zweimal besinnen. Ein
solches Schutz- und Trutzbündnis gleichsam als Blankowechsel zu acceptieren, ist
immer eine eigne Sache: man weiß nicht, wohin die Reise geht, und ist in allen
andern Beziehungen gehemmt. Kaiser Wilhelm der Erste war ans Grund seiner
langen Lebenserfahrung ein entschiedner Gegner aller nicht für einen bestimmten,
übersehbaren Zweck abgeschlossenen Bündnisse und hat sich gegen Vorschläge, die
darüber hinausgingen, immer ablehnend Verhalten; für eine sicher auf sich selbst
beruhende Großmacht dürfte das auch die richtigste Politik sein. Deshalb wird auch
Wohl England, falls es sein Bündnis mit Japan überhaupt erneuert, dies nur in
einem gewissen Umfange tun; Japan aber kann kaum, wenn es soeben einen Frieden
mit Rußland geschlossen hat, von neuem ein Bündnis gegen Rußland aufsuchen, zumal
da die Tendenz der russische" Politik einem Bündnisse mit Japan zustrebt. Jedenfalls
aber werden die asiatischen Angelegenheiten für die europäischen Mächte, die dort
große Interessen haben, in der nächsten Zeit wichtiger werden als der häusliche
europäische Streit.

Wie verlautet, stehn für den Spätherbst Beratungen über die Reorganisation


Maßgebliches und Unmaßgebliches

ausführbar, ebenso wie eine Besichtigung des englischen Geschwaders in der zweiten
Hälfte des Monats. Nach einer Begegnung mit dem Könige würde eine solche
Besichtigung einen noch wesentlich freundlichern Charakter annehmen. Der Umstand,
daß in der englischen Presse die Möglichkeit einer solchen Begegnung weit bei¬
fälliger besprochen wird als im vorigen Jahre die Fahrt des Königs nach Kiel,
deutet doch darauf hin, daß man in den einsichtigern Kreisen der Nation des zweck¬
losen Haders mit Deutschland müde geworden ist, und daß der Gedanke sich
Bahn bricht, ein Krieg zwischen England und Deutschland würde zunächst dritten
Mächten zugute kommen, ganz abgesehen davon, daß weder Engländer noch Deutsche
wüßten, weshalb sie sich eigentlich schlügen. Bei dieser Gelegenheit darf auch
wohl noch auf den ziemlich hohen Grad von Sympathie hingewiesen werden, der
bisher zwischen der deutschen und der englischen Flotte bestanden hat. Mögen
selbstverständlich die Begegnungen des Kaisers mit seinem erlauchten Nachbarn in
der Ostsee Stoff zu allen möglichen Erörterungen geboten haben, auch zu der der
norwegischen Thronfrage — die Schließung der Ostsee auf gemeinschaftliche Kosten
war schon aus dem Grunde nicht darunter, weil ein mars olausuw nicht von innen,
sondern Von außen abgeriegelt zu werden pflegt. Rußland hat in dieser Hinsicht
an dem Schwarzen Meere mehr als genug, und Deutschland hat ganz und gar
kein Bedürfnis, sich in dieselbe Lage zu bringen. Wohl aber hat der Besuch in
Kopenhagen reichlich Gelegenheit geboten, eine Fühlung zwischen London und Berlin
herzustellen. Wie nach der französischen, so hellt sich wohl auch nach der englischen
Seite der Horizont jetzt auf.

Das französische Memorandum in der marokkanischen Angelegenheit umfaßt
eine ganze Reihe von Fragen, mit denen deutsche Interessen verquickt sind, und
bedarf deshalb der Prüfung durch alle dafür in Betracht kommenden amtlichen
Stellen. Es ist jedoch nicht wahrscheinlich, daß von deutscher Seite, auch wenn man
vielleicht nicht mit allen Einzelheiten einverstanden sein sollte, besondre Schwierig¬
keiten erhoben werden. Es besteht die ernste Absicht, Frankreich ein ehrliches und
loyales Entgegenkommen zu zeigen, soweit die deutschen Interessen das irgend er¬
möglichen, und alles weitere der Konferenz anheimzugeben. Hoffen wir, daß der
Wunsch eines beiderseitigen Einvernehmens auf der Konferenz in Paris so groß ist,
als er in Berlin tatsächlich zu sein scheint. Beide Länder haben kein Interesse
daran, an ihrem Leibe eine marokkanische Wunde offen zu halten, zumal da in naher
Zukunft Ostasien alle Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen wird. Denn alle Mächte
werden mit einer von Japan angeregten und geleiteten chinesischen Emanzipations¬
tendenz rechnen müssen, und die englische Regierung hatte sicherlich gute Gründe,
daß sie jüngst im Unterhause, die Frage des japanischen Bündnisses scheinbar nur
gelegentlich streifend, Zweifel daran zuließ, ob die Erneuerung überhaupt wünschens¬
wert sei. Auf ein umfassendes Schutz- und Trutzbündnis einzugehn, wie die Japaner
es zu wünschen scheinen, wird jede englische Negierung sich zweimal besinnen. Ein
solches Schutz- und Trutzbündnis gleichsam als Blankowechsel zu acceptieren, ist
immer eine eigne Sache: man weiß nicht, wohin die Reise geht, und ist in allen
andern Beziehungen gehemmt. Kaiser Wilhelm der Erste war ans Grund seiner
langen Lebenserfahrung ein entschiedner Gegner aller nicht für einen bestimmten,
übersehbaren Zweck abgeschlossenen Bündnisse und hat sich gegen Vorschläge, die
darüber hinausgingen, immer ablehnend Verhalten; für eine sicher auf sich selbst
beruhende Großmacht dürfte das auch die richtigste Politik sein. Deshalb wird auch
Wohl England, falls es sein Bündnis mit Japan überhaupt erneuert, dies nur in
einem gewissen Umfange tun; Japan aber kann kaum, wenn es soeben einen Frieden
mit Rußland geschlossen hat, von neuem ein Bündnis gegen Rußland aufsuchen, zumal
da die Tendenz der russische» Politik einem Bündnisse mit Japan zustrebt. Jedenfalls
aber werden die asiatischen Angelegenheiten für die europäischen Mächte, die dort
große Interessen haben, in der nächsten Zeit wichtiger werden als der häusliche
europäische Streit.

Wie verlautet, stehn für den Spätherbst Beratungen über die Reorganisation


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[0333] Maßgebliches und Unmaßgebliches ausführbar, ebenso wie eine Besichtigung des englischen Geschwaders in der zweiten Hälfte des Monats. Nach einer Begegnung mit dem Könige würde eine solche Besichtigung einen noch wesentlich freundlichern Charakter annehmen. Der Umstand, daß in der englischen Presse die Möglichkeit einer solchen Begegnung weit bei¬ fälliger besprochen wird als im vorigen Jahre die Fahrt des Königs nach Kiel, deutet doch darauf hin, daß man in den einsichtigern Kreisen der Nation des zweck¬ losen Haders mit Deutschland müde geworden ist, und daß der Gedanke sich Bahn bricht, ein Krieg zwischen England und Deutschland würde zunächst dritten Mächten zugute kommen, ganz abgesehen davon, daß weder Engländer noch Deutsche wüßten, weshalb sie sich eigentlich schlügen. Bei dieser Gelegenheit darf auch wohl noch auf den ziemlich hohen Grad von Sympathie hingewiesen werden, der bisher zwischen der deutschen und der englischen Flotte bestanden hat. Mögen selbstverständlich die Begegnungen des Kaisers mit seinem erlauchten Nachbarn in der Ostsee Stoff zu allen möglichen Erörterungen geboten haben, auch zu der der norwegischen Thronfrage — die Schließung der Ostsee auf gemeinschaftliche Kosten war schon aus dem Grunde nicht darunter, weil ein mars olausuw nicht von innen, sondern Von außen abgeriegelt zu werden pflegt. Rußland hat in dieser Hinsicht an dem Schwarzen Meere mehr als genug, und Deutschland hat ganz und gar kein Bedürfnis, sich in dieselbe Lage zu bringen. Wohl aber hat der Besuch in Kopenhagen reichlich Gelegenheit geboten, eine Fühlung zwischen London und Berlin herzustellen. Wie nach der französischen, so hellt sich wohl auch nach der englischen Seite der Horizont jetzt auf. Das französische Memorandum in der marokkanischen Angelegenheit umfaßt eine ganze Reihe von Fragen, mit denen deutsche Interessen verquickt sind, und bedarf deshalb der Prüfung durch alle dafür in Betracht kommenden amtlichen Stellen. Es ist jedoch nicht wahrscheinlich, daß von deutscher Seite, auch wenn man vielleicht nicht mit allen Einzelheiten einverstanden sein sollte, besondre Schwierig¬ keiten erhoben werden. Es besteht die ernste Absicht, Frankreich ein ehrliches und loyales Entgegenkommen zu zeigen, soweit die deutschen Interessen das irgend er¬ möglichen, und alles weitere der Konferenz anheimzugeben. Hoffen wir, daß der Wunsch eines beiderseitigen Einvernehmens auf der Konferenz in Paris so groß ist, als er in Berlin tatsächlich zu sein scheint. Beide Länder haben kein Interesse daran, an ihrem Leibe eine marokkanische Wunde offen zu halten, zumal da in naher Zukunft Ostasien alle Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen wird. Denn alle Mächte werden mit einer von Japan angeregten und geleiteten chinesischen Emanzipations¬ tendenz rechnen müssen, und die englische Regierung hatte sicherlich gute Gründe, daß sie jüngst im Unterhause, die Frage des japanischen Bündnisses scheinbar nur gelegentlich streifend, Zweifel daran zuließ, ob die Erneuerung überhaupt wünschens¬ wert sei. Auf ein umfassendes Schutz- und Trutzbündnis einzugehn, wie die Japaner es zu wünschen scheinen, wird jede englische Negierung sich zweimal besinnen. Ein solches Schutz- und Trutzbündnis gleichsam als Blankowechsel zu acceptieren, ist immer eine eigne Sache: man weiß nicht, wohin die Reise geht, und ist in allen andern Beziehungen gehemmt. Kaiser Wilhelm der Erste war ans Grund seiner langen Lebenserfahrung ein entschiedner Gegner aller nicht für einen bestimmten, übersehbaren Zweck abgeschlossenen Bündnisse und hat sich gegen Vorschläge, die darüber hinausgingen, immer ablehnend Verhalten; für eine sicher auf sich selbst beruhende Großmacht dürfte das auch die richtigste Politik sein. Deshalb wird auch Wohl England, falls es sein Bündnis mit Japan überhaupt erneuert, dies nur in einem gewissen Umfange tun; Japan aber kann kaum, wenn es soeben einen Frieden mit Rußland geschlossen hat, von neuem ein Bündnis gegen Rußland aufsuchen, zumal da die Tendenz der russische» Politik einem Bündnisse mit Japan zustrebt. Jedenfalls aber werden die asiatischen Angelegenheiten für die europäischen Mächte, die dort große Interessen haben, in der nächsten Zeit wichtiger werden als der häusliche europäische Streit. Wie verlautet, stehn für den Spätherbst Beratungen über die Reorganisation

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/333>, abgerufen am 27.09.2024.