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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Herrenmenschen

im Hintergrunde, wo die Männer standen, ballten sich Fäuste und hörte man leise
Verwünschungen.

Der Amtshauptmann verließ das Haus, gefolgt von seinen beiden Forstläufern,
die Kondrot, dem man die Hände auf den Rücken gebunden hatte, in ihrer Mitte
führten. Kondrot, niedergebeugt von der Schande, die man ihm antat, sah leichen¬
blaß aus. Eben kam auch sein Sohn Jurgis. Der schrie wie ein Wilder, hatte
ein bloßes Messer in der Hand und versuchte, sich auf den Amtshauptmann zu
stürzen. Aber man hielt ihn fest und suchte ihn zu beruhigen.

Vorwärts! sagte Groppoff ungeduldig.

Da trat ihm der Herr Pastor entgegen, im Talar, hinter ihm der Kantor
und die Schuljugend mit dem Kreuze.

Herr Amtshauptmann, sagte Pastor Peternelle, ich bitte Sie, tun Sie kein
Unrecht, das Sie nie wieder gut machen können.

Herr -- Pastor, erwiderte Gropposf hochfahrend, was nehmen Sie sich heraus?

Nur, was meine Pflicht ist.

Ach was, Pflicht! Predigen Sie den Leuten Gottes Wort, und kümmern Sie
sich nicht um Dinge, die Sie nichts eingehn.

Ich predige Gottes Wort -- Ihnen -- eben jetzt, da ich rede. Denn das
Wort Gottes ist Gerechtigkeit, Friede und Freude im heiligen Geist. Herr Amts¬
hauptmann, fragen Sie sich, ob Sie im Dienste der Gerechtigkeit handeln, wenn
Sie Kondrot gebunden ins Gefängnis führen, oder aus -- andern Gründen. Ein
Verdacht ist noch kein Urteil. Ein Verdacht kann trügen. Wie, wenn Kondrot
unschuldig ist, und ich halte ihn für unschuldig, und Sie haben ihn behandelt wie
einen Mörder? Kondrot wird nicht fliehen. Dafür verbürge ich mich. Kondrot,
versprechen Sie vor Gott, daß Sie nicht fliehen wollen?

Ich verspreche es, so wahr mir Gott helfe, antwortete Kondrot feierlich.

Die ganze Gemeinde verbürgt sich, fuhr Pastor Peternelle fort. Verbürgt ihr
euch, meine Freunde? wandte er sich an die Männer, die im Kreise standen.

Jawohl, Herr Pastor, antwortete man von allen Seiten, wir verbürgen uns.

Der arme Mensch! sagte einer zum andern. Jetzt waren alle davon über¬
zeugt, daß er unschuldig sei, auch die, die vorher dabei geholfen hatten, böse Ge¬
rüchte zu verbreiten.

Lassen Sie das Haus bewache", rief der Herr Pastor, wenn Sie es für nötig
halten, aber führen Sie ihn nicht wie einen Verbrecher ins Gefängnis.

Der Herr Amtshauptmann lachte verächtlich und sagte: Vorwärts!

Man drängte den Herrn Pastor zur Seite, und der Herr Amtshauptmann,
seine bewaffnete Macht und sein Gefangner verließen die Trauerversammlung. Da
erhob sich über den Köpfen der Menge eine drohende Faust, und eine harte Frauen¬
stimme rief: Groppoff, du Satan! Deine zweiundvierzig Monate sind um. Du
bist der nächste, den Gottes Hand trifft.

Schlagt doch derr verrdammten alten Hexe auf den Schädel, sagte Päsch.
Aber niemand tat es.

Als Groppoff wieder in seiner Wohnung angekommen war, warf er das
Aktenstück mit dem Aufatmen eines Satter auf den Tisch. Jetzt hatte er seine
Macht gezeigt und seine Rache gebüßt. Er hatte dem Kondrot, diesem Lump und
Verräter, das Ärgste gedroht und hatte sein Wort wahr gemacht. Ganz gleich-
giltig, ob er schuldig oder nicht schuldig war, diesen Schlag verwand er so leicht
nicht. Und die andern würden sichs wohl zur Lehre nehmen und nicht wider den
Stachel löcken. Groppoff sandte ein Telegramm an den Herrn Staatsanwalt,
worin er ihm den Vorfall mitteilte.

Aber Rache, die man genommen hat, sättigt nicht; der Sieg, den die Macht
davonträgt, befriedigt nicht, wenn nicht das Bewußtsein des guten Rechts oder der
guten Absicht hinzukommt. Ehe Groppoff sich dessen selbst bewußt wurde, sing er
an, sich vor sich selbst zu rechtfertigen. -- Da lag der Nietzsche ans dem Tische.


Herrenmenschen

im Hintergrunde, wo die Männer standen, ballten sich Fäuste und hörte man leise
Verwünschungen.

Der Amtshauptmann verließ das Haus, gefolgt von seinen beiden Forstläufern,
die Kondrot, dem man die Hände auf den Rücken gebunden hatte, in ihrer Mitte
führten. Kondrot, niedergebeugt von der Schande, die man ihm antat, sah leichen¬
blaß aus. Eben kam auch sein Sohn Jurgis. Der schrie wie ein Wilder, hatte
ein bloßes Messer in der Hand und versuchte, sich auf den Amtshauptmann zu
stürzen. Aber man hielt ihn fest und suchte ihn zu beruhigen.

Vorwärts! sagte Groppoff ungeduldig.

Da trat ihm der Herr Pastor entgegen, im Talar, hinter ihm der Kantor
und die Schuljugend mit dem Kreuze.

Herr Amtshauptmann, sagte Pastor Peternelle, ich bitte Sie, tun Sie kein
Unrecht, das Sie nie wieder gut machen können.

Herr — Pastor, erwiderte Gropposf hochfahrend, was nehmen Sie sich heraus?

Nur, was meine Pflicht ist.

Ach was, Pflicht! Predigen Sie den Leuten Gottes Wort, und kümmern Sie
sich nicht um Dinge, die Sie nichts eingehn.

Ich predige Gottes Wort — Ihnen — eben jetzt, da ich rede. Denn das
Wort Gottes ist Gerechtigkeit, Friede und Freude im heiligen Geist. Herr Amts¬
hauptmann, fragen Sie sich, ob Sie im Dienste der Gerechtigkeit handeln, wenn
Sie Kondrot gebunden ins Gefängnis führen, oder aus — andern Gründen. Ein
Verdacht ist noch kein Urteil. Ein Verdacht kann trügen. Wie, wenn Kondrot
unschuldig ist, und ich halte ihn für unschuldig, und Sie haben ihn behandelt wie
einen Mörder? Kondrot wird nicht fliehen. Dafür verbürge ich mich. Kondrot,
versprechen Sie vor Gott, daß Sie nicht fliehen wollen?

Ich verspreche es, so wahr mir Gott helfe, antwortete Kondrot feierlich.

Die ganze Gemeinde verbürgt sich, fuhr Pastor Peternelle fort. Verbürgt ihr
euch, meine Freunde? wandte er sich an die Männer, die im Kreise standen.

Jawohl, Herr Pastor, antwortete man von allen Seiten, wir verbürgen uns.

Der arme Mensch! sagte einer zum andern. Jetzt waren alle davon über¬
zeugt, daß er unschuldig sei, auch die, die vorher dabei geholfen hatten, böse Ge¬
rüchte zu verbreiten.

Lassen Sie das Haus bewache», rief der Herr Pastor, wenn Sie es für nötig
halten, aber führen Sie ihn nicht wie einen Verbrecher ins Gefängnis.

Der Herr Amtshauptmann lachte verächtlich und sagte: Vorwärts!

Man drängte den Herrn Pastor zur Seite, und der Herr Amtshauptmann,
seine bewaffnete Macht und sein Gefangner verließen die Trauerversammlung. Da
erhob sich über den Köpfen der Menge eine drohende Faust, und eine harte Frauen¬
stimme rief: Groppoff, du Satan! Deine zweiundvierzig Monate sind um. Du
bist der nächste, den Gottes Hand trifft.

Schlagt doch derr verrdammten alten Hexe auf den Schädel, sagte Päsch.
Aber niemand tat es.

Als Groppoff wieder in seiner Wohnung angekommen war, warf er das
Aktenstück mit dem Aufatmen eines Satter auf den Tisch. Jetzt hatte er seine
Macht gezeigt und seine Rache gebüßt. Er hatte dem Kondrot, diesem Lump und
Verräter, das Ärgste gedroht und hatte sein Wort wahr gemacht. Ganz gleich-
giltig, ob er schuldig oder nicht schuldig war, diesen Schlag verwand er so leicht
nicht. Und die andern würden sichs wohl zur Lehre nehmen und nicht wider den
Stachel löcken. Groppoff sandte ein Telegramm an den Herrn Staatsanwalt,
worin er ihm den Vorfall mitteilte.

Aber Rache, die man genommen hat, sättigt nicht; der Sieg, den die Macht
davonträgt, befriedigt nicht, wenn nicht das Bewußtsein des guten Rechts oder der
guten Absicht hinzukommt. Ehe Groppoff sich dessen selbst bewußt wurde, sing er
an, sich vor sich selbst zu rechtfertigen. — Da lag der Nietzsche ans dem Tische.


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[0275] Herrenmenschen im Hintergrunde, wo die Männer standen, ballten sich Fäuste und hörte man leise Verwünschungen. Der Amtshauptmann verließ das Haus, gefolgt von seinen beiden Forstläufern, die Kondrot, dem man die Hände auf den Rücken gebunden hatte, in ihrer Mitte führten. Kondrot, niedergebeugt von der Schande, die man ihm antat, sah leichen¬ blaß aus. Eben kam auch sein Sohn Jurgis. Der schrie wie ein Wilder, hatte ein bloßes Messer in der Hand und versuchte, sich auf den Amtshauptmann zu stürzen. Aber man hielt ihn fest und suchte ihn zu beruhigen. Vorwärts! sagte Groppoff ungeduldig. Da trat ihm der Herr Pastor entgegen, im Talar, hinter ihm der Kantor und die Schuljugend mit dem Kreuze. Herr Amtshauptmann, sagte Pastor Peternelle, ich bitte Sie, tun Sie kein Unrecht, das Sie nie wieder gut machen können. Herr — Pastor, erwiderte Gropposf hochfahrend, was nehmen Sie sich heraus? Nur, was meine Pflicht ist. Ach was, Pflicht! Predigen Sie den Leuten Gottes Wort, und kümmern Sie sich nicht um Dinge, die Sie nichts eingehn. Ich predige Gottes Wort — Ihnen — eben jetzt, da ich rede. Denn das Wort Gottes ist Gerechtigkeit, Friede und Freude im heiligen Geist. Herr Amts¬ hauptmann, fragen Sie sich, ob Sie im Dienste der Gerechtigkeit handeln, wenn Sie Kondrot gebunden ins Gefängnis führen, oder aus — andern Gründen. Ein Verdacht ist noch kein Urteil. Ein Verdacht kann trügen. Wie, wenn Kondrot unschuldig ist, und ich halte ihn für unschuldig, und Sie haben ihn behandelt wie einen Mörder? Kondrot wird nicht fliehen. Dafür verbürge ich mich. Kondrot, versprechen Sie vor Gott, daß Sie nicht fliehen wollen? Ich verspreche es, so wahr mir Gott helfe, antwortete Kondrot feierlich. Die ganze Gemeinde verbürgt sich, fuhr Pastor Peternelle fort. Verbürgt ihr euch, meine Freunde? wandte er sich an die Männer, die im Kreise standen. Jawohl, Herr Pastor, antwortete man von allen Seiten, wir verbürgen uns. Der arme Mensch! sagte einer zum andern. Jetzt waren alle davon über¬ zeugt, daß er unschuldig sei, auch die, die vorher dabei geholfen hatten, böse Ge¬ rüchte zu verbreiten. Lassen Sie das Haus bewache», rief der Herr Pastor, wenn Sie es für nötig halten, aber führen Sie ihn nicht wie einen Verbrecher ins Gefängnis. Der Herr Amtshauptmann lachte verächtlich und sagte: Vorwärts! Man drängte den Herrn Pastor zur Seite, und der Herr Amtshauptmann, seine bewaffnete Macht und sein Gefangner verließen die Trauerversammlung. Da erhob sich über den Köpfen der Menge eine drohende Faust, und eine harte Frauen¬ stimme rief: Groppoff, du Satan! Deine zweiundvierzig Monate sind um. Du bist der nächste, den Gottes Hand trifft. Schlagt doch derr verrdammten alten Hexe auf den Schädel, sagte Päsch. Aber niemand tat es. Als Groppoff wieder in seiner Wohnung angekommen war, warf er das Aktenstück mit dem Aufatmen eines Satter auf den Tisch. Jetzt hatte er seine Macht gezeigt und seine Rache gebüßt. Er hatte dem Kondrot, diesem Lump und Verräter, das Ärgste gedroht und hatte sein Wort wahr gemacht. Ganz gleich- giltig, ob er schuldig oder nicht schuldig war, diesen Schlag verwand er so leicht nicht. Und die andern würden sichs wohl zur Lehre nehmen und nicht wider den Stachel löcken. Groppoff sandte ein Telegramm an den Herrn Staatsanwalt, worin er ihm den Vorfall mitteilte. Aber Rache, die man genommen hat, sättigt nicht; der Sieg, den die Macht davonträgt, befriedigt nicht, wenn nicht das Bewußtsein des guten Rechts oder der guten Absicht hinzukommt. Ehe Groppoff sich dessen selbst bewußt wurde, sing er an, sich vor sich selbst zu rechtfertigen. — Da lag der Nietzsche ans dem Tische.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/275>, abgerufen am 27.09.2024.