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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren

Wärter begleitete. Er wurde von der Bahn abgeholt und durch ganz München
geführt, was großes Aufsehen erregte. Dieser Elefant -- er hieß Jolly -- be¬
nahm sich gesitteter als sein schwarzer Begleiter, der sehr schmutzig war, widerwillig
seiue Arbeit tat und jede Gelegenheit benutzte, sich aus der Menagerie zu entfernen.
Eines Tages kamen um neun Uhr früh Besucher, und dabei stellte sich heraus, daß
der Schwarze wieder nicht auf seinem Posten war. Nun hatte Berg, der den
Singalesen von Anfang an nicht hatte leiden können, schon früher einmal die Frage
an mich gerichtet, ob ich mich Wohl getraue, mit dem Elefanten fertig zu werden,
was ich bejahte. Da nun jetzt bei dem Elefanten der Mist noch nicht entfernt
war, forderte mich Berg auf, die Reinigung zu übernehmen. Ich ergriff Besen
und Schippe und näherte mich arglos dem Tiere. Dieses nahm aber den Eingriff
in die Rechte oder vielmehr die Pflichten seines schwarzen Wärters übel, faßte mich
mit dem Rüssel um den Leib und schlenderte mich in weitem Bogen bis an den
zweiten Platz. Bei dieser Luftreise blieb ich mit den Beinkleidern an der Barriere
hängen und kam deshalb in etwas defekter Toilette auf dem Erdboden an. Der
Prinzipal fragte mich, ob meine Knochen noch ganz wären, und gab mir eine
Peitsche aus Nilpferdleder mit der Aufforderung, Rock und Weste auszuziehn und
den Elefanten nach Kräften zu züchtigen Ich ließ mir das nicht zweimal sagen,
sondern nahm die Peitsche, die aus einem Stück Leder geschnitten war und etwa
1,39 Meter lang sein mochte, und prügelte damit das Tier eine gute halbe Stunde.
Der Elefant trompetete und würde mich, wenn er mich erwischt hätte, vielleicht ge¬
tötet haben, aber ich hütete mich, in den Bereich seines Rüssels zu kommen. Als
er sich endlich umdrehte, gab mir der Prinzipal die Weisung, eine Mohrrübe zu
nehmen und damit getrost an den Kopf des Elefanten hinanzutreten, der mir nun
nichts mehr zuleide tun würde. Das tat ich auch, gab ihm die Rübe, streichelte
sein Ohr, redete ihm in freundlichem Tone zu, und von da an waren wir die besten
Freunde. Ich machte nun den Stand des Elefanten rein, worauf der Schwarze
wieder auf der Bildfläche erschien, große Augen machte und sofort entlassen wurde.
Von diesem Tage an war ich der Wärter des Dickhäuters und hatte einen an¬
genehmen Dienst, bei dem nur das eine Mißliche war, daß ich meinen Schutz-
befohlnen nicht verlassen durfte. Der Elefant war noch in halbrohem Zustande,
Berg gab mir deshalb eine Anleitung, wie ich die Pflege der Haut und der Hufe
zu handhaben hätte. Die Haut mußte gebürstet, gewaschen und eingefettet werden,
während die Hufe mit einem Hufmesser ausgeschnitten und mit einer Raspel ge¬
glättet werden mußten. Zu diesem Zwecke wurde dem Tiere beigebracht, den Fuß
auf einen Holzklotz oder ein Faß zu setzen, und es begriff bald, daß man ihm
mit diesen Manipulationen eine Wohltat erweise. Nach etwa einer Woche begann
ich auch mit der Dressur, erhielt als Handwerkszeug dazu außer der Peitsche einen
Elefantenhaken, der mit einer Spitze und einem Haken versehen ist.

Mein Freund, der Schweizer, verließ uns nach einiger Zeit. Ich blieb noch
eine Weile dort, verlor aber schließlich infolge von Differenzen mit dem Rekomman-
deur auch die Lust, meine Stellung beizubehalten, und kündigte.

Dann ging ich zu Fuß über Ulm nach Landau und Konstanz und sah mich
genötigt, wieder einmal zu talfen. Unvermutet bemerkte ich an der Münze, die ich
erhielt, daß ich auf Schweizer Boden war. Allerdings durfte ich mich meines Auf¬
enthalts in der freien Schweiz nicht lange erfreuen, denn in Kreuzungen fiel ich
einem Butz in die Hände, der mich mit nach der Grenzstation nahm, mein Buch
mit einem Zinken: "Polizeiposten Kreuzungen" versah und mir den nächsten Weg
in das deutsche Vaterland zeigte. Von Konstanz wanderte ich nach Radolfzell und
traf dort meinen ehemaligen Kollegen aus der Böhmischen Menagerie, Anton
Brunner, der mir mitteilte, daß er mit Peter Böhmes Panorama in Radolfzell sei,
und mich einlud, ihm zu seinem Prinzipal zu folgen, da sie gerade einen An¬
gestellten suchten. Ich fand denn auch sogleich Arbeit, erhielt im Monat achtzehn
Mark und einen Teil der Trinkgeldeinnahme. Die Besitzer des Geschäfts waren


Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren

Wärter begleitete. Er wurde von der Bahn abgeholt und durch ganz München
geführt, was großes Aufsehen erregte. Dieser Elefant — er hieß Jolly — be¬
nahm sich gesitteter als sein schwarzer Begleiter, der sehr schmutzig war, widerwillig
seiue Arbeit tat und jede Gelegenheit benutzte, sich aus der Menagerie zu entfernen.
Eines Tages kamen um neun Uhr früh Besucher, und dabei stellte sich heraus, daß
der Schwarze wieder nicht auf seinem Posten war. Nun hatte Berg, der den
Singalesen von Anfang an nicht hatte leiden können, schon früher einmal die Frage
an mich gerichtet, ob ich mich Wohl getraue, mit dem Elefanten fertig zu werden,
was ich bejahte. Da nun jetzt bei dem Elefanten der Mist noch nicht entfernt
war, forderte mich Berg auf, die Reinigung zu übernehmen. Ich ergriff Besen
und Schippe und näherte mich arglos dem Tiere. Dieses nahm aber den Eingriff
in die Rechte oder vielmehr die Pflichten seines schwarzen Wärters übel, faßte mich
mit dem Rüssel um den Leib und schlenderte mich in weitem Bogen bis an den
zweiten Platz. Bei dieser Luftreise blieb ich mit den Beinkleidern an der Barriere
hängen und kam deshalb in etwas defekter Toilette auf dem Erdboden an. Der
Prinzipal fragte mich, ob meine Knochen noch ganz wären, und gab mir eine
Peitsche aus Nilpferdleder mit der Aufforderung, Rock und Weste auszuziehn und
den Elefanten nach Kräften zu züchtigen Ich ließ mir das nicht zweimal sagen,
sondern nahm die Peitsche, die aus einem Stück Leder geschnitten war und etwa
1,39 Meter lang sein mochte, und prügelte damit das Tier eine gute halbe Stunde.
Der Elefant trompetete und würde mich, wenn er mich erwischt hätte, vielleicht ge¬
tötet haben, aber ich hütete mich, in den Bereich seines Rüssels zu kommen. Als
er sich endlich umdrehte, gab mir der Prinzipal die Weisung, eine Mohrrübe zu
nehmen und damit getrost an den Kopf des Elefanten hinanzutreten, der mir nun
nichts mehr zuleide tun würde. Das tat ich auch, gab ihm die Rübe, streichelte
sein Ohr, redete ihm in freundlichem Tone zu, und von da an waren wir die besten
Freunde. Ich machte nun den Stand des Elefanten rein, worauf der Schwarze
wieder auf der Bildfläche erschien, große Augen machte und sofort entlassen wurde.
Von diesem Tage an war ich der Wärter des Dickhäuters und hatte einen an¬
genehmen Dienst, bei dem nur das eine Mißliche war, daß ich meinen Schutz-
befohlnen nicht verlassen durfte. Der Elefant war noch in halbrohem Zustande,
Berg gab mir deshalb eine Anleitung, wie ich die Pflege der Haut und der Hufe
zu handhaben hätte. Die Haut mußte gebürstet, gewaschen und eingefettet werden,
während die Hufe mit einem Hufmesser ausgeschnitten und mit einer Raspel ge¬
glättet werden mußten. Zu diesem Zwecke wurde dem Tiere beigebracht, den Fuß
auf einen Holzklotz oder ein Faß zu setzen, und es begriff bald, daß man ihm
mit diesen Manipulationen eine Wohltat erweise. Nach etwa einer Woche begann
ich auch mit der Dressur, erhielt als Handwerkszeug dazu außer der Peitsche einen
Elefantenhaken, der mit einer Spitze und einem Haken versehen ist.

Mein Freund, der Schweizer, verließ uns nach einiger Zeit. Ich blieb noch
eine Weile dort, verlor aber schließlich infolge von Differenzen mit dem Rekomman-
deur auch die Lust, meine Stellung beizubehalten, und kündigte.

Dann ging ich zu Fuß über Ulm nach Landau und Konstanz und sah mich
genötigt, wieder einmal zu talfen. Unvermutet bemerkte ich an der Münze, die ich
erhielt, daß ich auf Schweizer Boden war. Allerdings durfte ich mich meines Auf¬
enthalts in der freien Schweiz nicht lange erfreuen, denn in Kreuzungen fiel ich
einem Butz in die Hände, der mich mit nach der Grenzstation nahm, mein Buch
mit einem Zinken: „Polizeiposten Kreuzungen" versah und mir den nächsten Weg
in das deutsche Vaterland zeigte. Von Konstanz wanderte ich nach Radolfzell und
traf dort meinen ehemaligen Kollegen aus der Böhmischen Menagerie, Anton
Brunner, der mir mitteilte, daß er mit Peter Böhmes Panorama in Radolfzell sei,
und mich einlud, ihm zu seinem Prinzipal zu folgen, da sie gerade einen An¬
gestellten suchten. Ich fand denn auch sogleich Arbeit, erhielt im Monat achtzehn
Mark und einen Teil der Trinkgeldeinnahme. Die Besitzer des Geschäfts waren


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[0267] Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren Wärter begleitete. Er wurde von der Bahn abgeholt und durch ganz München geführt, was großes Aufsehen erregte. Dieser Elefant — er hieß Jolly — be¬ nahm sich gesitteter als sein schwarzer Begleiter, der sehr schmutzig war, widerwillig seiue Arbeit tat und jede Gelegenheit benutzte, sich aus der Menagerie zu entfernen. Eines Tages kamen um neun Uhr früh Besucher, und dabei stellte sich heraus, daß der Schwarze wieder nicht auf seinem Posten war. Nun hatte Berg, der den Singalesen von Anfang an nicht hatte leiden können, schon früher einmal die Frage an mich gerichtet, ob ich mich Wohl getraue, mit dem Elefanten fertig zu werden, was ich bejahte. Da nun jetzt bei dem Elefanten der Mist noch nicht entfernt war, forderte mich Berg auf, die Reinigung zu übernehmen. Ich ergriff Besen und Schippe und näherte mich arglos dem Tiere. Dieses nahm aber den Eingriff in die Rechte oder vielmehr die Pflichten seines schwarzen Wärters übel, faßte mich mit dem Rüssel um den Leib und schlenderte mich in weitem Bogen bis an den zweiten Platz. Bei dieser Luftreise blieb ich mit den Beinkleidern an der Barriere hängen und kam deshalb in etwas defekter Toilette auf dem Erdboden an. Der Prinzipal fragte mich, ob meine Knochen noch ganz wären, und gab mir eine Peitsche aus Nilpferdleder mit der Aufforderung, Rock und Weste auszuziehn und den Elefanten nach Kräften zu züchtigen Ich ließ mir das nicht zweimal sagen, sondern nahm die Peitsche, die aus einem Stück Leder geschnitten war und etwa 1,39 Meter lang sein mochte, und prügelte damit das Tier eine gute halbe Stunde. Der Elefant trompetete und würde mich, wenn er mich erwischt hätte, vielleicht ge¬ tötet haben, aber ich hütete mich, in den Bereich seines Rüssels zu kommen. Als er sich endlich umdrehte, gab mir der Prinzipal die Weisung, eine Mohrrübe zu nehmen und damit getrost an den Kopf des Elefanten hinanzutreten, der mir nun nichts mehr zuleide tun würde. Das tat ich auch, gab ihm die Rübe, streichelte sein Ohr, redete ihm in freundlichem Tone zu, und von da an waren wir die besten Freunde. Ich machte nun den Stand des Elefanten rein, worauf der Schwarze wieder auf der Bildfläche erschien, große Augen machte und sofort entlassen wurde. Von diesem Tage an war ich der Wärter des Dickhäuters und hatte einen an¬ genehmen Dienst, bei dem nur das eine Mißliche war, daß ich meinen Schutz- befohlnen nicht verlassen durfte. Der Elefant war noch in halbrohem Zustande, Berg gab mir deshalb eine Anleitung, wie ich die Pflege der Haut und der Hufe zu handhaben hätte. Die Haut mußte gebürstet, gewaschen und eingefettet werden, während die Hufe mit einem Hufmesser ausgeschnitten und mit einer Raspel ge¬ glättet werden mußten. Zu diesem Zwecke wurde dem Tiere beigebracht, den Fuß auf einen Holzklotz oder ein Faß zu setzen, und es begriff bald, daß man ihm mit diesen Manipulationen eine Wohltat erweise. Nach etwa einer Woche begann ich auch mit der Dressur, erhielt als Handwerkszeug dazu außer der Peitsche einen Elefantenhaken, der mit einer Spitze und einem Haken versehen ist. Mein Freund, der Schweizer, verließ uns nach einiger Zeit. Ich blieb noch eine Weile dort, verlor aber schließlich infolge von Differenzen mit dem Rekomman- deur auch die Lust, meine Stellung beizubehalten, und kündigte. Dann ging ich zu Fuß über Ulm nach Landau und Konstanz und sah mich genötigt, wieder einmal zu talfen. Unvermutet bemerkte ich an der Münze, die ich erhielt, daß ich auf Schweizer Boden war. Allerdings durfte ich mich meines Auf¬ enthalts in der freien Schweiz nicht lange erfreuen, denn in Kreuzungen fiel ich einem Butz in die Hände, der mich mit nach der Grenzstation nahm, mein Buch mit einem Zinken: „Polizeiposten Kreuzungen" versah und mir den nächsten Weg in das deutsche Vaterland zeigte. Von Konstanz wanderte ich nach Radolfzell und traf dort meinen ehemaligen Kollegen aus der Böhmischen Menagerie, Anton Brunner, der mir mitteilte, daß er mit Peter Böhmes Panorama in Radolfzell sei, und mich einlud, ihm zu seinem Prinzipal zu folgen, da sie gerade einen An¬ gestellten suchten. Ich fand denn auch sogleich Arbeit, erhielt im Monat achtzehn Mark und einen Teil der Trinkgeldeinnahme. Die Besitzer des Geschäfts waren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/267>, abgerufen am 27.09.2024.