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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren

wurden und die Entdeckung machten, daß die Reichsadler von böswilliger Hand
mit Kot beschmutzt worden waren.

Im Februar 1885 verließen wir unser Genfer Winterquartier und reisten
nach Rolle. Der Prinzipal und der französische Rekommandeur Felix fuhren mit
dem Schiffe voraus und erwarteten uns Andre, die wir wieder schwarz fuhren,
auf dem Bahnhofe. Dort erschienen eine halbe Stunde vor Ankunft des Zuges
zwei Gendarmen in langen Mänteln und Dreimastern, deren Gebaren dem Ne-
kommandeur verdächtig vorkam. Er beobachtete sie und ermittelte, daß von Genf
eine Depesche angekommen sei, worin gemeldet worden war, es seien in den beiden
ankommenden "Künstlerwagen" neun Personen und drei Hunde. Felix hatte nun
nichts Eiligeres zu tun, als seine Beobachtung dem Prinzipal zu melden, und er
erhielt von diesem die Weisung, sich mit den beiden Vertretern der hohen Obrig¬
keit bekannt zu machen und sie zu einer Flasche Wein in das Bahnhofsrestaurant
einzuladen. Das gelang denn auch ganz nach Wunsch, die Gendarmen tranken und
beteiligten sich lebhaft an der Unterhaltung, die der geriebne Felix auf das Lieb-
lingsthema der französischen Schweizer, die hohe Politik, gelenkt hatte. So kam
es, daß die beiden Hüter der öffentlichen Ordnung das Einfahrtsignal überhörten
und nicht einmal acht darauf gaben, daß Felix unter irgendeinem Vorwande das
Restaurant verließ, dem Zuge entgegeneilte und uns zum schleunigen Verlassen der
Wagen aufforderte. Wir sprangen aus dem fahrenden Zuge, rannten die hohe
Böschung des Bahndammes hinunter und verschwanden. So liefen die Wagen ohne
Passagiere in den Bahnhof ein, und die Gendarmen, denen der Prinzipal auf ihr
Verlangen bereitwilligst den Schlüssel der Wagen ausgeliefert hatte, fanden nichts
Verdächtiges. Wir gingen inzwischen in die Stadt, blieben dort bis zum Einbruch
der Dunkelheit und kehrten zum Schlafen in die Wagen zurück. Nach einem acht¬
tägigen Aufenthalt in Rolle, bei dem ein leidliches Geschäft gemacht wurde, fuhren
wir über Lausanne, Vevey, Payerne und Averdon nach Flenrier. In Fleurier war
eine Absinthfabrik, die in unsrer Madame eine gute Kundin bekam. Frau Böhme
trank den Absinth ohne Zusatz von Wasser, ließ sich von dieser Gepflogenheit auch
dnrch Warnungen nicht abbringen und gelangte so in einen Zustand, der auch
eine Weile nach unsrer Abreise vou Fleurier andauerte. Beim Abfahren vom Platze
forderte uus ein Gendarm auf, mehr links zu fahren, wodurch aber der Wohn¬
wagen auf eine feuchte Stelle der Wiese geriet, tief einsank und mit Winden wieder
flott gemacht werden mußte. Über diese Verzögerung geriet die Madame in große
Erregung, stieg aus dem Wagen heraus, zwängte sich hinter den Pferden vorbei
und ließ ihre Wut an mir aus, der ich doch an dem Mißgeschick gänzlich unschuldig
war. Als ich sie zu beruhigen suchte, prügelte sie mit der Faust meinen Rücken
und wollte sich, als auch das mich kalt ließ, eines Hebebaums als Waffe bedienen,
was ihr aber bei dem Gewicht dieses Instruments uicht gelang. Sie konnte noch
von Glück sagen, daß der Gendarm seine Absicht, sie zu arretieren, nicht verwirk¬
lichte. Als wir nach diesem Erlebnis in Sonvilier anlangten, rief mich der Prin¬
zipal in den Wagen und gab mir zwei Franken mit der Weisung, sie zu vertrinken
und das Abenteuer und seiner Frau zu vergessen. Von Sonvilier reisten wir nach
Freiburg, einer schönen, altertümlichen Stadt, in der mir die große Anzahl der
Geistlichen auffiel. Wir standen in einiger Entfernung auf einer Wiese, wo wir
das malerische Panorama inimer vor Augen hatten. Der Platz, worauf wir standen,
war sehr schmutzig und mußte mit einer Fuhre Sägemehl bedeckt werden. In
Freiburg verließ uns der französische Rekommcmdeur Felix wieder, dessen wir jetzt
nicht mehr bedurften, da wir wieder in Gegenden mit deutschsprechender Bevölkerung
gelangt waren.

Zur Frühjahrsmesse fanden wir uns in Bern ein, wo wir auf der Schützeu-
matte standen und der großen Konkurrenz wegen wieder einen "Präsentenstand"
errichten mußten. An die Stelle des französischen Rekommandeurs trat jetzt ein
andrer Neffe der Madame, mit Namen Karl Lindig. Nach etwa vierzehn Tagen


Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren

wurden und die Entdeckung machten, daß die Reichsadler von böswilliger Hand
mit Kot beschmutzt worden waren.

Im Februar 1885 verließen wir unser Genfer Winterquartier und reisten
nach Rolle. Der Prinzipal und der französische Rekommandeur Felix fuhren mit
dem Schiffe voraus und erwarteten uns Andre, die wir wieder schwarz fuhren,
auf dem Bahnhofe. Dort erschienen eine halbe Stunde vor Ankunft des Zuges
zwei Gendarmen in langen Mänteln und Dreimastern, deren Gebaren dem Ne-
kommandeur verdächtig vorkam. Er beobachtete sie und ermittelte, daß von Genf
eine Depesche angekommen sei, worin gemeldet worden war, es seien in den beiden
ankommenden „Künstlerwagen" neun Personen und drei Hunde. Felix hatte nun
nichts Eiligeres zu tun, als seine Beobachtung dem Prinzipal zu melden, und er
erhielt von diesem die Weisung, sich mit den beiden Vertretern der hohen Obrig¬
keit bekannt zu machen und sie zu einer Flasche Wein in das Bahnhofsrestaurant
einzuladen. Das gelang denn auch ganz nach Wunsch, die Gendarmen tranken und
beteiligten sich lebhaft an der Unterhaltung, die der geriebne Felix auf das Lieb-
lingsthema der französischen Schweizer, die hohe Politik, gelenkt hatte. So kam
es, daß die beiden Hüter der öffentlichen Ordnung das Einfahrtsignal überhörten
und nicht einmal acht darauf gaben, daß Felix unter irgendeinem Vorwande das
Restaurant verließ, dem Zuge entgegeneilte und uns zum schleunigen Verlassen der
Wagen aufforderte. Wir sprangen aus dem fahrenden Zuge, rannten die hohe
Böschung des Bahndammes hinunter und verschwanden. So liefen die Wagen ohne
Passagiere in den Bahnhof ein, und die Gendarmen, denen der Prinzipal auf ihr
Verlangen bereitwilligst den Schlüssel der Wagen ausgeliefert hatte, fanden nichts
Verdächtiges. Wir gingen inzwischen in die Stadt, blieben dort bis zum Einbruch
der Dunkelheit und kehrten zum Schlafen in die Wagen zurück. Nach einem acht¬
tägigen Aufenthalt in Rolle, bei dem ein leidliches Geschäft gemacht wurde, fuhren
wir über Lausanne, Vevey, Payerne und Averdon nach Flenrier. In Fleurier war
eine Absinthfabrik, die in unsrer Madame eine gute Kundin bekam. Frau Böhme
trank den Absinth ohne Zusatz von Wasser, ließ sich von dieser Gepflogenheit auch
dnrch Warnungen nicht abbringen und gelangte so in einen Zustand, der auch
eine Weile nach unsrer Abreise vou Fleurier andauerte. Beim Abfahren vom Platze
forderte uus ein Gendarm auf, mehr links zu fahren, wodurch aber der Wohn¬
wagen auf eine feuchte Stelle der Wiese geriet, tief einsank und mit Winden wieder
flott gemacht werden mußte. Über diese Verzögerung geriet die Madame in große
Erregung, stieg aus dem Wagen heraus, zwängte sich hinter den Pferden vorbei
und ließ ihre Wut an mir aus, der ich doch an dem Mißgeschick gänzlich unschuldig
war. Als ich sie zu beruhigen suchte, prügelte sie mit der Faust meinen Rücken
und wollte sich, als auch das mich kalt ließ, eines Hebebaums als Waffe bedienen,
was ihr aber bei dem Gewicht dieses Instruments uicht gelang. Sie konnte noch
von Glück sagen, daß der Gendarm seine Absicht, sie zu arretieren, nicht verwirk¬
lichte. Als wir nach diesem Erlebnis in Sonvilier anlangten, rief mich der Prin¬
zipal in den Wagen und gab mir zwei Franken mit der Weisung, sie zu vertrinken
und das Abenteuer und seiner Frau zu vergessen. Von Sonvilier reisten wir nach
Freiburg, einer schönen, altertümlichen Stadt, in der mir die große Anzahl der
Geistlichen auffiel. Wir standen in einiger Entfernung auf einer Wiese, wo wir
das malerische Panorama inimer vor Augen hatten. Der Platz, worauf wir standen,
war sehr schmutzig und mußte mit einer Fuhre Sägemehl bedeckt werden. In
Freiburg verließ uns der französische Rekommcmdeur Felix wieder, dessen wir jetzt
nicht mehr bedurften, da wir wieder in Gegenden mit deutschsprechender Bevölkerung
gelangt waren.

Zur Frühjahrsmesse fanden wir uns in Bern ein, wo wir auf der Schützeu-
matte standen und der großen Konkurrenz wegen wieder einen „Präsentenstand"
errichten mußten. An die Stelle des französischen Rekommandeurs trat jetzt ein
andrer Neffe der Madame, mit Namen Karl Lindig. Nach etwa vierzehn Tagen


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[0272] Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren wurden und die Entdeckung machten, daß die Reichsadler von böswilliger Hand mit Kot beschmutzt worden waren. Im Februar 1885 verließen wir unser Genfer Winterquartier und reisten nach Rolle. Der Prinzipal und der französische Rekommandeur Felix fuhren mit dem Schiffe voraus und erwarteten uns Andre, die wir wieder schwarz fuhren, auf dem Bahnhofe. Dort erschienen eine halbe Stunde vor Ankunft des Zuges zwei Gendarmen in langen Mänteln und Dreimastern, deren Gebaren dem Ne- kommandeur verdächtig vorkam. Er beobachtete sie und ermittelte, daß von Genf eine Depesche angekommen sei, worin gemeldet worden war, es seien in den beiden ankommenden „Künstlerwagen" neun Personen und drei Hunde. Felix hatte nun nichts Eiligeres zu tun, als seine Beobachtung dem Prinzipal zu melden, und er erhielt von diesem die Weisung, sich mit den beiden Vertretern der hohen Obrig¬ keit bekannt zu machen und sie zu einer Flasche Wein in das Bahnhofsrestaurant einzuladen. Das gelang denn auch ganz nach Wunsch, die Gendarmen tranken und beteiligten sich lebhaft an der Unterhaltung, die der geriebne Felix auf das Lieb- lingsthema der französischen Schweizer, die hohe Politik, gelenkt hatte. So kam es, daß die beiden Hüter der öffentlichen Ordnung das Einfahrtsignal überhörten und nicht einmal acht darauf gaben, daß Felix unter irgendeinem Vorwande das Restaurant verließ, dem Zuge entgegeneilte und uns zum schleunigen Verlassen der Wagen aufforderte. Wir sprangen aus dem fahrenden Zuge, rannten die hohe Böschung des Bahndammes hinunter und verschwanden. So liefen die Wagen ohne Passagiere in den Bahnhof ein, und die Gendarmen, denen der Prinzipal auf ihr Verlangen bereitwilligst den Schlüssel der Wagen ausgeliefert hatte, fanden nichts Verdächtiges. Wir gingen inzwischen in die Stadt, blieben dort bis zum Einbruch der Dunkelheit und kehrten zum Schlafen in die Wagen zurück. Nach einem acht¬ tägigen Aufenthalt in Rolle, bei dem ein leidliches Geschäft gemacht wurde, fuhren wir über Lausanne, Vevey, Payerne und Averdon nach Flenrier. In Fleurier war eine Absinthfabrik, die in unsrer Madame eine gute Kundin bekam. Frau Böhme trank den Absinth ohne Zusatz von Wasser, ließ sich von dieser Gepflogenheit auch dnrch Warnungen nicht abbringen und gelangte so in einen Zustand, der auch eine Weile nach unsrer Abreise vou Fleurier andauerte. Beim Abfahren vom Platze forderte uus ein Gendarm auf, mehr links zu fahren, wodurch aber der Wohn¬ wagen auf eine feuchte Stelle der Wiese geriet, tief einsank und mit Winden wieder flott gemacht werden mußte. Über diese Verzögerung geriet die Madame in große Erregung, stieg aus dem Wagen heraus, zwängte sich hinter den Pferden vorbei und ließ ihre Wut an mir aus, der ich doch an dem Mißgeschick gänzlich unschuldig war. Als ich sie zu beruhigen suchte, prügelte sie mit der Faust meinen Rücken und wollte sich, als auch das mich kalt ließ, eines Hebebaums als Waffe bedienen, was ihr aber bei dem Gewicht dieses Instruments uicht gelang. Sie konnte noch von Glück sagen, daß der Gendarm seine Absicht, sie zu arretieren, nicht verwirk¬ lichte. Als wir nach diesem Erlebnis in Sonvilier anlangten, rief mich der Prin¬ zipal in den Wagen und gab mir zwei Franken mit der Weisung, sie zu vertrinken und das Abenteuer und seiner Frau zu vergessen. Von Sonvilier reisten wir nach Freiburg, einer schönen, altertümlichen Stadt, in der mir die große Anzahl der Geistlichen auffiel. Wir standen in einiger Entfernung auf einer Wiese, wo wir das malerische Panorama inimer vor Augen hatten. Der Platz, worauf wir standen, war sehr schmutzig und mußte mit einer Fuhre Sägemehl bedeckt werden. In Freiburg verließ uns der französische Rekommcmdeur Felix wieder, dessen wir jetzt nicht mehr bedurften, da wir wieder in Gegenden mit deutschsprechender Bevölkerung gelangt waren. Zur Frühjahrsmesse fanden wir uns in Bern ein, wo wir auf der Schützeu- matte standen und der großen Konkurrenz wegen wieder einen „Präsentenstand" errichten mußten. An die Stelle des französischen Rekommandeurs trat jetzt ein andrer Neffe der Madame, mit Namen Karl Lindig. Nach etwa vierzehn Tagen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/272>, abgerufen am 27.09.2024.