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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Herrenmenschen

saß ein Segel auf See, das bei dem schwachen Winde nicht von der Stelle kommen
konnte. -- Aber über den schönen Abend war Asche gestreut, lebendige Asche,
Myriaden von großen grauen Mücken verfinsterten die Luft. Die Bäume waren
eingehüllt in einen Nebel von Mücken, und dort unten über dem Schilfe lag es
wie eine Rauchwolke, lauter Mücken, lauter Mücken. Ein feiner summender Ton
durchdrang alles, und ein übler Geruch erfüllte die Luft. Glücklicherweise stechen
die Tiere nicht, aber auch so bilden sie in den Tagen, wo sie ihren Flug halten,
eine arge Plage. Und wer in einen solchen Schwarm hineingerät, hat allen Grund,
sich seiner Haut zu wehren, den Mund zu schließen und die Augen zu schützen.
Mancher schöne Tag ist schon vom Höhenrauch verdorben worden, hier war es ein
Höhenrauch von Haffmücken, der den schönen Abend verdarb.

Groppoff kümmerte sich nicht darum, er hing seinen Gedanken nach, und diese
Gedanken zogen in die Vergangenheit zurück. Er sah sich selbst in seiner schmucken
Uniform als Leibjäger am herzoglichen Hofe. Er erinnerte sich jener schönen Zeit,
wo er ohne Sorge um die Zukunft in den Tag hineingelebt hatte, wo er immer
Geld in der Tasche und Glück bei den Frauen gehabt hatte. Er erinnerte sich
des Abends, wo er mit Prinzeß Olga allein im Schloßparke gewesen war, wo sie
vor ihm geflohen und ihm doch in die Arme gesunken war. Er erinnerte sich
der süßen heißen Worte, die sie im Rausche der Liebe zu ihm gesprochen hatte.
Damals hatte er sich gesagt: Greif zu, nütze dein Glück, sie wird dich hoch erheben
und zum Herrn machen. Und er hatte zugegriffen. Geliebt -- nein, geliebt hatte
er sie eigentlich nicht. Geliebt hatte er die kleine Flete, die, als er sie aufgab,
erst tat, als wenn sie ins Wasser gehn wollte und hernach den Hofgärtner ge¬
heiratet hatte. Es war vielmehr befriedigte Eigenliebe gewesen, die ihn bewegt
hatte, der Prinzessin Liebhaber zu werden. Damals war der heiße Durst nach
Macht in ihm erwacht, und die Leidenschaft, Herr sein zu wollen. Ein Mensch,
den sich Prinzessinnen aussuchen, mußte ja doch zu etwas Hohem geboren sein und
konnte unmöglich in der Reihe der andern Menschenkinder seinen Platz haben.

Darauf hatte man ihn mit Schimpf und Schande davongejagt. Das war eine
weniger schöne Erinnerung. Aber man hatte dadurch seinen Trotz wachgerufen.
Er hatte sich auf keine Abfindung eingelassen. Olga hatte mit Heldenmut um ihren
schönen Jäger gekämpft. Und als sie nichts erreichte, hatte sie alles daran ge¬
geben, Macht, Stand und Reichtum, und war ihm gefolgt. Ha! was wäre aus
ihm geworden, wenn er folgsam gewesen wäre und hätte die kleine Flete ge¬
heiratet? Ein Revierförster hinten im Walde, der seine Hunde füttert und seine
Pfeife Tabak raucht.

Man hatte ihn zum Amtshauptmann gemacht. Man -- das heißt, der Herzog
hatte dafür gesorgt, daß seine Verwandte ein leidlich anständiges Unterkommen habe.
Und er hatte seinen Platz ausgefüllt und hatte sich hinauf gearbeitet. Seine Frau
war eine gute und edle Dame gewesen. Aber sie war nach zehn Jahren einge¬
gangen, wie ein Baum, den man aus dem Garten herausgenommen und in ein
unfruchtbares Land verpflanzt hat. Und da war wieder eine Stelle, um die seine
Gedanken vorsichtig herumgingen. Denn er konnte sich des Eindrucks nicht erwehren,
als wenn seine Frau an dem großen Irrtume ihres Lebens gestorben sei, nachdem
sie erfahren hatte, daß der, den sie gewählt, um den sie alles daran gegeben hatte,
den sie zu sich hinaufziehn wollte, innerlich weniger schön war als äußerlich, daß
er vielmehr einen Zug der Gemeinheit nicht los wurde, und daß er seiner Frau
nicht würdig war. Sie hatte sterbend ihm ihre Eva zurückgelassen, und dieser ihr
Testament, ihren letzten Willen: Verlaß den Vater nicht. Und nun war Eva auch
weg. Sie kam nicht wieder, wenn jener Schuß getroffen hatte.

Und dann war sein Tag gekommen, die Zeit, wo er sich den Titel: Hoheit
erwarb, wo er mit hohen Personen Elche schoß, mit Präsidenten und andern Ge¬
waltigen seiner Rehböcke und seines Weinkellers wegen auf gleichem Fuße verkehrte,
wo er manche tolle Nacht pokuliert und gespielt hatte, und nun war es Abend


Herrenmenschen

saß ein Segel auf See, das bei dem schwachen Winde nicht von der Stelle kommen
konnte. — Aber über den schönen Abend war Asche gestreut, lebendige Asche,
Myriaden von großen grauen Mücken verfinsterten die Luft. Die Bäume waren
eingehüllt in einen Nebel von Mücken, und dort unten über dem Schilfe lag es
wie eine Rauchwolke, lauter Mücken, lauter Mücken. Ein feiner summender Ton
durchdrang alles, und ein übler Geruch erfüllte die Luft. Glücklicherweise stechen
die Tiere nicht, aber auch so bilden sie in den Tagen, wo sie ihren Flug halten,
eine arge Plage. Und wer in einen solchen Schwarm hineingerät, hat allen Grund,
sich seiner Haut zu wehren, den Mund zu schließen und die Augen zu schützen.
Mancher schöne Tag ist schon vom Höhenrauch verdorben worden, hier war es ein
Höhenrauch von Haffmücken, der den schönen Abend verdarb.

Groppoff kümmerte sich nicht darum, er hing seinen Gedanken nach, und diese
Gedanken zogen in die Vergangenheit zurück. Er sah sich selbst in seiner schmucken
Uniform als Leibjäger am herzoglichen Hofe. Er erinnerte sich jener schönen Zeit,
wo er ohne Sorge um die Zukunft in den Tag hineingelebt hatte, wo er immer
Geld in der Tasche und Glück bei den Frauen gehabt hatte. Er erinnerte sich
des Abends, wo er mit Prinzeß Olga allein im Schloßparke gewesen war, wo sie
vor ihm geflohen und ihm doch in die Arme gesunken war. Er erinnerte sich
der süßen heißen Worte, die sie im Rausche der Liebe zu ihm gesprochen hatte.
Damals hatte er sich gesagt: Greif zu, nütze dein Glück, sie wird dich hoch erheben
und zum Herrn machen. Und er hatte zugegriffen. Geliebt — nein, geliebt hatte
er sie eigentlich nicht. Geliebt hatte er die kleine Flete, die, als er sie aufgab,
erst tat, als wenn sie ins Wasser gehn wollte und hernach den Hofgärtner ge¬
heiratet hatte. Es war vielmehr befriedigte Eigenliebe gewesen, die ihn bewegt
hatte, der Prinzessin Liebhaber zu werden. Damals war der heiße Durst nach
Macht in ihm erwacht, und die Leidenschaft, Herr sein zu wollen. Ein Mensch,
den sich Prinzessinnen aussuchen, mußte ja doch zu etwas Hohem geboren sein und
konnte unmöglich in der Reihe der andern Menschenkinder seinen Platz haben.

Darauf hatte man ihn mit Schimpf und Schande davongejagt. Das war eine
weniger schöne Erinnerung. Aber man hatte dadurch seinen Trotz wachgerufen.
Er hatte sich auf keine Abfindung eingelassen. Olga hatte mit Heldenmut um ihren
schönen Jäger gekämpft. Und als sie nichts erreichte, hatte sie alles daran ge¬
geben, Macht, Stand und Reichtum, und war ihm gefolgt. Ha! was wäre aus
ihm geworden, wenn er folgsam gewesen wäre und hätte die kleine Flete ge¬
heiratet? Ein Revierförster hinten im Walde, der seine Hunde füttert und seine
Pfeife Tabak raucht.

Man hatte ihn zum Amtshauptmann gemacht. Man — das heißt, der Herzog
hatte dafür gesorgt, daß seine Verwandte ein leidlich anständiges Unterkommen habe.
Und er hatte seinen Platz ausgefüllt und hatte sich hinauf gearbeitet. Seine Frau
war eine gute und edle Dame gewesen. Aber sie war nach zehn Jahren einge¬
gangen, wie ein Baum, den man aus dem Garten herausgenommen und in ein
unfruchtbares Land verpflanzt hat. Und da war wieder eine Stelle, um die seine
Gedanken vorsichtig herumgingen. Denn er konnte sich des Eindrucks nicht erwehren,
als wenn seine Frau an dem großen Irrtume ihres Lebens gestorben sei, nachdem
sie erfahren hatte, daß der, den sie gewählt, um den sie alles daran gegeben hatte,
den sie zu sich hinaufziehn wollte, innerlich weniger schön war als äußerlich, daß
er vielmehr einen Zug der Gemeinheit nicht los wurde, und daß er seiner Frau
nicht würdig war. Sie hatte sterbend ihm ihre Eva zurückgelassen, und dieser ihr
Testament, ihren letzten Willen: Verlaß den Vater nicht. Und nun war Eva auch
weg. Sie kam nicht wieder, wenn jener Schuß getroffen hatte.

Und dann war sein Tag gekommen, die Zeit, wo er sich den Titel: Hoheit
erwarb, wo er mit hohen Personen Elche schoß, mit Präsidenten und andern Ge¬
waltigen seiner Rehböcke und seines Weinkellers wegen auf gleichem Fuße verkehrte,
wo er manche tolle Nacht pokuliert und gespielt hatte, und nun war es Abend


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[0327] Herrenmenschen saß ein Segel auf See, das bei dem schwachen Winde nicht von der Stelle kommen konnte. — Aber über den schönen Abend war Asche gestreut, lebendige Asche, Myriaden von großen grauen Mücken verfinsterten die Luft. Die Bäume waren eingehüllt in einen Nebel von Mücken, und dort unten über dem Schilfe lag es wie eine Rauchwolke, lauter Mücken, lauter Mücken. Ein feiner summender Ton durchdrang alles, und ein übler Geruch erfüllte die Luft. Glücklicherweise stechen die Tiere nicht, aber auch so bilden sie in den Tagen, wo sie ihren Flug halten, eine arge Plage. Und wer in einen solchen Schwarm hineingerät, hat allen Grund, sich seiner Haut zu wehren, den Mund zu schließen und die Augen zu schützen. Mancher schöne Tag ist schon vom Höhenrauch verdorben worden, hier war es ein Höhenrauch von Haffmücken, der den schönen Abend verdarb. Groppoff kümmerte sich nicht darum, er hing seinen Gedanken nach, und diese Gedanken zogen in die Vergangenheit zurück. Er sah sich selbst in seiner schmucken Uniform als Leibjäger am herzoglichen Hofe. Er erinnerte sich jener schönen Zeit, wo er ohne Sorge um die Zukunft in den Tag hineingelebt hatte, wo er immer Geld in der Tasche und Glück bei den Frauen gehabt hatte. Er erinnerte sich des Abends, wo er mit Prinzeß Olga allein im Schloßparke gewesen war, wo sie vor ihm geflohen und ihm doch in die Arme gesunken war. Er erinnerte sich der süßen heißen Worte, die sie im Rausche der Liebe zu ihm gesprochen hatte. Damals hatte er sich gesagt: Greif zu, nütze dein Glück, sie wird dich hoch erheben und zum Herrn machen. Und er hatte zugegriffen. Geliebt — nein, geliebt hatte er sie eigentlich nicht. Geliebt hatte er die kleine Flete, die, als er sie aufgab, erst tat, als wenn sie ins Wasser gehn wollte und hernach den Hofgärtner ge¬ heiratet hatte. Es war vielmehr befriedigte Eigenliebe gewesen, die ihn bewegt hatte, der Prinzessin Liebhaber zu werden. Damals war der heiße Durst nach Macht in ihm erwacht, und die Leidenschaft, Herr sein zu wollen. Ein Mensch, den sich Prinzessinnen aussuchen, mußte ja doch zu etwas Hohem geboren sein und konnte unmöglich in der Reihe der andern Menschenkinder seinen Platz haben. Darauf hatte man ihn mit Schimpf und Schande davongejagt. Das war eine weniger schöne Erinnerung. Aber man hatte dadurch seinen Trotz wachgerufen. Er hatte sich auf keine Abfindung eingelassen. Olga hatte mit Heldenmut um ihren schönen Jäger gekämpft. Und als sie nichts erreichte, hatte sie alles daran ge¬ geben, Macht, Stand und Reichtum, und war ihm gefolgt. Ha! was wäre aus ihm geworden, wenn er folgsam gewesen wäre und hätte die kleine Flete ge¬ heiratet? Ein Revierförster hinten im Walde, der seine Hunde füttert und seine Pfeife Tabak raucht. Man hatte ihn zum Amtshauptmann gemacht. Man — das heißt, der Herzog hatte dafür gesorgt, daß seine Verwandte ein leidlich anständiges Unterkommen habe. Und er hatte seinen Platz ausgefüllt und hatte sich hinauf gearbeitet. Seine Frau war eine gute und edle Dame gewesen. Aber sie war nach zehn Jahren einge¬ gangen, wie ein Baum, den man aus dem Garten herausgenommen und in ein unfruchtbares Land verpflanzt hat. Und da war wieder eine Stelle, um die seine Gedanken vorsichtig herumgingen. Denn er konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, als wenn seine Frau an dem großen Irrtume ihres Lebens gestorben sei, nachdem sie erfahren hatte, daß der, den sie gewählt, um den sie alles daran gegeben hatte, den sie zu sich hinaufziehn wollte, innerlich weniger schön war als äußerlich, daß er vielmehr einen Zug der Gemeinheit nicht los wurde, und daß er seiner Frau nicht würdig war. Sie hatte sterbend ihm ihre Eva zurückgelassen, und dieser ihr Testament, ihren letzten Willen: Verlaß den Vater nicht. Und nun war Eva auch weg. Sie kam nicht wieder, wenn jener Schuß getroffen hatte. Und dann war sein Tag gekommen, die Zeit, wo er sich den Titel: Hoheit erwarb, wo er mit hohen Personen Elche schoß, mit Präsidenten und andern Ge¬ waltigen seiner Rehböcke und seines Weinkellers wegen auf gleichem Fuße verkehrte, wo er manche tolle Nacht pokuliert und gespielt hatte, und nun war es Abend

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/327>, abgerufen am 27.09.2024.