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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Herrenmenschen

Büchse gegeben, ich habe dem Doktor nicht diesen Lumpen in den Weg gestoßen.
Mag er sich vorsehen. Und treffen wird der betrunkne Mensch auch schwerlich.
Doch ists gut, daß der Doktor einen Schreck kriegt. Denn weg muß er. Er und
seine ganze Sippschaft. Ich muß für meine Eva sorgen. "Es ist den großen Raub¬
tieren nicht zu verargen, daß sie sich kleine Lämmer holen." Und wenn sich die
kleinen Lämmer selbst totfallen, oder wenn sie vom kleinen Raubzeug geschlagen
werden, was kaun ich dafür?

Groppoff schlug die tröstlichen Stellen in seinem Buche auf und versuchte weiter
zu lesen, aber er fand die Ruhe nicht dazu. Er war nicht so sorglos seiner sicher,
wie er es Madüe und Heineinnnn gegenüber gezeigt hatte, er war in schwerer
Sorge uni sein Herrentum. Ja, fragte er sich, kann es denn im preußischen Staate
überhaupt wirkliche Herrenmenschen geben? Das heißt solche, die es mit der Um¬
wertung der Werte und damit ernst nehmen, das auch zu sein, was sie sein zu
dürfen glauben? Wird es etwas helfen, dem Staate gegenüber zu behaupten:
Deine Gesetze haben für mich keine Giltigkeit? Und ist etwas dabei zu gewinnen,
wenn man als Märtyrer seines Herrenglaubens ins Loch kommt?

Er begab sich in sein Bureau und versuchte die unbequemen Gedanken durch
Arbeit zu verdrängen, aber es gelang nicht. Die Spannung in seinem Innern war
zu groß, er fühlte, daß seine Nerven angespannt waren wie die Sehne eines Bogens,
eines Bogens, der nahe vor dem Zerbrechen steht.

Nach einiger Zeit trat Eva ein, die ihrem Vater die Postsachen brachte. Sie
sah sich im Zimmer um, als vermisse sie etwas, und rief: Vater, wo ist deine
Büchse? Vorhin hing sie noch an ihrem Platze, und jetzt ist sie verschwunden.

Ich weiß es nicht, antwortete Groppoff, äußerlich gelassen, aber innerlich beun¬
ruhigt. Er scheute seines Kindes Auge, und das war groß und fragend auf ihn
gerichtet.

Heinemann hat sie mitgenommen, rief Eva, kein andrer als er war da.

Kann sein, sagte Groppoff. Vielleicht um Karnickel zu schießen.

Nein, um einen Mord damit zu begehn. Gerechter Gott! Und du hast ihm
die Waffe dazu gegeben?

Donnerwetter, Mädel, nein! Nichts habe ich ihm gegeben.

Eva sah ihren Vater an, als glaubte sie ihm nicht, und sagte mit tiefem Ernste
Wenn geschieht, was ich fürchte, sehen wir uns niemals wieder.

Damit eilte sie zur Stube und zum Hause hinaus.

Was war das? sagte Groppoff zu sich. Er war erschrocken wie einer, der im
Dunkeln unerwartet an ein Hindernis anstößt. Sie weiß etwas! Hat sie vielleicht
gelauscht? Nein. Aber sie weiß, was Heinemann vorhat. Und darum die Szene?
Ist sie denn auf einmal so moralisch geworden, daß sie aus der Haut fahren will,
wenn ein Lump dem andern den Tod geschworen hat? "Wir sehen uns nie
wieder." Was heißt das? Will sie davongehn oder -- ins Wasser? Sie brächte
es weiß Gott fertig.

Bei Nebelbildern, die mit der I^tern^ ins-Floh. an die Wand geworfen werden,
wächst immer ein Bild aus dem andern heraus. Eine solche I^terna, irisssioa, arbeitet
auch in unserm Innern. Ein Gedankenbild wächst aus dem andern hervor. Schein¬
bar unmotiviert erscheint es, und -- wenige Gedankenminuten -- so beherrscht das
neue Bild das ganze Gedankenfeld. So ging es auch Groppoff. Plötzlich stand vor
seinem innern Auge mit voller Klarheit das Bild Evas und des Doktors, und zwar
in einer Haltung, daß über ihre Zusammengehörigkeit kein Zweifel sein konnte. Sie
hat gelogen, rief es in ihm. Sie hat gesagt: Ich mag ihn nicht, und sie will ihn
doch. Sie hat sich an diesen Doktor weggeworfen, sie spielt gegen ihren Vater
mit dessen Feinde" unter einer Decke. Sie zittert für das Leben ihres Liebhabers.
Sie verläßt ihren Vater, um sich diesem Kerl an den Hals zu werfen. -- Was
sollte nun werden? Sollte er ihr nachlaufen, oder sollte er dem Heinemcmn das
Gewehr wieder abnehnien? Vergeblich! Die Kugel war im Rollen, es war nicht


Herrenmenschen

Büchse gegeben, ich habe dem Doktor nicht diesen Lumpen in den Weg gestoßen.
Mag er sich vorsehen. Und treffen wird der betrunkne Mensch auch schwerlich.
Doch ists gut, daß der Doktor einen Schreck kriegt. Denn weg muß er. Er und
seine ganze Sippschaft. Ich muß für meine Eva sorgen. „Es ist den großen Raub¬
tieren nicht zu verargen, daß sie sich kleine Lämmer holen." Und wenn sich die
kleinen Lämmer selbst totfallen, oder wenn sie vom kleinen Raubzeug geschlagen
werden, was kaun ich dafür?

Groppoff schlug die tröstlichen Stellen in seinem Buche auf und versuchte weiter
zu lesen, aber er fand die Ruhe nicht dazu. Er war nicht so sorglos seiner sicher,
wie er es Madüe und Heineinnnn gegenüber gezeigt hatte, er war in schwerer
Sorge uni sein Herrentum. Ja, fragte er sich, kann es denn im preußischen Staate
überhaupt wirkliche Herrenmenschen geben? Das heißt solche, die es mit der Um¬
wertung der Werte und damit ernst nehmen, das auch zu sein, was sie sein zu
dürfen glauben? Wird es etwas helfen, dem Staate gegenüber zu behaupten:
Deine Gesetze haben für mich keine Giltigkeit? Und ist etwas dabei zu gewinnen,
wenn man als Märtyrer seines Herrenglaubens ins Loch kommt?

Er begab sich in sein Bureau und versuchte die unbequemen Gedanken durch
Arbeit zu verdrängen, aber es gelang nicht. Die Spannung in seinem Innern war
zu groß, er fühlte, daß seine Nerven angespannt waren wie die Sehne eines Bogens,
eines Bogens, der nahe vor dem Zerbrechen steht.

Nach einiger Zeit trat Eva ein, die ihrem Vater die Postsachen brachte. Sie
sah sich im Zimmer um, als vermisse sie etwas, und rief: Vater, wo ist deine
Büchse? Vorhin hing sie noch an ihrem Platze, und jetzt ist sie verschwunden.

Ich weiß es nicht, antwortete Groppoff, äußerlich gelassen, aber innerlich beun¬
ruhigt. Er scheute seines Kindes Auge, und das war groß und fragend auf ihn
gerichtet.

Heinemann hat sie mitgenommen, rief Eva, kein andrer als er war da.

Kann sein, sagte Groppoff. Vielleicht um Karnickel zu schießen.

Nein, um einen Mord damit zu begehn. Gerechter Gott! Und du hast ihm
die Waffe dazu gegeben?

Donnerwetter, Mädel, nein! Nichts habe ich ihm gegeben.

Eva sah ihren Vater an, als glaubte sie ihm nicht, und sagte mit tiefem Ernste
Wenn geschieht, was ich fürchte, sehen wir uns niemals wieder.

Damit eilte sie zur Stube und zum Hause hinaus.

Was war das? sagte Groppoff zu sich. Er war erschrocken wie einer, der im
Dunkeln unerwartet an ein Hindernis anstößt. Sie weiß etwas! Hat sie vielleicht
gelauscht? Nein. Aber sie weiß, was Heinemann vorhat. Und darum die Szene?
Ist sie denn auf einmal so moralisch geworden, daß sie aus der Haut fahren will,
wenn ein Lump dem andern den Tod geschworen hat? „Wir sehen uns nie
wieder." Was heißt das? Will sie davongehn oder — ins Wasser? Sie brächte
es weiß Gott fertig.

Bei Nebelbildern, die mit der I^tern^ ins-Floh. an die Wand geworfen werden,
wächst immer ein Bild aus dem andern heraus. Eine solche I^terna, irisssioa, arbeitet
auch in unserm Innern. Ein Gedankenbild wächst aus dem andern hervor. Schein¬
bar unmotiviert erscheint es, und — wenige Gedankenminuten — so beherrscht das
neue Bild das ganze Gedankenfeld. So ging es auch Groppoff. Plötzlich stand vor
seinem innern Auge mit voller Klarheit das Bild Evas und des Doktors, und zwar
in einer Haltung, daß über ihre Zusammengehörigkeit kein Zweifel sein konnte. Sie
hat gelogen, rief es in ihm. Sie hat gesagt: Ich mag ihn nicht, und sie will ihn
doch. Sie hat sich an diesen Doktor weggeworfen, sie spielt gegen ihren Vater
mit dessen Feinde» unter einer Decke. Sie zittert für das Leben ihres Liebhabers.
Sie verläßt ihren Vater, um sich diesem Kerl an den Hals zu werfen. — Was
sollte nun werden? Sollte er ihr nachlaufen, oder sollte er dem Heinemcmn das
Gewehr wieder abnehnien? Vergeblich! Die Kugel war im Rollen, es war nicht


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[0280] Herrenmenschen Büchse gegeben, ich habe dem Doktor nicht diesen Lumpen in den Weg gestoßen. Mag er sich vorsehen. Und treffen wird der betrunkne Mensch auch schwerlich. Doch ists gut, daß der Doktor einen Schreck kriegt. Denn weg muß er. Er und seine ganze Sippschaft. Ich muß für meine Eva sorgen. „Es ist den großen Raub¬ tieren nicht zu verargen, daß sie sich kleine Lämmer holen." Und wenn sich die kleinen Lämmer selbst totfallen, oder wenn sie vom kleinen Raubzeug geschlagen werden, was kaun ich dafür? Groppoff schlug die tröstlichen Stellen in seinem Buche auf und versuchte weiter zu lesen, aber er fand die Ruhe nicht dazu. Er war nicht so sorglos seiner sicher, wie er es Madüe und Heineinnnn gegenüber gezeigt hatte, er war in schwerer Sorge uni sein Herrentum. Ja, fragte er sich, kann es denn im preußischen Staate überhaupt wirkliche Herrenmenschen geben? Das heißt solche, die es mit der Um¬ wertung der Werte und damit ernst nehmen, das auch zu sein, was sie sein zu dürfen glauben? Wird es etwas helfen, dem Staate gegenüber zu behaupten: Deine Gesetze haben für mich keine Giltigkeit? Und ist etwas dabei zu gewinnen, wenn man als Märtyrer seines Herrenglaubens ins Loch kommt? Er begab sich in sein Bureau und versuchte die unbequemen Gedanken durch Arbeit zu verdrängen, aber es gelang nicht. Die Spannung in seinem Innern war zu groß, er fühlte, daß seine Nerven angespannt waren wie die Sehne eines Bogens, eines Bogens, der nahe vor dem Zerbrechen steht. Nach einiger Zeit trat Eva ein, die ihrem Vater die Postsachen brachte. Sie sah sich im Zimmer um, als vermisse sie etwas, und rief: Vater, wo ist deine Büchse? Vorhin hing sie noch an ihrem Platze, und jetzt ist sie verschwunden. Ich weiß es nicht, antwortete Groppoff, äußerlich gelassen, aber innerlich beun¬ ruhigt. Er scheute seines Kindes Auge, und das war groß und fragend auf ihn gerichtet. Heinemann hat sie mitgenommen, rief Eva, kein andrer als er war da. Kann sein, sagte Groppoff. Vielleicht um Karnickel zu schießen. Nein, um einen Mord damit zu begehn. Gerechter Gott! Und du hast ihm die Waffe dazu gegeben? Donnerwetter, Mädel, nein! Nichts habe ich ihm gegeben. Eva sah ihren Vater an, als glaubte sie ihm nicht, und sagte mit tiefem Ernste Wenn geschieht, was ich fürchte, sehen wir uns niemals wieder. Damit eilte sie zur Stube und zum Hause hinaus. Was war das? sagte Groppoff zu sich. Er war erschrocken wie einer, der im Dunkeln unerwartet an ein Hindernis anstößt. Sie weiß etwas! Hat sie vielleicht gelauscht? Nein. Aber sie weiß, was Heinemann vorhat. Und darum die Szene? Ist sie denn auf einmal so moralisch geworden, daß sie aus der Haut fahren will, wenn ein Lump dem andern den Tod geschworen hat? „Wir sehen uns nie wieder." Was heißt das? Will sie davongehn oder — ins Wasser? Sie brächte es weiß Gott fertig. Bei Nebelbildern, die mit der I^tern^ ins-Floh. an die Wand geworfen werden, wächst immer ein Bild aus dem andern heraus. Eine solche I^terna, irisssioa, arbeitet auch in unserm Innern. Ein Gedankenbild wächst aus dem andern hervor. Schein¬ bar unmotiviert erscheint es, und — wenige Gedankenminuten — so beherrscht das neue Bild das ganze Gedankenfeld. So ging es auch Groppoff. Plötzlich stand vor seinem innern Auge mit voller Klarheit das Bild Evas und des Doktors, und zwar in einer Haltung, daß über ihre Zusammengehörigkeit kein Zweifel sein konnte. Sie hat gelogen, rief es in ihm. Sie hat gesagt: Ich mag ihn nicht, und sie will ihn doch. Sie hat sich an diesen Doktor weggeworfen, sie spielt gegen ihren Vater mit dessen Feinde» unter einer Decke. Sie zittert für das Leben ihres Liebhabers. Sie verläßt ihren Vater, um sich diesem Kerl an den Hals zu werfen. — Was sollte nun werden? Sollte er ihr nachlaufen, oder sollte er dem Heinemcmn das Gewehr wieder abnehnien? Vergeblich! Die Kugel war im Rollen, es war nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/280>, abgerufen am 27.09.2024.